Der Islamismus – eine journalistische Herausforderung
Die Karikaturen über den Propheten Mohammed in einer dänischen Tageszeitung schlagen hohe Wellen in der moslemischen Welt. Die westlichen Demokratien reagieren verschreckt. MigrantInnen orientieren sich über Massenmedien zugleich am Herkunftsland wie an dem Land, das sie aufgenommen hat. Wie können Journalisten in dieser zugespitzten Situation aufklären, ohne Öl ins Feuer zu gießen? Nur eine der Fragen, mit der sich unlängst Journalisten, Islamwissenschaftler und Sicherheitskräfte auf einem zweitägigen Seminar unter dem Titel „Der Islamismus – eine journalistische Herausforderung“ der Bundeszentrale für politische Bildung beschäftigten.
Bei der Auseinandersetzung um die islamkritischen Karikaturen in der dänischen Tageszeitung Jyllands Posten gehe es nur vordergründig um den klassischen Konflikt zwischen Presse- und Religionsfreiheit. Hinter den aktuellen Vorgängen stecke eine „Radikalisierung des Hasses auf den Westen“, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit zum Abschluss der Konferenz in Berlin. Zwar sei eine Verteidigung der Meinungsfreiheit wichtig. Unter den Betroffenen mache sich aber „im Hinterkopf schon die nächste Ebene der eigenen Zensur“ breit, befürchtet Cohn-Bendit. Der Konflikt sei Ausdruck eines „großen Kampfes der Zivilisationen“. Das in Afghanistan geschlossene Bündnis der Taliban und Al Qaida belege den „Willen zur Macht“ in den Schaltzentralen der arabischen Welt gewesen. „Wenn du die Macht in Pakistan hast, hast du die Atombombe, wenn du die Macht in Saudi-Arabien hast, hast du Mekka“, sagte Cohn-Bendit. Gegen diese Gefahr sei der Kalte Krieg „gar nichts“ gewesen.
Für den Publizisten Henryk M. Broder handelt es sich bei der Reaktion von Teilen der westlichen Autoritäten auf die Karikaturen-Affäre um eine „Wendegeschichte“, vergleichbar mit der Rushdie-Affäre von 1988. Es sei „der Zusammenbruch dessen, was in Europa immer wieder mit wehrhafter Demokratie bezeichnet“ worden sei. Das Verständnis einer liberalen Gesellschaft für die Empörung einiger Fanatiker sei „unfassbar“. Die Aufrufe zu Toleranz hätten dazu geführt, dass der Westen sich in derartigen Konflikten „auf der Verliererseite befinde“. Broder plädierte für eine „präzis und gezielt angewandte Intoleranz“.
Für Journalisten, die den Hintergrund islamistischer Milieus beleuchten wollen, ist häufig schon die Sprachbarriere eine kaum überwindbare Hürde: Diese Erfahrung machte Dorothea Jung vom DeutschlandRadio Kultur bei Recherchen über die Organisation Milli Görüs. Über die Islamische Föderation, Vereinsregister und diverse Quellen arbeitete sie sich allmählich voran. Bei Sichtung der einschlägigen Webseiten und Büchertische wurde sie stutzig. „Da findet man dann islamistisches Gedankengut, Schriften, die zum Dschihad aufrufen, antisemitische Schriften und dergleichen, und dann fragt man sich: Holla, was ist das für eine Organisation, Milli Görüs?“
Geheimdienste lancieren bestimmte Informationen
Schwierig gestaltet sich nicht nur das Enttarnen islamistischer Netzwerke. Zur Verwirrung trägt auch das undurchsichtige Wirken deutscher Behörden, namentlich der Geheimdienste bei. Der Journalist Ahmet Senyurt berichtete für das ARD-Politmagazin „Panorama“ im vergangenen Jahr über den Fall eines führenden Al Qaida-Mannes, der als Asylbewerber jahrelang unbehelligt in Süddeutschland lebte. Und der, als das Bundeskriminalamt gegen ihn ermittelte, vom Bundesnachrichtendienst, dessen Kontaktmann er war, außer Landes geschleust wurde. Die Recherche im Umfeld von „Geheimnisträgern“ steckt voller Tücken, weiß Senyurt. Denn natürlich versuchen die Geheimdienste, bestimmte Informationen zu lancieren. Seit dem 11. September 2001 gebe es außerdem ein „Spannungsverhältnis zwischen Leuten, die normal arbeiten und den Kollegen, die wohlwollend bedient werden“. Da entstehe ein Wettbewerb, den der frei normal arbeitende Kollege nicht bestehen könne. Was auch am Kostendruck in den Redaktionen liegt. Investigativer Journalismus ist nicht billig. Journalisten, die auf eigene Recherche setzen, kommen daher immer weniger zum Zuge.
Auch die interne Kommunikationsstruktur in der Terrorszene hat sich signifikant verändert. Das Terrornetzwerk Al Qaida, so Yassin Musharbash von Spiegel Online, kommuniziere seit der Zerschlagung seiner Zentrale in Afghanistan nicht länger über ein zentrales Internetportal. Dessen Funktion sei mittlerweile von Spezialseiten in arabische Internetforen übernommen worden. Zu den wichtigsten Aufgaben zählten unter anderem die Verbreitung von terroristischem Know How, die Effizienzsteigerung von Anschlägen sowie die Gewinnung von Rekruten. Für die Verbreitung islamistischer Ideologie sei das Internet als billiges, nicht zensierbares und von überall erreichbares Medium die ideale Plattform. Im Prinzip sei Al Qaida „die erste Terrororganisation, der ein Massenmedium zur Verfügung steht“. Diese Art von Terror sei „mit militärischen Mitteln immer schwieriger zu bekämpfen“.