Jobsurfing all over the world

Serie Journalismus online –
Arbeit und Arbeitssuche im Netz: Tips, Risiken, Potentiale

Je länger die Möglichkeit besteht, über Internetanschluß im „globalen Dorf“ zu surfen, desto höher schlagen die visionären Wellen. Schon jetzt ist die Rede von „E-Democracy“ – Wahlen via Netz – oder „Cyber TV“, durch das jeder Teilnehmer zum eige-nen Programmdirektor mutiert und zu jedem Zeitpunkt jeden Film auswählen kann. Doch wie hoch ist der praktische Nutzen des Netzes bei der existenziellen Frage der Arbeitssuche?

„Job“, „Arbeit“, „Stellen“, „Journalist“, „Redakteur“ – solche Begriffe bieten sich als Eingabe nach Anwahl einer Suchmaschine in die Suchmaske des Roboters an. Es erscheint eine viel zu lange Trefferliste. Doch sucht sich der Jobsurfer aus dem Angebot einen Stellenmarkt aus, stehen dort meistens Verbindungen (elektronische Türen oder auch Links genannt) zu weiteren Jobbörsen, Jobagenten und Pools. Folgende Adressen sind für Medienmenschen besonders interessant.

Präsentation

Der Journalistenpool (http://www.nordwest.pop.de/bda/jp) ist ein Projekt des Hamburger Internet-Providers PoP (Point of Presence). Er bietet vor allem Präsentationsmöglichkeiten. Kostenlos akkreditieren sich Zunftkollegen von Feder und Film, stellen sich, ihre Themenschwerpunkte und ganze Artikel vor. Agenturen und Verlage wählen aus dem Pool einen geeigneten Schreiber oder Photographen aus. Laut Hendrik Walliser von PoP hat ein Journalist 1996 auf diese Weise 25 Prozent seiner Aufträge erhalten. Zukunftsweisend plant der Pool, Lesegebühren für Artikel zu berechnen. Weil ein sicheres Abrechnungsverfahren erst ab Mitte des Jahres auf den Markt kommt, wird das Honorarsystem voraussichtlich erst im Herbst 1997 eingeführt.

Zudem bietet der Journalistenpool einen Stellenteil. Wie im gesamten Online-Arbeitsmarkt überwiegen Angebote für Autoren und Redakteure im PC-, Internet- und technischen Bereich. Oft taucht der Begriff „Online-Redakteur“ auf. Roland Karle wies schon in „M“ 8/1996 auf diese „Zwitterstellung von journalistischer und technischer Tätigkeit“ hin.
Bewerbungen von Journalisten ohne technisches Know How auf diese Jobs sind somit meist erfolglos. Dennoch: Die Tendenz geht wie schon im kaufmännischen Bereich in Richtung Erweiterung des Internetangebots für alle journalistischen Sparten.

Journalisten aller Sparten und tausende hilfreicher Branchenadressen rund um das Thema Medien sind im „Medienhandbuch“ versammelt, das in drei Editionen für die Medienstädte Hamburg, München und Berlin/Potsdam erscheint. Eine Online-Version (http://www.medienhandbuch.de) mit z. Zt. 23000 Adressen, Jobbörse, Medienrechtsberatung und Newsletter liegt inzwischen vor. Das Hamburger Joint-Venture zwischen MA Network und den Verlagen Kammerer & Unverzagt sowie Christians bietet neben einem kostenfreien Grundeintrag mit E-Mail-Adresse IG-Medien-Mitgliedern 25 Prozent Rabatt für eine erweiterte Präsentation. Das „Freelance-Package“ beispielsweise mit u.a. den eigenen Adressdaten, bis zu drei Branchenzuordnunungen, Text-Kommentar, Portfolioabbildung und Link zur eigenen Homepage kostet dann statt 207 Mark inklusive Mehrwertsteuer knapp über 155 Mark. MA Network gibt unter 040-53696641 (Fon) oder 040-53696640 (Fax) nähere Informationen.

Austausch

Im Informationsaustausch von Journalistin zu Journalist liegt Jo!Net (http://www.jonet.com) weit vorn. Jo!Net ist ein elektronisches Forum für Medienschaffende und wurde von Kolleginnen und Kollegen als Diskussionszirkel gegründet. Zur Zeit tummeln sich etwa 300 Austauschpartner im Jo!Net – Volontäre wie Pressesprecher, von Hollywood bis Costa Rica. Wie Goetz Buchholz anschaulich in seinem „Ratgeber Freie“ darstellt (erhält in den Landesgeschäftsstellen der IG Medien; für Mitglieder 5 Mark, für Einsteiger in die Medienwelt unerläßlich), ist die Kontaktpflege im Kollegenkreis eine der wichtigsten Voraussetzungen, sich am Markt zu etablieren – deshalb seien besonders arbeitssuchenden Journalisten Foren wie Jo!Net ans Herz gelegt. Jo!Net-Unterforen für Lokaljournalisten („Was tun, wenn der Bürgermeister mauert“) und Nachwuchsjournalisten spezialisieren die Diskussion.

