Journalismus im Kreuzfeuer

Was dürfen und müssen die Öffentlich-Rechtlichen? Wie kann sich Online-Journalismus finanzieren? Und ist unter Wirtschaftsjournalismus inzwischen eher eine Berichterstattung für privilegierte, wohlhabende Gesellschaftsschichten zu verstehen? Das waren am 22. Juni wichtige Fragen auf dem „4. Kölner Forum für Journalismuskritik“. Die Diskussionen im Funkhaus des Deutschlandfunks zeigten: Die Branche befindet sich in einem tiefgreifenden Umbruch. Wohin die Reise tatsächlich geht, bleibt jedoch offen.

Online-Journalismus ist mittlerweile fester Bestandteil des Pressewesens, darüber war sich in Köln das Panel „Neue Medien, neue Akteure“ einig. „75 Prozent aller Deutschen konsumieren Informationen und Neuigkeiten über das Internet“, berichtete die stellvertretende Chefredakteurin von Zeit Online Maria Exner. Unklarheit herrsche dagegen beim Publikum, ob für Onlinejournalismus andere Regeln gelten als für die analoge Berichterstattung: „Ganz klar nein. Wir haben die Verantwortung zu zeigen, dass dieselben Qualitätsstandards gelten.“ Oft, auch von den Kollegen aus dem analogen Bereich, wird geglaubt, dass die Inhalte im Netz oberflächlicher seien, weil sie dort schneller produziert werden müssten. Und da beginnt dann die Frage nach der Finanzierung. So sehr der Konsum von Information im Internet stattfindet, so wenig existiert eine Bereitschaft bei den Nutzer_innen, dafür zu bezahlen. Laut Umfragen würde das nur ein Drittel tun. „Es geht auch ums Geld“, formulierte es Charlotte Maihoff von RTL aktuell, „Online bringt bei weitem nicht so viel Geld ein wie klassisches TV. Und wenn das ein Zuschussgeschäft wird, dann wird es schwierig“. Das Portal „Netzpolitk.org“ etwa macht einen Umsatz von 25.000 bis 40.000 Euro monatlich, so Chefredakteur Markus Beckedahl. Dass die 15 Mitarbeiter, die auf elf Stellen verteilt seien, allein von ihrer Tätigkeit dort leben können, darf bezweifelt werden. Immerhin, die Einnahmen werden über ein Spendenmodell erzielt. Später konnte Beckedahl für seine „Plattform für digitale Freiheitsrechte“, die als Mix zwischen Journalismus und Aktivismus gelobt wurde, dann noch den „Günter-Wallraff-Preis“ entgegennehmen.

Wenig Gedanken um ihre Finanzierung mussten sich dagegen bisher die öffentlich-rechtlichen Sender machen. Aber die Kritik wird immer lauter: Was passiert mit den Gebühren? Wofür werden sie eingesetzt? Und wo sind die Grenzen? Vor kurzem haben sich Sender sowie Zeitungsverleger darüber geeinigt, dass ARD, ZDF und Co. ihre programmbegleitenden Textangebote im Netz zurückfahren, um nicht in Konkurrenz mit den Printmedien zu treten. Das wurde von ZDF-Fernsehratsmitglied Leonhard Dobusch in der zweiten Diskussionsrunde des Forums scharf kritisiert. Die Verlage hätten sich „über Gebühr“ durchgesetzt und die Medienpolitik habe dann anschließend nur das bestätigt, was beide Parteien in Hinterzimmern abgesprochen hätten. Von der Medienstaatssekretärin aus Rheinland-Pfalz Heike Raab kam darauf der Hinweis: „Wir haben es begrüßt, dass hier eine Art Selbstregulierung stattgefunden hat.“ Unklare oder gar unzeitgemäße Begriffe wie „presseähnlich“, die in der Diskussion und bei der Einigung eine wichtige Rolle gespielt haben, entschuldigte sie mit den geltenden juristischen Definitionen. Einigkeit herrschte in der Runde darüber, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk als staatsferner Garant für eine unabhängige Berichterstattung und damit als wichtige Stütze einer funktionierenden Demokratie auch in Zukunft unbedingt erhalten werden muss. Auch wenn noch vieles verbessert werden könnte wie Valdo Lehari, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger, beklagte: „Wenn das ZDF Übertragungsrechte für eine Sportveranstaltung besitzt, darf die Tagesschau nicht einmal mehr darauf hinweisen. Und warum müssen beide Sender zu einem Sportevent immer mit zwei großen Teams anreisen?“

Mit der Einordung von ökonomischen Problemlagen und Fragen musste sich auch das letzte Panel befassen, und das schon fast selbstreflexiv: Ist der Wirtschaftsjournalismus „mehr als Dax und Bilanzen“? „Die Wirtschaftsteile in den meisten Zeitungen und Zeitschriften sind doch ganz klar kapitalorientiert“, gab Enthüllungsjournalist Günther Wallraff direkt zu Beginn des Gesprächs eine bedrückende Bewertung der aus seiner Sicht „kapitalistischen Rubriken“ ab, „mit Berichten für die Bessergestellten, die davon dann wiederum profitieren“. Die Menschen, die „hier an der Basis produzieren“ seien von dieser Berichterstattung weitgehend ausgeklammert. Unterstützung erhielt er von IG-Metall-Vorstandschef Jörg Hofmann: „Arbeitnehmerthemen finden einfach zu wenig statt.“ Aus seiner Perspektive nicht verwunderlich, denn über 60.000 PR-Leute von Unternehmen und Konzernen stünden knapp 45.000 Wirtschaftsjournalist_innen gegenüber. Für den Kommunikationschef der Bayer AG, Christian Maertin, dagegen waren die Argumente Wallraffs lediglich Ausdruck von vorurteilsbeladenen Stereotypen, bei denen das Ergebnis stets von vorne herein feststehen würde: „Wirtschaft ist immer schlecht.“

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