IFJ: Solidarität statt unnötiger Querelen

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Die Internationale Journalistenföderation (IFJ) engagiert sich für hunderttausende Journalist*innen weltweit. Dafür bedarf es auch innerhalb des Organisation großer Solidarität. Nun hat der Deutsche Journalistenverband (DJV) seinen Austritt für November erklärt. Als Gründe werden „Intransparenz, einsame Entscheidungen der IFJ-Spitze und undemokratisches Verhalten“ genannt. M sprach mit Joachim Kreibich, Mitglied im Executive Committee der IFJ, über Hintergründe der Auseinandersetzung und die Arbeit des Weltverbandes, in der auch die dju in ver.di seit vielen Jahren Mitglied ist.

M | Als größten Kritikpunkt für seine Austrittsentscheidung führt der DJV den „Mangel an Transparenz“ in der Arbeit der IFJ an. Was ist da dran?

Joachim Kreibich Mitglied im Executive Committee der IFJ
Foto: Stephanie von Becker

Joachim Kreibich | Die IFJ ist die weltgrößte Organisation von Journalist*innen. Sie repräsentiert gut 600.000 Medienschaffende und vereint Gewerkschaften und Verbände aus mehr als 140 Ländern. Die Themen sind überall faire Bezahlung, gute Arbeitsbedingungen, Verteidigung der Pressefreiheit, soziale Gerechtigkeit und anderes mehr. Kolleg*innen in Mexiko, Peru, Taiwan, in der Mongolei, in Tunesien, im Jemen oder im Senegal wissen, was sie an der IFJ haben – ganz generell und auch immer dann, wenn’s aktuelle Probleme gibt. Manchmal hilft schon internationale Öffentlichkeit.

Manches ist zwangsläufig unübersichtlich. Niemand kann wirklich stets einen Überblick über die Situation in so vielen Ländern haben – zumal sich da ständig was ändert. Und die Bedingungen für Journalist*innen in anderen Erdteilen sind oft sehr verschieden von unseren in Mitteleuropa. Andererseits kann man auch nicht über ein Jahrzehnt hinweg allen Meetings fernbleiben, wie es der DJV getan hat, und hinterher sagen, „ich versteh’s nicht, da muss was krumm gelaufen sein“. Denn dort gibt es ja die Möglichkeit, Kritik anzubringen, was wir auch oft getan haben.

Aber ist eine solche „Unübersichtlichkeit“ nicht dennoch ein gravierendes Problem?

Auch deshalb gibt es unter dem Dach der IFJ regionale Zusammenschlüsse: Europa, Mittlerer Osten, Asien-Pazifik, Lateinamerika, Afrika – das macht es einfacher. Aber ich habe auch ein naheliegendes Beispiel: ver.di ist groß, unübersichtlich und vielfältig. Viele in der dju haben sich deswegen anfangs Sorgen gemacht. Dann haben sie gemerkt: ver.di ist schlagkräftig und die Vielfalt bietet Chancen. Und ver.di ist ganz entschieden dem Gedanken der internationalen Solidarität verpflichtet. Ich muss gar nicht den ganzen Laden verstehen. Und ich finde viele Kolleg*innen, die mir helfen, wenn sie gebraucht werden. Und denen wir in der dju wiederum beistehen, wenn es erforderlich ist. Das ist manchmal der IFJ gar nicht unähnlich.

Wichtige Tagungen der IFJ sind der Weltkongress, der alle drei Jahre stattfindet, und die Jahreshauptversammlungen. Der DJV beklagt sich, wie das Executive Committee der IFJ beim jüngsten Meeting mit seinen Anträgen umgegangen sei. Was war da los?

Der Vorwurf ist gelinde gesagt merkwürdig. Der DJV-Vertreter durfte die Anträge begründen, sie wurden diskutiert. Einer betraf die Satzung und ging weit über das hinaus, was das Gremium beschließen darf. Zwei weitere wurden zurückgezogen, als deutlich wurde, dass sie keine Mehrheit finden. Wenn man eine detaillierte Untersuchung aller Projekte in Afrika seit dem Jahr 2000 verlangt und einen ganzen Kontinent unter Generalverdacht stellt, muss man sich nicht wundern, dass die Kolleg*innen empört sind und einem koloniale Attitüde und Schlimmeres vorwerfen. Ein konkreter Anlass für den Antrag war nicht zu erkennen. Die IFJ wird von den jeweiligen Projektpartnern streng kontrolliert und muss stets Rechenschaft ablegen, wofür sie die Mittel verwendet.