Stellenangebote

Mit Diskussionen hat der Suchroboter der Sommerschen „Zeit“ (http://www.zeit.de/robot) wenig im Speicher. In den frißt er Seite für Seite der Stellenanzeigen im Internet und spuckt sie nach Anfragen über eine Suchmaske wieder aus. Weil Robot nur frißt, aber nicht mitdenkt, sollten wieder verschiedene Suchbegriffe nacheinander eingegeben werden, z.B. „Redakteur“, „Journalist“, „Publizist“. Der Robot-Stellenmarkt wurde im Herbst 1996 installiert, hatte bislang etwa 250000 reale Besucher und wird hauptsächlich wegen des schnelleren Zugriffs von Interessierten aus Übersee genutzt. Nach eigenen Angaben erfaßt der Service der Wochenzeitung 80 Prozent der akademischen Jobofferten im Internet. Zunächst nur als Ergänzung des Print-Anzeigenteils für akademische Berufe gedacht, erweiterten sich die Offerten bald um den Medienbereich. Inzwischen hat die „Zeit“ mehr Angebote für Medienmacher im Netz als auf Papier. An meinem ersten Surfabend kamen immerhin 24 Einträge für Journalisten auf den Bildschirm, darunter die offene Stelle für einen Chefredakteur von Baupublikationen.

Neben der „Zeit“ gibt es weitere Initiativen von vielen Medien, auf diese Weise Werbung zu betreiben und in die Zukunft zu investieren. Derzeit 1100 Stellenangebote bietet Karriere Direkt (http://www.karrieredirekt. de). Dieser Stellenmarkt wurde u.a. vom „Handelsblatt“, „Werben & Verkaufen“ und der „Financial Times“ ins Leben gerufen. Möglich ist die Suche nach Regionen, Branchen, Funktionen und anderen Kriterien. Der Nachteil von Karrieredirekt liegt in der Geschwindigkeit: die Seiten bauen sich sehr langsam auf, kosten viel Online-Zeit und damit bares Geld. Als weitere Beispiele seien im öffentlich-rechtlichen Bereich der Westdeutsche Rundfunk (http://www.wdr.de/jobs) genannt wie im privaten der „Focus“ (http://focus.de/DB/db. htm).

Eine weiterer Surftip ist Jobs & Adverts (http://www.job.de), der nach dem Magellan Internet Guide 2/1997 führende deutsche Stellenmarkt im Internet.
Gates-oder-gates-nicht-Microsoft (Bonmot eines Schweizer Softwarevertriebs) höchstpersönlich sucht über diese Börse z.B. Multimedia-Redakteure. Weitere Arbeitsanbieter heißen Jobware (http://www.jobware.de); die Stellenboerse (http://www.stellenboerse.de); und – der Vollständigkeit halber zu guter letzt genannt: der Stellen-Informations-Service des Arbeitsamtes (via Internet: http://www.arbeits amt.de oder T-Online: „Arbeitsamt“). Daß das Angebot der Bundesanstalt für Medienberufe mager ist, stand in „M“ 4/1997.

Für eher passive Surfer befindet sich der Job-Agent (http://www.gigasoft.com/jobs.htm) noch im Aufbau. Vorgesehen ist, daß Jobsucher ihr persönliches Profil eingeben, worauf der Agent – ein Programm, das eine Aufgabe löst – selbständig im Netz nach passenden Angeboten sucht. Falls der Agent zum Laufen kommt, würde so zumindest ein Problem gelöst: Viele Großfirmen bieten ihre Jobs im Netz an – alle anzusurfen, würde Tage, wenn nicht Wochen dauern. Eine weitere Möglichkeit, Zeit zu sparen, ist die des Inserats. Stellensuchanzeigen für Arbeitnehmer können an vielen Orten im Netz kostenlos eingegeben werden, z.B. zwei Wochen beim Agentur Café (http:// www.agenturcafe.de/sk1.htm).

 Risiken

Neben den positiven Möglichkeiten der Arbeitssuche birgt das Internet aber auch Risiken in sich.

