Gräben in der Windkraft-Debatte

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Der Mediendiskurs über den Ausbau der Windkraft bremse die Energiewende und reflektiere einen Wertekonflikt in der bundesdeutschen Gesellschaft, so Kulturwissenschaftlerin Georgiana Banita in einem Arbeitspapier der Otto-Brenner-Stiftung (OBS). Sie analysiert dominierende Narrative und stellt fest, dass die Berichterstattung den „scheinbaren Zielkonflikt“ zwischen Klimaschutz und Bewahrung von Natur, Tradition und Wohlstand eher verstärke. Journalist*innen sollten deshalb sachlich-fundierter und abwägender berichten.

Die Kulturgeschichte fossiler und erneuerbarer Energieträger ist ein Forschungsschwerpunkt von Banita, die konstatiert, Windenergie werde von allen Energieoptionen „am häufigsten mit negativen Folgen und Risiken in Verbindung gebracht, also häufiger als Nuklearenergie oder Fracking“. Deshalb fokussiert sie ihre qualitativ-hermeneutische Inhaltsanalyse „auf windkritische Perspektiven“, die sie vor allem in WELT und „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ) findet. Sie vergleicht sie mit windkraftbefürwortenden Beiträgen in SPIEGEL und „Süddeutscher Zeitung“ (SZ). Als Untersuchungszeitraum wählt sie die zehn Jahre zwischen 2011, dem Jahr des deutschen Atomausstiegs nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima, und 2021, als das Bundesverfassungsgericht das damalige Klimaschutzgesetz als unzulässig beurteilte.

Waldmythos und „Heimatwehr“

Aus dem Pressematerial und anderen Quellen kristallisierten sich nach Auskunft der Forscherin acht thematische Motive heraus, deren mediale Darstellung dann genauer unter die Lupe nimmt: Wald, Landschaftsästhetik, Artenschutz, Demokratie, Kosten, Fortschritt, Nachhaltigkeit und Gesundheit. Für die einen werde der „deutsche Wald“ zum Narrativ für intakte Natur und nationale Identität, die es zu bewahren gilt – gegenüber einer undemokratischen „Klimadiktatur“ durch die aktuelle Energiepolitik. Die anderen priesen die technischen Möglichkeiten, den Klimawandel zu stoppen und Biodiversität zu schützen sowie die demokratischen Bürgerbeteiligungen zur Akzeptanzsteigerung.

Dominierendes Narrativ sei in allen Publikationen der „Wald“. FAZ und WELT gehe es eher um einen „kulturübergreifenden Waldmythos, während SZ und SPIEGEL den Stellenwert des Waldes transparent machen und sachlich reflektieren“, so die Autorin. Sie zitiert WELT-Autor Dankwart Guratzsch, der 2014 schrieb: „Der Kampf gegen Windmühlenflügel ist kein Donquichottismus gegen neue Technologien, sondern in den Augen der Betroffenen Heimatwehr.“ Die Verknüpfung rechter Narrative mit Naturschutz werde in Pro-Windkraft-Berichten dagegen reflektiert – etwa 2020 in der SZ, die thematisiere, dass Windparks nicht nur von Naturschützer*innen bekämpft würden, sondern auch von AfD-Politiker*innen und zwar mit Panikmache.

Die starke Emotionalisierung in konservativen Zeitungen bei der Thematisierung von Natur- und Artenschutz stelle „eine wirksame kritische Taktik dar“, so Banita: „Die ‚heimischen‘, durch die Infrastrukturen zur erneuerbaren Stromerzeugung getöteten Vögel und Fledermäuse haben einen höheren Stellenwert als die ‚ausländischen‘ Menschen und Tiere, die an den Folgen des Klimawandels zugrunde gehen, konstatiert sie und illustriert das an einem FAZ-Artikel von 2012, der auf diverse Storch- und Falkenarten fokussiere, „die vom Sog der Windräder eingezogen und buchstäblich zerhäckselt werden“. Beweise für solche Schreckensszenarien fehlten oft. Als einzige Quelle für Fakten und Zahlen – etwa zu den von Rotoren getöteten Vögeln – würden teilweise nur die Aussagen von Windkraftgegner*innen genannt.

Studie „verdienstvoll“ oder „Pamphlet“ ?

Banita kritisiert, dass es in allen Zeitungen an Debattenfreudigkeit mangelt. Unterschiedliche Positionen würden kaum in die Entwicklungsgeschichte der Energieträger, in kulturpolitische Diskurse oder den Stand wissenschaftlicher Befunde eingeordnet. Sie selbst zieht viele Quellen für den Faktencheck heran, fordert mehr Sachkenntnis über den Klimawandel und weniger polarisierende Berichterstattung über Chancen und Risiken der Windkraft. Die empirische Basis für ihre provokativen Befunde ist mit 40 Beiträgen klein, aber inhaltlich gibt die Kulturforscherin viele neue Denkanstöße – für die journalistische Praxis, aber auch für die Medienwissenschaft. Interessant wäre, ob sich die Windkraft-Debatte durch Ukrainekrieg und Energiekrise verändert hat.

Die Resonanz auf Banitas Studie ist überwiegend positiv. René Martens bezeichnet sie in seiner mdr-Medien-Kolumne als „verdienstvoll“ – auch weil „Windkraftberichterstattungskritik nicht sonderlich verbreitet“ sei. Als eine der vier analysierten Zeitungen berichtet die FAZ unter dem Titel „‘Krieg der Werte’ bei der Energiewende?“ über die Studie und gründet ihre Kritik auf die geringe Datenbasis. In einer aktualisierten Online-Fassung bezeichnet Helmut Hartung Banitas Analyse im Vorspann als „Pamphlet“. Trotz aller Polarisierungen: Das Interesse an dem OBS-Arbeitspapier scheint groß zu sein. Drei Wochen nach Erscheinen sind die Printfassungen bereits vergriffen.

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