Journalistisch verpackt

Medienprodukte, die im Auftrag von Unternehmen, Verbänden oder Institutionen entstehen, verzeichnen seit Jahren zweistellige Wachstumsraten bei Umsätzen und Auflagen.Weil die Mediendienstleister der dynamischen Branche großen Wert auf ein innovatives Image legen, musste ein neuer Name her: Was früher unter der biederen Bezeichnung Hauszeitschrift, Kunden- oder Mitarbeiter­magazin firmierte, läuft heute unter dem Begriff Corporate Publishing (CP). Einst belächelt, machen die rund 3.500 Kundenmagazine und 4.500 Mitarbeiterzeitschriften mittlerweile den klassischen Kaufprodukten ernstzunehmend Konkurrenz.

Hinter dem Begriff Corporate Publishing (CP) verbirgt sich eine Vielfalt von Medien­formen und Zielgruppen. Gemeinsam ist den Publikationen, dass sie von oder im Auftrag von Unternehmen, Organisationen und Vereinen herausgegeben werden und deren Botschaften transportieren sollen. Die Veröffentlichungen richten sich an Kunden, Mitglieder, Geschäftspartner oder Mitarbeiter, sollen informieren, unterhalten und binden. Neben den Kommunikationszielen Imageaufbau und Markenbildung stehen Marketingziele: Das Magazin soll die Kundenbindung erhöhen und am Ende den Verkauf fördern. Um dies zu erreichen, seien journalistische Qualitätsstandards unabdingbar, stellt Ivo Hajnal von der Universität Innsbruck fest. Diese sollen Glaubwürdigkeit erzeugen sowie kompetente und unterhaltsame Berichterstattung mit Nutzwert für Leser liefern.
Während Funktion, Qualität und Wirkung der klassischen Kaufmedien seit langem Gegenstand von Analyse und Forschung sind, steht die Gattung CP noch am Anfang. CP-Medien werden weder von der Media-Analyse der AGMA noch vom Verband der Werbeschaffenden ivw erfasst. Auch das Nachschlagewerk „Kundenmagazine“ vom Verlag Dieter Zimpel beschreibt nur rund 1.100 Titel aus 32 Branchen.
Eine wichtige Informationsquelle ist daher das Forum Corporate Publishing (FCP) mit Sitz in München. Der 1999 gegründete Lobbyverband hat mittlerweile 64 Mitglieder. Organisiert sind führende Mediendienstleister, Verlage und Agenturen aus dem deutschsprachigen Raum, die sich auf Corporate Publishing spezialisiert haben: „Wer nicht mindestens 70 Prozent seines Umsatzes damit macht, ist in unserem Verband nicht gut aufgehoben“, so Geschäftsführer Michael Höflich. Den Begriff CP habe der Verband entscheidend mitgeprägt: „Man musste für die Gesamtheit der periodischen journalis­tischen Unternehmenskommunikation einen griffigen Namen finden.“

CP erobert alle Medienformen

Im Printbereich gibt es neben den klassischen Magazinen edle Buchausgaben, Geschäftsberichte, Newsletter, Kataloge, Beilagen, Magaloge – Zwitter aus Magazinen und Katalogen – sowie Branchenreporte. Immer mehr weitet sich die elektronische Verbreitung aus: Online-Newsletter, Intranet, Internetmagazine, E-Commerce, Web-TV, Web-Radio werden immer beliebter. Auch die klassischen Rundfunkkanäle werden als Business-TV, Consumer-TV oder Handy-Radio zur Unternehmenskommunikation genutzt. Im Idealfall ergänzen sich Print, Online und Rundfunk optimal.
Auf dem explodierenden Markt gelten die als B-to-C (Business to Consumer) an den Endverbraucher gerichteten Kundenzeitschriften bereits als Klassiker. Als Zugabe des Handels liegen sie in Läden aus oder werden dem Kunden zugesandt. B-to-B (business to Business) hat den Geschäftspartner im Visier. In der Regel sind die Magazine kostenlos, manchmal ist ein Preis aufgedruckt, um die Wertigkeit zu betonen. Immer wichtiger wird daneben das interne Corporate Publishing, auch als Inhouse-Communication bezeichnet. Vor allem in Form von Mitarbeiterzeitschriften oder Online-Portalen richtet sie sich an Beschäftigte, um diese zu informieren und zu motivieren.
Als erste Kundenzeitschrift gilt „Nord­deutsches Handwerk“ der Handwerkskammern Niedersachsen und Magdeburg von 1895. Kundenmagazine waren zunächst Einzelphänomene, erst seit den 1950er Jahren wuchsen die Titelzahlen. Ein regelrechter Boom setzte Mitte der 1990er ein: Waren 1995 rund 400 Titel auf dem Markt, existieren nach Schätzungen des FCP heute mehr als 3.500 Kundenmagazine. Nach Schätzung des FCP geben rund 75 Prozent der Top 500-Un­ternehmen Deutschlands mindestens eine Kundenzeitschrift heraus, mehr als 90 Prozent informieren ihre Beschäftigten per Mitarbeiterzeitschrift. Defizite gebe es noch im Mittelstand. Den Gesamtumsatz schätze man auf rund fünf Milliarden Euro. „Allein im Verband präsentieren wir jetzt ungefähr 1.000 Publikationen mit einer Gesamtauflage von 950 Millionen Exemplaren im Jahr“, so der Geschäftsführer.
Der Markt zeichne sich durch Schnelligkeit und Wandel aus, sagt Manfred Hasenbeck, FCP-Präsident und Geschäftsführer bei Burda Yukom. Nach wie vor verzeichne man „zweistelliges Wachs­tum“ und stelle damit den klassischen Verlagsbereich in den Schatten, als Quittung dafür, dass „dort in den letzten 20 Jahren nicht innoviert wurde“. Die Deutsche Post geht in ihrer „CP-Analyse“ davon aus, dass der Markt weiter wächst, allerdings langsamer. Die Medienkrise hat die Branche relativ unbeschadet überstanden. Nicht zuletzt, weil sie vom Anzeigenmarkt weniger abhängig ist.

