Gesetz ohne Rechtsfolgen

Birte Meier, Journalistin und Buchautorin, verzichtet auf ein Abfindungsangebot mit Verschwiegenheitserklärung, um für gleiches Gehalt für Frauen und Männer weiterzukämpfen. Foto: Sebastian Pfütze

Journalistin muss wegen der Klage gegen das ZDF nochmals vor das Arbeitsgericht

Am 7. März war in Deutschland Equal Pay Day. Er markiert symbolisch den Tag im Jahr, der der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern entspricht und macht auf diesen Missstand aufmerksam. Seit Jahren tut sich wenig bei der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, das zeigen die Daten des Statistischen Bundesamtes. 18 Prozent weniger haben Frauen 2022 pro Stunde brutto verdient. Für Birte Meier ist das nicht akzeptabel. Sie selbst hat Lohndiskriminierung erlebt und sich dagegen gewehrt. Mittlerweile führt die Journalistin seit Jahren einen Rechtsstreit gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber ZDF, in dem es ihr um mehr geht als um ihren Verdienst. Sie will Lohngerechtigkeit für Frauen. Jetzt hat sie ein Buch darüber geschrieben: „Equal Pay Now! Endlich gleiches Gehalt für Frauen und Männer. Was wir jetzt tun können“.

M | Der Gender Pay-Gap klingt nach einer harmlosen Lücke. In Wirklichkeit ist er eine krasse Form der Diskriminierung. Weshalb ist der Verdienst von Männern und Frauen immer noch nicht angeglichen?

BIRTE MEIER | Das ist schwer nachvollziehbar. Deutschland ist auch im Europäischen Vergleich ohnehin recht weit hinten, was die Lohngerechtigkeit angeht. Die bereinigte Lohnlücke ist sogar auf 7 Prozent gestiegen, sie lag lange bei 6 Prozent. Das wird zwar auch von der Politik bedauert, aber an den Kern des Problems geht sie nicht. Im Gegenteil, es wird weiterhin so getan, als seien die Frauen selbst daran schuld, dass sie den falschen Beruf ergreifen, zu schlecht ihre Löhne zu verhandeln, zu lange Elternzeit nehmen und danach zu lange Teilzeit arbeiten. Es gibt dann solche ein bisschen halbherzigen Initiativen wie den Girls Day, um Frauen zu ermutigen, in naturwissenschaftliche Berufe zu gehen oder Versuche, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern. In anderen Ländern sehen wir aber viel wirksamere Lohntransparenz-Initiativen und Gesetze, die die Unternehmen in die Pflicht nehmen, anstatt die Verantwortung den Frauen zuzuschieben. Das hat hier bis dato nicht stattgefunden. Offenbar halten sich alte Rollenbilder und die Idee des Hinzuverdienerinnenmodells in Deutschland besonders hartnäckig.

Wie hartnäckig an dieser Ungleichheit festgehalten wird, haben sie in der Auseinandersetzung mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber, dem ZDF selbst erfahren. Sie haben gegen ihre Lohndiskriminierung geklagt. Mit welchem Ergebnis?

Ich klage nun seit acht Jahren gegen das ZDF. Ein Ergebnis daraus ist das Präzedenzurteil des Bundesarbeitsgerichts, von dem viele andere Frauen nun profitieren können. Für mich hatte es zur Folge, dass das ZDF zwar die Gehaltsinformation nach dem Entgelttransparenzgesetz herausgeben musste, demzufolge verdiente ich im Jahr 2017 rund 800 Euro weniger im Monat als meine männlichen Kollegen. Aber mein Geld habe ich bisher trotzdem nicht bekommen. Denn der Gesetzgeber hat seinerzeit bei der Verabschiedung des Entgelttransparenzgesetzes versäumt vorzugeben, welche Rechtsfolgen die Lohndiskriminierung haben soll. Das Bundesverfassungsgericht hat deswegen entschieden, dass ich nun wieder vor das Arbeitsgericht Berlin ziehen muss, um meinen Lohn dort einzuklagen.

Gab es vom ZDF ein Angebot, Sie zu entschädigen?

Es gab ein Abfindungsangebot von 110.000 Euro und einer bezahlten viermonatigen Freistellung. Der Haken an der Sache war, dass ich mit der Abfindung einen Maulkorb hätte unterschreiben müssen. Es war dort eine Vertragsstrafe vorgesehen, für den Fall, dass ich die Lohndiskriminierung weiter öffentlich gemacht hätte. Das war ich zu diesem Zeitpunkt, nach sieben Jahren Rechtsstreit nicht bereit zu unterzeichnen. Eine solche Verschwiegenheitserklärung ist nämlich an sich schon ein riesengroßes Problem. Denn wenn wir nun den wenigen, die sich gegen Diskriminierung wehren, auch noch den Mund verbieten, bleibt das Thema im Verborgenen und wir als Gesellschaft werden nie über dieses Problem sprechen.

Betrifft das Thema uns als Medienschaffende und Journalistinnen in besonderem Maße?

Es ist ein Phänomen, das so gut wie überall auftritt. Aber wir wissen, dass atypische Beschäftigungsformen, wie sogenannte fest-freie Arbeitsverhältnisse, besonders von Lohndiskriminierung betroffen sein können. Dort wurde häufig nicht so genau hingesehen. Manchmal ist auch unklar, ob Personalräte überhaupt zuständig sind. Je weniger Transparenz und Kontrolle es gibt, desto mehr Ungleichheiten können so durchrutschen. Wenn dann auch noch Tarifverträge fehlen und Löhne frei verhandelbar sind, öffnet sich die Lohnschere gewaltig zu Lasten von Frauen.

Insbesondere Frauen profitieren ja in allen Branchen von Tarifverträgen.

Das ist richtig. Sie müssen aber auch geschlechtergerecht angewandt werden. Denn auch bei Tarifverträgen gibt es Spielräume, was zum Beispiel Boni oder Eingruppierungen angeht. Es ist deshalb leider ein Trugschluss, dass Tarifverträge die Ungleichbehandlung völlig ausräumen. Personalräte und Gewerkschaften sollten besonders auf die geschlechterneutrale Anwendung von Tarifverträgen achten.

Was raten sie Frauen, die von Lohndiskriminierung betroffen sind?

Im Idealfall sollten sich Frauen darum nicht selbst kümmern müssen. Solange die Politik es aber nicht regelt, sollten sich Betroffene fachlichen Rat holen: beim Betriebsrat, Personalrat, der Gewerkschaft oder beim Anwalt. Denn die Rechtslage ist nicht einfach. Sie sollten sortiert und energisch auftreten und sich in keinem Fall hinhalten lassen. Hilfreich ist es, sich für eine Klage mit anderen Frauen und auch Männern zusammenzuschließen.

Dazu gehört auch Mut.

Viele Frauen fragen sich ja tatsächlich, ob sie nicht vielleicht doch ein bisschen schlechter sind im Job als ihre männlichen Kollegen. Diese Selbstzweifel gehören auf den Müll. Denn selbstverständlich hat man Anspruch auf gleichen Lohn für die gleiche Tätigkeit. Das ist ein Grundrecht.

Birte Meier

EQUAL PAY NOW!

Endlich gleiches Gehalt

für Frauen und Männer

Was wir jetzt tun können

 

Paperback, 240 Seiten

ISBN: 978-3-442-17984-8

Goldmann Verlag 2023

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »