Hamburger auf Konzeptsuche

Neuorganisation der Medienausbildung zu Lasten bestehender Studiengänge

„Das Uni-Studium der Medien und des Journalismus darf nicht zusammengestrichen werden, um die Hamburg Media School (HMS) durchzusetzen.“ Das war die erste Reaktion des neu gegründeten Zentrums für Medienkommunikation (ZfM) auf die Vorschläge der Dohnanyi-Kommission zur grundlegenden Neuorganisation der Medienausbildung in Hamburg. „Wir begrüßen die entwickelte Perspektive, die Hamburger Potentiale von Lehre und Forschung zu bündeln“, meint der Geschäftsführende Direktor des Instituts für Journalistik und Kommunikationswissenschaft (IJK) und Direktor des Zentrums für Medienkommunikation, Siegfried Weischenberg (Foto). Der Kommissionsbericht enthalte allerdings „eine Reihe von nicht zutreffenden Schlussfolgerungen“.

«M»: Wann haben Sie davon erfahren, dass die Hochschul-Kommission vorschlägt, im Zuge der Gründung einer Media School dem IJK das Hauptfach Journalistik zu streichen?

Siegfried Weischenberg: Als Ende Januar der Bericht vorgelegt wurde. Vorher hat niemand mit uns darüber gesprochen. Daraus lässt sich erklären, warum die Darstellung für den Bereich Medien so fehlerhaft ist. Wir sind immer davon ausgegangen, dass die geplante HMS nicht direkt das Journalistik-Institut betreffen würde. Es war die Rede davon, sie würden sich auf das Fernsehen, die neuen Medien und auf die Ausbildung von Führungskräften konzentrieren. Durch den Bericht der Dohnanyi-Kommission wurde dann offenbart, dass die HMS das Zentralinstrument für Medien in Hamburg werden soll – auf Kosten der Universität.

«M»: Was würde dies konkret für das IJK bedeuten?

Siegfried Weischenberg: Die Kommission hat zwei Dinge empfohlen, die uns direkt betreffen. Das eine ist die Schließung des Hauptfaches Journalistik, das vor zwei Jahren gegründet worden ist. Parallel dazu soll auch das Hauptfach Medienkultur gestrichen werden. Zum anderen wollen sie die Etablierung des neuen Medienzentrums verhindern. Das gibt es aber bereits seit dem letzten Winter. Diesem sind drei Institutionen zugeordnet. Das IJK, der Studiengang Medienkultur und das Hans-Bredow-Institut. Wir haben bereits das realisiert, was die Kommission fordert: Die einschlägigen Angebote in Forschung und Lehre zu bündeln. Das scheint man nun für eine große Gefahr für die HMS zu halten.

«M»: Was sind die Eckpunkte der Kommissions-Kritik am IJK?

Siegfried Weischenberg: Es fängt bei der fehlenden Erfolgsquote an. Doch die kann im Hauptfach Journalistik gar nicht existieren, da es dieses erst seit zwei Jahren in Hamburg gibt. In Dortmund und Münster, wo ich vorher Journalistik gelehrt habe, gab es Studienerfolgszahlen von 80 Prozent, also weit mehr als das, was die Kommission fordert. Die zweite falsche Information ist die, dass es im Teilstudiengang Journalistik zu viele Abbrecher gibt. Solche Daten gibt es für Nebenfächer gar nicht. Ebenso absurd verhält es sich mit dem Ruf der Kommission nach einer praxisnahen Ausbildung. Am IJK muss bereits heute die Hälfte aller Lehrveranstaltungen im Bereich Medienpraxis absolviert werden.

«M»: Wie werden Sie reagieren?

Siegfried Weischenberg: Wir haben uns an die Medien gewandt. Es wird zudem eine Reihe öffentlicher Veranstaltungen mit allen Beteiligten geben. Wir werden die Universität, die an der HMS als Träger finanziell beteiligt ist, auffordern, ihre Aktivitäten vorerst einzustellen. Wir sind kooperationsbereit, Vorrausetzung ist aber, dass vorhandene Studiengänge nicht kannibalisiert werden. Ich muss nicht erwähnen, dass unsere Studenten hochgradig nervös sind. Zumal angesichts der Tatsache, dass die HMS angekündigt hat, im Jahr 15.000 Euro Gebühren für das Studium dort zu erheben.

«M»: Offenbart sich hier nicht das Problem, Bildung als Kulturgut mit den Interessen der freien Wirtschaft zusammenzubringen?

Siegfried Weischenberg: Richtig. Mich irritiert, wie schwierig es der Medienstandort Hamburg hat, ein Konzept auf die Beine zu stellen, das nicht so eindeutig zur Industrie tendiert. Sicher müssen die Bedürfnisse der Medienwirtschaft berücksichtigt werden; es muss aber auch auf die soziale Bedeutung von Medien und Journalismus hingedeutet werden. Das ist ein Ausbildungsauftrag der Universität.
Theorie und Praxis sollten das Ziel haben, kritische, reflektierte und gut ausgebildete Journalisten hervorzubringen. Das ist seit 30 Jahren Konsens, alles andere wäre ein Rückschritt und würde zu einer Entprofessionalisierung führen. Damals haben dju, DJV und der Deutsche Presserat zusammen mit Verlegern diesbezüglich Modelle hervorgebracht. Seriöse Medien können nur über Qualität und ethische Sensibilität verkauft werden. Ein reines „Training on the job“ ist hingegen eine heikle Angelegenheit. Oft erlangen angehende Journalisten auf dem Wege nicht sonderlich viel Kompetenz.

Das Gespräch führte Martin Sonnleitner

Im Sommer bildete sich ein „Verein zur Gründung und Förderung der Hamburg Media School“ – eine Allianz aus der Stadt Hamburg und Vertretern der Medienwirtschaft. Zweck des Vereins soll die „Förderung der Lehre, der Wissenschaft und der Forschung sowie der Produktion audiovisueller und konvergenter Medienformen unter besonderer Berücksichtigung ihrer internationalen Ausrichtung“ sein.

Bereits ab Herbst 2003 sollen 20 Studenten ein Postgraduiertenstudium als zweijährige Zusatzausbildung für Managementführungskräfte im Bereich der klassischen und neuen Medien erhalten. In Zukunft soll die Ausbildung dann um Bereiche wie Werbung, Nachrichten und Dokumentationen erweitert und die Studentenzahl auf 80 aufgestockt werden. Die Finanzierung erfolgt über öffentliche Mittel und private Anleger wie der Axel Springer Verlag, der Spiegel Verlag, der Norddeutsche Rundfunk, Studio Hamburg sowie der Heinrich Bauer Verlag. Nach einem Standort für die HMS wird noch fieberhaft gesucht.

Die Bewerbungsfrist beginnt am 1. Mai ’03 und endet voraussichtlich am 1. Juli 2003.

Infos: www.hamburgmediaschool.com

 

nach oben