Neben dubiosen Angeboten, die Arbeitskraft gern umsonst in Form von unbezahlten Langzeitpraktika oder im Tausch gegen virtuelle Naturalia annehmen, kann die Vision des globalen Dorfes für den Arbeitsmarkt ein Schreckgespenst werden. In der Tat bedeuten die Neuen Medien nicht nur das Klischee einer elektronischen Revolution, sondern bergen das gewaltige Potential einer Umstrukturierung der gesamten Arbeitswelt. Hierzu ein Beispiel:
Der hochqualifizierte Grafiker, Programmierer oder Online-Redakteur aus Kalkutta kann sich jederzeit zuschalten und bewerben wie sein deutscher Kollege und seine Arbeit via Netz abgeben. Nur ist sein Kostenfaktor ein anderer. Derselbe Kollege kann aber auch und gerade dann in bestimmten Arbeitsbereichen eingesetzt werden, wenn in Deutschland für bestimmte Berufsgruppen Verhandlungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern geführt werden oder gar ein Arbeitskampf ansteht. Selbst wenn es seine finanzielle Situation erlaubt, kann er sich schon deshalb nicht solidarisch verhalten, weil er unter Umständen nichts von eben dem Arbeitskampf weiß.
Wie die Zukunft für den gesamten Arbeitsmarkt auch aussehen mag, für das Individuum bietet das Netz derzeit eine schnelle und kostengünstige Zugriffsmöglichkeit auf Stellenangebote, die zudem täglich erweitert werden. Zu erwarten ist insgesamt, daß in vielleicht einem oder zwei Jahren nach abgerufenen Seiten oder Verweildauer des Surfers im Internet abgerechnet wird. Denn warum sollten noch in Jahren ansonsten kaum finanzierbare Branchendienste wie „Kress“ (http://www.kress.de) oder Stellenanzeigen wie die der „Zeit“ online kostenlos zu beziehen sein? Steffen Richter, Redakteur der „Online-Zeit“, erklärte zwar, daß in diese kommerzielle Richtung noch nichts geplant sei, aber ausschließen wolle er eine Vergebührung auch nicht.

Gute Konditionen, um ins Netz zu gehen, hat derzeit AOL (America Online; zu 50 Prozent Bertelsmann). Der Online-Dienst bietet einen Journalisten-Account, bei dem keine Grundgebühren berechnet werden, und Surfen zehn Stunden lang frei ist (bis auf die Telefongebühren, jede weitere Stunde sechs Mark). Nach einem Fax an die Agentur Faktor 3, z. Hd. Andrea Küchenmeister, 040-67944611, mit der Anschrift, der Angabe von Redaktion und Ressort sowie einer Kopie des Presseausweises kommt das Startset nach etwa drei Wochen.

Noch günstiger für Journalisten ist der „Sponsored-Account“ von CompuServe. Außer den Telefongebühren gibt es weder Grundgebühr noch Stundenbegrenzung. Der Account läuft ein Jahr lang (Verlängerung möglich) und wird für Journalisten zur Verfügung gestellt, die über den EDV-Bereich (z.B. Computer, Online, Multimedia) schreiben, drehen oder im Radio berichten. Ein Fax an die CompuServe GmbH, z. Hd. der Managerin für Public Relations, Marielle Bureick (089-66571250) mit einer Kopie des Presseausweises oder von Belegartikeln bzw. einer Auflistung der Sendeberichte ist Voraussetzung für den Account.*

Doch weder Accounts noch Informationen über das Netz bieten Gewähr gegen Suchtverhalten. Ein Kollege erzählte mir unlängst von seinem Anschluß ans Internet. Weil er zu lange im Netz mit anderen Usern gechattet hatte, kredenzte ihm die Telecom eine gesalzene Rechnung. Das virtuelle Verquasseln kostete ihn über 500 Mark.

Dem Kollegen habe ich das neueste Buch vom Pulitzer-Preisträger und Computerfeind Dave Barry: „Von Enter bis Quit“ (192 Seiten, 24,80 Mark, erschienen beim Eichborn Verlag in Frankfurt am Main) ans Herz gelegt. Barry trocken-satirisch: Dieses Buch wird „Ihnen sagen, wie endlich auch Sie ins Internet kommen und mit Hunderten, ja Tausenden von Menschen in Kontakt treten können, die Sie im richtigen Leben nicht mit dem Hintern angucken würden.“


* Vor dem Netzgang grundsätzlich für Internet-Einsteiger empfehlenswert ist das Einlesen in die virtuelle Materie. Hierbei bieten sich drei für den Laien verständliche und gut strukturierte Einführungen auf echtem Papier an: Ingo Lackerbauer/Eric Tierling: AOL (303 Seiten mit CD-ROM, im Handel 49,95 Mark); Hans Hajer/Rainer Kolbek: CompuServe optimal nutzen (427 Seiten mit CD-ROM, im Handel 49,95 Mark) und für den Dienst der deutschen Telecom, der offiziell keinen Account anbietet: Ulrich Schulz: T-Online (345 Seiten mit CD-ROM, im Handel 39,95 Mark). Die Bücher sind bei Markt und Technik erschienen; Rezensionsexemplare erhalten Fachjournalisten über die Medien Agentur R+M Lang, Fax 08106-366512.

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