Journalismus nur noch auf Nachfrage

Neven DuMont Haus, Köln
Foto: DuMont Mediengruppe

Digitale Transformation bei der DuMont Mediengruppe mit drastischen Folgen

Print war gestern – die Zukunft heißt Digital? Wenn es nach den Plänen von DuMont Schauberg geht, könnte diese Frage mit einem Ja beantwortet werden. Mit drastischen Folgen für die Redaktionen.

Sieben Zeitungen gehören zur traditionsreichen Kölner DuMont Mediengruppe. Abo- und Boulevardblätter, darunter die Berliner und die Mitteldeutsche Zeitung, die Hamburger Morgenpost, der Kölner Express. Sie alle sind von der Management-Idee einer „digitalen Transformation” betroffen, deren Details durch die Betriebsräte vor kurzem bekannt gegeben wurden. Die gesamte publizistische Strategie des Konzerns soll neu ausgerichtet werden. Nach einem so genannten Change-Prozess werden nur noch wenige Redakteurinnen und Redakteure für die Printtitel schreiben. Die journalistische Arbeit wird streng auf die Nachfrage im Web ausgerichtet. Mittels eines Newsdesks wird künftig entschieden, welche Inhalte wo und in welcher Form veröffentlicht werden. Web-affines, neu eingestelltes, Personal soll die Zugriffe auf Meldungen beobachten und jeweils mit weiteren Berichten, Interviews, Kommentaren, etc. nachdrehen. Das hieße auch: Informationen, die keine Nachfrage im Netz haben, würden nicht weiter recherchiert und berichtet. Ebenfalls neu eingestellte Social-Media- und Suchmaschinen-Optimierer sollen zudem die Zugriffe steuern. So erhofft sich das Medienhaus mehr Nachfrage im Netz, um so mehr Anzeigenerlöse zu erreichen. Der Sinn des Ganzen: Die Werbewirtschaft soll DuMont als Medienhaus wahrnehmen, das seine Leistung als werbliche Unterstützung anbietet. Es bedeutet einen grundlegenden Wandel der Zeitungsproduktion. An einer Neuaufstellung von Vertrieb und Anzeigengeschäft wird ebenfalls gearbeitet.
Die Betriebsräte und Belegschaften in Berlin und Hamburg sind bereits in Alarmbereitschaft. In einem BR Aktuell der Hamburger Morgenpost heißt es: „80 bis 85 Prozent der Redaktion werden nach unseren Informationen künftig in der Digital-Redaktion arbeiten, und lediglich eine kleine Mannschaft soll das Printprodukt fertigen, wozu natürlich noch ein Restlayout gehören dürfte. Wir spekulieren, dass es um circa zehn bis zwölf Personen geht, die künftig die Printausgabe produzieren, der Rest wird ein so genannter Multimedia-Redakteur.” Bisher arbeiten die Print- und Online-Redaktionen in Köln, Berlin, Hamburg und Halle getrennt, Online wurde 2013 jeweils ausgegliedert. Auch das hatten die Betriebsräte kritisiert. Jetzt wird das korrigiert, im Mittelunkt soll künftig die Verbreitung von Inhalten auf verschiedenen Kanälen stehen, in erste Linie online.
Der Change-Prozess soll scheinbar systematisch und nicht übereilt vollzogen werden und personell und finanziell ausgestattet werden. So wurde Thilo Knott als Chefredakteur für die digitale Transformation eingestellt. Der ehemalige Leiter der DuMont Hauptstadtredaktion, Robert von Heusinger, wurde in den Vorstand berufen und bekleidet den Posten „Publizistik”. Für November 2015 und Februar 2016 sind für alle Online-Portale der Zeitungen Relaunches geplant. Chefredakteure aller Titel konnten an einem umfangreichen Besuchsprogramm in europäischen und US-amerikanischen Medienunternehmen teilnehmen. Eine Redakteurin der Berliner Zeitung war wochenlang am Umstellungsprozess des Svenska Dagbladets beteiligt und soll ihre Erkenntnisse einbringen. Projektgruppen an allen Standorten besprechen die einzelnen Wege der Transformation. Erste Tests beginnen in Lokalredaktionen der Mitteldeutschen Zeitung. Aber ob das reicht?
Die Hauptbetroffenen, die Redaktionsmitglieder, waren wie vor den Kopf gestoßen, als sie durch das Informationsblatt des Betriebsrats von Details der digitalen Transformation erfuhren. Sie waren bislang nämlich nicht einbezogen worden. Die Betriebsräte sind daher skeptisch. Im Informationsblatt des Konzernbetriebsrates heißt es: „Konzepte werden auf Lenkungsausschuss-Ebene, im Vorstand und im Aufsichtsrat beschlossen, aber die Belegschaften erfahren nur Versatzstücke.” Allerdings begrüßen sie grundsätzlich den Ansatz des Managements. Ohne eine redaktionelle Digitalstrategie würde es künftig schwerer, Umsätze zu generieren, die bisher den Betrieb unterhalten hätten, heißt es. Der Prozess müsse aber von unten und nicht von oben stattfinden.

 

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