Glaubwürdiger als Werbung?

Ein Grund für den Erfolg des CP dürfte ein nachlassendes Vertrauen in die Wirksamkeit klassischer Werbung sein. Die Anzeichen mehren sich, dass die einzelne Botschaft in der täglichen Werbeflut oft unter geht. Unternehmen haben daher umgedacht, Werbegelder umgeschichtet und lieber in die One-to-One-Kommunikation investiert. Tatsächlich wollen Untersuchungen etwa von Allensbach (2000) oder von Emnid (2003) he­rausgefunden haben, dass Kundenmagazine intensiv gelesen, ja dass Verbraucher teilweise regelrecht darauf warten würden. Studien wie der britische APA-Report von 2003 erbrachten, dass CP-Botschaften höhere Glaubwürdigkeit genießen als Werbung. Voraussetzung ist eine genaue Zielgruppenansprache – Magazine müssen exakt auf Altersgruppe, Beruf, Stellung im Beruf und Hobbys zugeschnitten sein.
Dafür tut die Branche einiges: Viele Publikationen beeindrucken mit hoher journalistischer und gestalterischer Qualität, grenzen sich von „handgestrickten“ Lösungen ab: Anspruchsvoll in Layout und Fotografie, textlich ausgefeilt, kommt manches CP-Magazin an gute Kaufzeitschriften heran. Gelungene Beispiele zeigen die Bandbreite journalistischer Genres – vom Editorial über Berichte, Reportagen, Interviews bis hin zur Kolumne. Inhalte werden in Geschichten verpackt, „Story Telling“ gewinnt an Bedeutung. Thematisch abwechslungsreich wird nicht nur über Unternehmen, sondern genauso über Lifestyle, Sport, Familie, Reise, Wellness usw. berichtet.
Allerdings präsentieren sich nicht alle CP-Produkte glanzvoll. Viele Maga­zine erreichten ihre Zielgruppen nicht, seien nicht scharf genug profiliert. Nach Ansicht des FCP-Präsidenten sind heute nur 20 bis 25 Prozent der Objekte akzeptabel, der Rest ist verbesserungsbedürftig. Michael Höflich: „Wir haben eine Qualitätsoffensive gestartet, bemühen uns um die Erforschung des Marktes.“ Bei größeren Studien arbeite man mit Partnern zusammen. Enge Kooperationen gebe es etwa mit der Deutschen Post, die als Versender ein vitales Interesse an möglichst vielen Publikationen habe.
Wie viele Mediendienstleister sich in Deutschland auf CP spezialisiert haben, bleibt offen. Die wichtigsten und größten habe man im Verband, sagt Höflich. Da­rüber hinaus gebe es noch ein Potenzial von etwa 50 weiteren relevanten Anbietern. Einen eindeutigen Marktführer will Höflich nicht nennen, Großverlage wie Burda, Gruner + Jahr oder Hoffmann und Campe gehören jedoch zur Spitze. Wichtig seien außerdem einige Spezialis­ten wie die wdv Gesellschaft für Medienservice in Bad Homburg oder die VVA Kommunikation in Essen.

Großverlage ziehen nach

Der Trend, dass große Publikumsverlage ins CP-Geschäft einsteigen, um die schwierige Lage im Printbereich zu kompensieren, ist ungebrochen. „Zusätzlich drängen immer mehr Fachzeitschriftenverlage in diesen Markt, weil sie sehen, dass da noch Geschäfte zu machen sind“, so Höflich. Allerdings gehöre zum erfolgreichen CP mehr als journalistische Kompetenz. Die Dienstleistung fange bei der Beratung an, dazu kämen konsequentes Kundenmanagement, Datenbank­pflege und Bearbeitung des Rücklaufs.
Was ein mittelständisches Unternehmen investieren muss, wenn es in den CP-Markt einsteigen will, ist schwer zu beziffern – zu groß ist die Bandbreite an Umsetzungsmöglichkeiten. Höflich: „Für ein hochwertiges Magazin ist ein Seitenpreis von 1000 Euro für Entwicklung, Text, Redaktion und Layout nicht viel.“ Die Frage sei natürlich, ob ein Mittelständler wirklich ein Hochglanzmagazin braucht oder ob es nicht andere Möglichkeiten gebe.