Kritische Anträge wurden nicht einfach niedergebügelt?

Wir sind immer offen für kritische Anmerkungen. Ich gebe mal ein Beispiel: 2016 hatte der DJV Anträge eingereicht, aber niemanden zum Meeting geschickt. Dass die Anträge trotz Abwesenheit behandelt wurden, lag daran, dass die dju in ver.di dann diese Anträge pro forma übernommen und eingebracht hat. Uns ging’s darum, dass man über die Sache diskutiert, auch wenn man nicht einer Meinung ist.

Es gab auch eine Auseinandersetzung mit den Gewerkschaften aus Norwegen, Dänemark, Finnland und Island, die dann ausgetreten sind. Worum ging es?

Unmittelbarer Anlass war der Ausschluss der russischen Gewerkschaft RUJ. Die war in der IFJ vor mehr als zehn Jahren hochwillkommen und hat sich lange gegen den Druck vonseiten der staatlichen Stellen gewehrt. Wer den Saal im Gewerkschafts-Haus in Moskau betrat, sah an der Wand etwa 50 gerahmte Porträts von RUJ-Kolleg*innen. Alles mutige Mitglieder, die ums Leben gekommen sind. Auch Anna Politkowskaja war dabei. In keinem der Fälle sind die Taten aufgeklärt und die Schuldigen bestraft worden. Inzwischen ist die RUJ unter dem Druck von oben eingeknickt und hat ihren Kurs geändert. Als sie in den eroberten Gebieten in der Ukraine (u.a. Luhansk und Donezk) eigene Vertretungen aufmachte, war das Maß überschritten und das Ausschlussverfahren wurde eingeleitet.

Die Vier aus Skandinavien sind trotzdem ausgetreten. Warum?

Ihnen schien unter anderem das Vorgehen gegen die RUJ zu zögerlich. Dabei musste alles streng nach Satzung erfolgen, und dabei waren Fristen einzuhalten. Dass man das Vorgehen der IFJ auch anders beurteilen kann, zeigen die beiden ukrainischen Gewerkschaften in der IFJ. Sie haben heftig gegen die RUJ protestiert, aber sie haben nie mit Austritt gedroht. Eben so wenig die ganz kleine unabhängige russische Gewerkschaft, die in Russland verboten wurde und deren Mitglieder inzwischen über viele Länder zerstreut sind.

Einige in der IFJ werfen dem DJV vor, sich bei den Beiträgen nicht korrekt verhalten zu haben. Sind die Vorwürfe berechtigt?

Ja, denn die Beitragshöhe bemisst sich nach der Zahl der Mitglieder. Wenn nun eine Organisation plötzlich angeblich drei Viertel ihrer Mitglieder verliert, dann ist das höchst merkwürdig, oder? Noch dazu, wenn man über die ganzen Jahre hinweg auf der Homepage bis heute andere Zahlen lesen kann. Viele Kolleg*innen aus verschiedenen Ländern haben die Seite im Netz aufgerufen – der Text dazu war sogar auf Englisch – und sich gewundert. Die IFJ hat 2022 nach eigenem Bekunden sogar eine Vereinbarung mit der DJV ausgehandelt, „um eine akzeptable Lösung für die Zahlung der Schulden in Höhe von 285.000 Euro zu finden, die der DJV der IFJ schuldete“. Schulden, die der DJV über viele Jahre hinweg angehäuft hatte.

Wie geht’s nun weiter?

Dazu gibt keiner eine Prognose ab. Was den DJV betrifft: Ich kenne einige in dem Verband, die sich auf internationaler Ebene einsetzen und vermutlich entsetzt sind. Wäre schön, wenn die sich durchsetzen könnten in ihrer Organisation und die Entscheidung rückgängig machten. Wenn man einen Fehler macht oder einen Irrtum begeht, dann läuft man nicht einfach davon, sondern bringt die Sache in Ordnung. Es gab durchaus Persönlichkeiten im DJV, die bei der IFJ in der Vergangenheit sehr geachtet waren und mit denen das nicht passiert wäre.

Und die vier Nordics?

Alle wären höchst erfreut, wenn sie bleiben würden. Dabei geht’s nicht nur um die finanziellen Auswirkungen. Sie haben sich immer engagiert und vieles vorangebracht. Wir waren meist Seite an Seite. Natürlich gibt’s in Groß-Organisationen vieles zu kritisieren. Die dju ist kein Abnick-Verein. Auch wir sind mit Initiativen gescheitert. Aber gemeinsam und mit Beharrlichkeit kann man durchaus Änderungen erreichen. Es stimmt: Die Kandidat*innen aus ihren Ländern für den IFJ-Vorstand haben seit einem Jahrzehnt nie genug Stimmen bekommen. Wir haben das immer bedauert. Es gibt keine Aufteilung, die dafür sorgt, dass eine solch aktive Region im Vorstand zwingend vertreten ist. Es sind offene Wahlen, bei denen auch andere bittere Niederlagen erlitten haben. Ihr Austritt schadet der Sache und schwächt die Position derer, die überall auf der Welt für Pressefreiheit und faire Arbeitsbedingungen eintreten.

Was kann ver.di tun?

Die dju bleibt natürlich in Kontakt mit den Kolleg*innen aus dem Norden. Als große Gewerkschaft mit vielen Sparten treffen ver.di-Vertreter*innen auch in anderen internationalen Organisationen auf Delegierte und Mandatsträger*innen aus Norwegen, Dänemark, Island und Finnland. Sagt ihnen: Sie werden gebraucht, auch bei den Journalist*innen, auch bei der IFJ.

Und ver.di engagiert sich weiter aktiv im Weltverband?

Natürlich, es gibt ja jede Menge praktische Aufgaben. Nehmen wir den Safety Fund. Kolleg*innen in Not bekommen schnell Hilfe. Im vorigen Quartal waren es besonders häufig welche aus Burundi, Myanmar, Palästina, der Türkei, dem Jemen und dem Iran. Meist ging es um medizinische Betreuung, Transport- und Visumkosten zur Flucht oder darum, wie man die Familien kurzfristig unterstützen oder in Sicherheit bringen kann. In den zurückliegenden Jahren hat man sich um viele Kolleg*innen aus der Türkei, Afghanistan, Belarus, der Ukraine oder Syrien gekümmert. Bei der IFJ gerät man nicht in Vergessenheit, bloß, weil die Situation im Land nicht oder nicht mehr international im Blickpunkt steht.

Und auch der internationale Presseausweis ist ein Instrument der Unterstützung …

Ja, für viele ist der von der IFJ ausgegebene Internationale Presse-Ausweis die Voraussetzung, um überhaupt in ihren Ländern ihrem Job nachgehen zu können. Er weist sie als Journalist*innen aus, sorgt dafür, dass Behörden und Institutionen auskunftswillig sind und bietet auch einen gewissen Schutz.

Es gibt auch eine Reihe von Projekten zu bestimmten Themen in der IFJ. Gibt es ganz aktuell eines, was du als Beispiel nennen könntest?  

Es laufen Projekte mit Partnern wie der EU, der Unesco oder der Friedrich-Ebert-Stiftung. Oft geht es darum, wie man Gewerkschaftsarbeit effektiv gestaltet und sich vernetzt mit anderen Akteuren oder sogar in einer größeren Region. Gerade startet „Rewriting the story: Media, Gender and Politics“. In Workshops wird untersucht, wie Politikerinnen und Politiker in den Nachrichten der unterschiedlichen Länder behandelt werden. Was steht einer gleichberechtigten Vertretung von Frauen und Männern in der Politik im Wege? Wie äußert sich das? Was müsste sich ändern im Hinblick auf die bevorstehenden Europawahlen? Sicher am Ende eine spannende Übersicht.

Joachim Kreibich war beim IFJ-Weltkongress 2013 erstmals Delegierter der dju in ver.di. Von 2016 bis 2019 war er Vize-Präsident, gegenwärtig ist er Mitglied im Executive Committee der IFJ.  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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