Von amerikanischen Zuständen in Deutschland weit entfernt
Die Plakate waren während der Berlinale nicht zu übersehen: Mit Hilfe von Schauspielern wie Natalia Wörner, Andrea Sawatzki und Tim Bergmann hatte sich der Verband Deutscher Drehbuchautoren (VDD) den Streik der Writer’s Guild of America (WGA) zunutze gemacht, um die hiesige Öffentlichkeit darauf hinzuweisen, dass es auch in Deutschland Autoren gibt. „Kein Drehbuch. Kein Film“, hieß es in roten Lettern auf den Postern.
Mittlerweile ist der Streik in Amerika vorbei. Die Parteien haben sich für die nächsten drei Jahre geeinigt: Die Autoren erhalten im ersten Jahr eine pauschale Honorarerhöhung von 2,5 bis 3 Prozent und werden anschließend an den Internet-Umsätzen beteiligt.
Davon ist man hierzulande weit entfernt. Die Lage der deutschen Drehbuchautoren, stellt Heinrich Bleicher-Nagelsmann, ver.di-Bereichsleiter Kunst und Kultur, nüchtern fest, „ist im Vergleich zur Situation in Amerika miserabel – und zwar sowohl hinsichtlich der Bezahlung wie auch der vertraglichen Details. Insbesondere bei Weiterverwertungen etwa im Internet oder auf DVD ist man meilenweit von der amerikanischen Regelung entfernt“. Das hat einen einfachen Grund: In den USA sind sämtliche Film- und TV-Autoren Mitglied der Gewerkschaft Writer’s Guild Of America. Im deutschen Drehbuchautorenverband hingegen ist bloß etwa die Hälfte der rund tausend hiesigen Urheber organisiert.
Produktionsfirmen und TV-Sender sitzen daher am längeren Hebel. Während die US-Autoren für einen fairen Anteil an den Erlösen aus Weiterverwertungen gestreikt haben, wären deutsche Drehbuchverfasser schon froh, wenn man ihre Arbeit mit gebührendem Respekt beurteilen würde. Die Sender aber bauen mittlerweile eher ab als auf, lagern aus. So umgeht beispielsweise die ARD die von ihr selbst 1971 gegründete Pensionskasse. Diese Einrichtung soll der Alterssicherung freier Mitarbeiter dienen: Sie zahlen pro Produktion einen bestimmten Betrag ein, der Sender tut die gleiche Summe dazu. Mitglied sind neben dem ZDF auch diverse Produktionsfirmen, nicht aber die ARD-Tochter Degeto, die Dutzende von Filmen für das „Erste“ produzieren lässt.
Eine weitere Unart, die immer mehr um sich greift, ist aus Sicht des VDD das so genannte „Buy out“-Prinzip. Es ist der Hauptgrund dafür, warum gerade Fernsehautoren praktisch keinerlei Rechte an ihren Werken haben: Der Sender kauft einen Film mit Haut und Haar. Die Produktionsfirma bekommt eine einmalige Summe, mit der auch die Gagen für Schauspieler, Regisseur, Autor etcetera abgegolten sind; buchstäblich ein Ausverkauf also. RTL, Sat.1 und Co arbeiten grundsätzlich so. Erzielt ein Sender durch weitere Verwertungen zusätzliche Einnahmen, sehen die Urheber des Werks davon keinen Cent. Auch bei der Degeto gibt es nur ein Mal Geld. Das traditionelle Modell hingegen lässt Autoren und Regisseure an allen Wiederverwertungen partizipieren. Der VDD kritisiert, dass gerade die ARD über die zunehmend mächtiger werdende Degeto bestehende Tarifverträge umgehe. VDD-Anwalt Henner Merle beobachtet „mit Kopfschütteln und Entsetzen, wie sich die Honorarbedingungen entwickeln“. So soll die Grundvergütung immer weitere Bereiche abdecken, darunter neben Erstausstrahlungen in Österreich, der Schweiz sowie auf Arte und 3sat nicht nur das Online-“Streaming“ bis zu sieben Tage nach der Premiere, sondern auch die DVD-Nutzung. Dabei hat der Gesetzgeber eindeutig festgelegt, dass Autoren an allen Verwertungen angemessen zu beteiligen seien. Bei einer Serie, hat der VDD ausgerechnet, könne ein Autor auf diese Weise eine sechsstellige Summe verlieren. Der Film „Die Geierwally“ zum Beispiel, ein von der Degeto in Auftrag gegebenes Heimatdrama mit Christine Neubauer, hat seit seiner ARD-Premiere im Januar 2005 laut Autor Felix Huby rund zehn Wiederholungen erlebt. Allerdings ist die VDD-Zahl natürlich eher theoretischer Natur; hätte der Senderverbund Wiederholungshonorare zahlen müssen, wäre der Film vermutlich auch nicht so oft gezeigt worden.
Der Drehbuchautorenverband hofft nun, alle Beteiligten für ein Modell begeistern zu können, das auf Anhieb einleuchtet: Sämtliche Einnahmen eines Films werden in einem durch einen Treuhänder verwalteten Topf gesammelt und dann nach einem bestimmten Schlüssel aufgeteilt. Bei den Produzenten ist der Vorschlag bereits auf Zustimmung gestoßen. Als Alternative plädiert Bleicher-Nagelsmann für einen Rahmenvertrag. Die Vorteile für beide Seiten lägen auf der Hand: Produzenten hätten verlässliche Eckdaten, was die Ausgaben angeht, Autoren hätten verlässliche Angaben zu ihren Einkünften. Die nun schon sechs Jahre währenden Auseinandersetzungen über das Urhebervertragsrecht zeigten, wie schwierig es sei, eine Einigung zu erzielen: „Ein Normvertrag, wie er auch zwischen dem Verband deutscher Schriftsteller und dem Börsenverein des Buchhandels zustande gekommen ist, wäre eine verbindliche Regelung und könnte ein Zwischenschritt auf dem Weg zu einer endgültigen Einigung sein“.