Das Kundenmagazin wird seine zentrale Rolle behalten, mutmaßt Hasenbeck. Der Fächer werde jedoch weiter aufgehen: Neue Felder wie Corporate Books oder Geschäftsberichte werden ausgebaut. Dabei werde stärker nach Zielgruppen wie etwa den verschiedenen Käuferschichten eines Autokonzerns segmentiert. Zunehmend nutze man auch die neuen Kommunikationskanäle. In Frage kommen dabei vor allem crossmediale Verknüpfungen mit elektronischen Medien wie Internet, Corporate Broadcast und Business-TV oder das Couponing in Kundenzeitschriften.

„Man darf Online und Kanäle wie Podcasting oder mobile Kommunikation über Handy nicht unterschätzen. Ein Ersatz für Print werden sie nicht sein“, so Höflich. Dennoch sei der Wachstumstrend bei gedruckten Publikationen un­gebrochen; im Schnitt habe jedes FCP-Mitglied im letzten Jahr vier neue Printprojekte akquiriert. Natürlich gebe es junge Zielgruppen, die nicht mehr so oft eine Zeitschrift in die Hand nähmen und die über andere Kanäle besser erreicht würden. Man könne die neuen Kanäle als Ergänzung und als Weg zu neuen Zielgruppen betrachten. Im Idealfall werde ein Produkt in der Printausgabe vorgestellt, im Internet gebe es weitere Infos, per E-Commerce würden Waren bestellt und mit der Post nach Hause geschickt.
Als besonders lukrativ gilt in der Branche derzeit die interne Unternehmenskommunikation. Die Firmen selbst schätzen das Medium Mitarbeiterzeitschrift hoch ein: In einer Studie von Emnid und FCP bestätigen 90 Prozent, dass das Mitarbeitermagazin im Moment wichtigstes Kommunikationsmittel sei. Dies sei jedoch ein zweischneidiges Schwert, wie Höflich zugibt: „Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten spielt die Vermittlung von Veränderungsprozessen eine wichtige Rolle.“ Bei Begriffen wie „Change Management“ gehe es im Grunde darum, den Mitarbeitern zu vermitteln, dass sich das Unternehmen verändert, im schlimmsten Fall Arbeitsplätze abgebaut oder verlagert werden.

Websites

www.cp-wissen.de

Branchenportal mit Texten von Praktikern und Wissenschaftlern, viele Buchtipps.

www.forum-corporate-publishing.de Portal des größten Verbandes von CP-Mediendienstleistern im deutschsprachigen Raum. Neben Infos und Studien rund um die Branche und den Markt ein Mitgliederverzeichnis für die weitere Recherche.

www.deutschepost.de Portal der Deutschen Post AG mit Informationen rund ums CP. Viele kostenlose Downloads.

Bücher zum Thema

Christian Cauers: Mitarbeiterzeitschriften heute. Flaschenpost oder strategisches Medium? VS Verlag für Sozialwissenschaften 2005, 204 Seiten, 19,90 €.

Lars Doerfel (Herausgeber): Strategisches Corporate Publishing. Konzepte, Tools und Innovationen. Helios Media Bibliothek depak 2005, 174 Seiten, 29,90 €.

E.W. Mänken: Mitarbeiterzeitschriften noch besser machen. VS-Verlag 2004, 223 Seiten, 26,90 €.

Thomas Schmitz: Kundenzeitschriften. Mehrwert für Marken. Edition Praxiswissen bei Verlag BusinessVillage 2004, 21,80 €.

Heike Steinmetz: Erfolgsfaktor Kundenzeitschrift. Von der Idee zum Vertrieb. Red­line Wirtschaft bei Verlag Moderne Industrie 2004, 206 Seiten, 29,90 € (zurzeit nicht lieferbar!).

Viedebantt, Klaus: Mitarbeiter-Zeitschriften. Frankfurter Allgemeine Buch im F.A.Z.-Institut 2005, 191 Seiten, 29,90 €.

Kurt Weichler, Stefan Endrös: Die Kunden­zeitschrift.

UVK-Verlagsgesellschaft 2005, 238 Seiten, 24,90 €.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Quartalsbericht zur Branche liegt vor

Einen detaillierten Blick auf das Geschehen in der Medienbranche wirft der jetzt wieder vorliegende Quartalsbericht. Er speist sich aus den Auswertung von Internetseiten, Zeitungen, Fachzeitschriften, Informationsdiensten, Verbands- und Unternehmenspublikationen. Ein Merkmal des ersten Monate dieses Jahres: Viele Übernahmen und eine Werbekonjunktur. 
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »