Kahlschlag bei Jalag

Schreibende Redakteure und Grafiker entlassen

Radikaler Kahlschlag beim Jahreszeitenverlag (Jalag) des Hamburger Verlegers Thomas Ganske: Unter dem Motto „Konzentration, Kreativität und Qualität“ verkündete die Geschäftsleitung die Streichung von 70 festen Stellen im Verlagsbereich und in den Redaktionen. Die Hauptbetroffenen bei den zehn Magazin-Titeln des Verlages: Redakteure und Grafiker.

Es war wieder einmal eine Unternehmensberatungsfirma, die den Ausschlag gegeben hat: Schmidt Grund und Partner. Zusammen mit einer internen Arbeitsgruppe, die sich aus Redaktionsmitgliedern und der Geschäftsführung zusammensetzte, wurde für die Redaktionen von Für Sie, Petra, Vital, Architektur & Wohnen, Zuhause Wohnen, Der Feinschmecker, Merian, Prinz, Selber Machen und Country die Radikalkur „Jahreszeitenverlag 2010“ entwickelt:
Die „normalen“, schreibenden Redakteure werden entlassen, übrig bleiben für jeden einzelnen Titel, so der Verlag, ein „Blattmacherteam aus Chefredaktion, Artdirektion, Textchef und einer Anzahl von Ressortleitern, die den Kernkompetenzen des Blattes entsprechen, es organisiert, gestaltet und verantwortet.“ Artikel sollen künftig von Freien erstellt werden. Die Bildredaktionen werden zusammengelegt, Grafiker, Layouter und Schlussredakteure entsorgt und diese Tätigkeiten zukünftig von „externen Dienstleistern bezogen“ (Jalag).
„Es klingt,“ so spottet die taz auf ihrer Medienseite, „wie der feuchte Traum marktradikaler Muftis: Im Zelt dürfen künftig nur noch die Häuptlinge arbeiten, die Indianer müssen sich in der Prärie durchschlagen.“ Ebenso sieht es der Betriebsratsvorsitzende René Bickel: „Wir werden nur noch Führungskräfte haben, aber keinen mehr, den sie führen können.“

„Offenbarungseid“

Schon einmal, im vergangenem Sommer, hatte der Jahreszeitenverlag für negative Medienschlagzeilen gesorgt, als er für seine Mitarbeiter Kurzarbeit einführte: Diese verzichteten auf zehn Prozent ihres Lohnes und hatten für ein knappes halbes Jahr alle zwei Wochen einen Tag frei. Ein Modell, dass zwar einmalig in der Medienbranche war, sich aber in den Augen der Geschäftsleitung wohl nicht rechnete. Daher jetzt der radikale Kahlschlag.
Der einstige Chefredakteur der von der Ganske-Verlagsgruppe 1993 gegründeten und 2002 wieder eingestellten Wochenzeitschrift DieWoche, Hans-Ulrich Jörges, spricht im Spiegel von einem „Irrsinnsmodell“ und „Offenbarungseid“. Und der heutige stern-Mann weiter: „Wenn es soweit ist, dass ein Verleger sich keine Redaktion mehr leisten kann, sollte er es lassen.“ Mitte April, so rechnet der Jalag-Betriebsrat, wird es zu Sozialplanverhandlungen kommen.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Der Rotstift beim Kinderfernsehen

ARD und ZDF halten es nicht für sinnvoll, wenn die Bundesländer im Reformstaatsvertrag einen fixen Abschalttermin für das lineare Programmangebot des Kinderkanals KiKa festlegen. Die lineare Verbreitung zu beenden, sei „erst dann sachgerecht, wenn die weit überwiegende Nutzung eines Angebots non-linear erfolgt“, erklärten ARD und ZDF gemeinsam auf Nachfrage. „KiKA bleibt gerade für Familien mit kleinen Kindern eine geschätzte Vertrauensmarke, die den Tag linear ritualisiert, strukturiert und medienpädagogisch begleitet.“
mehr »

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

NRW: Zusammenschluss im Zeitungsmarkt

Die Konzentration im NRW-Zeitungsmarkt, insbesondere in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL), setzt sich fort. Die Neue Westfälische und das Westfalen-Blatt streben eine Kooperation an. Auch die Lippische Landes-Zeitung und das Mindener Tageblatt planen, ihre Verlagsaktivitäten künftig in einer gemeinsamen Holding zu bündeln.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »