KI: Die versprochene Wahrheit

Foto: Gerd Altmannn/pixabay

Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Videoclips oder Deepfakes erstellen. Von einem Dokumentarfilm erwarten die Zuschauer*innen aber vor allem eines: Authentizität. Der Dokumentarfilm, ob Dokusoap oder Tierfilm sind schließlich keine Fiktion, sondern Abbild der Realität. Zwar ist ein Dokumentarfilm keine Reportage, sondern ein künstlerisches Produkt. Es nutzt Original-Dokumente und fügt nachgestellte oder bearbeitete Szenen hinzu. Aber die Originaldokumente sollten als solche erkennbar bleiben. In Zeiten von KI steht dieser Anspruch neu zur Debatte.

Der Skandal um den NDR-Film „Lovemobil“, der in weiten Teilen inszeniert war, zeigte im Jahr 2021, dass das Vertrauen in die Wahrhaftigkeit der Bilder leicht zu erschüttern ist. Lovemobil erzählt von Sexarbeiterinnen, die in ihrem Wohnwagen auf einem Parkplatz arbeiten. Die Frauen und die Freier wurden von Bekannten der Regisseurin gespielt. Transparent gemacht wird das nicht. Wo der Dokumentarfilm also nicht explizit die gestellten, bearbeiteten oder generierten Bilder kenntlich macht, läuft er Gefahr, für echt gehalten zu werden. Eine KI ist heute in der Lage, Bilder auch maschinell nachzustellen. Sie zu erkennen wird immer schwieriger.

Generative KI manipuliert Bilder

Der Bildanbieter Adobe verkauft beispielsweise KI-generierte Bilder, die den Krieg zwischen Israel und der Hamas darstellen. Sie zeigen Kriegsszenen, verwüstete Straßenzüge und sogar vermeintliche Opfer. Das Unternehmen verlangt zwar, dass die Künstler*innen alle KI-generierten Bilder auf der Plattform als solche kennzeichnen. Einige der zum Verkauf stehenden Bilder sind jedoch nur im Kleingedruckten als KI-generiert gekennzeichnet, nicht im Titel.

Die Frage, was im Dokumentarfilm machbar und was ethisch vertretbar ist, stellt sich also nicht neu. Durch den technischen Fortschritt verschiebt sich aber ihr Fokus. Schon heute erstellen KIs Storyboards oder transkribieren Dialoge. Neben den Fragen von Urheberschaft, Arbeitserleichterung oder Kostensenkung in der Produktion werden damit aber auch ethische Fragen neu diskutiert. Firmen wie Metaphysik haben sich auf hyperrealistischen Nachbildungen von Prominenten und Schauspieler*innen spezialisiert. Prof. Sylvia Rothe von der Hochschule für Fernsehen und Film in München sagte auf dem diesjährigen Internationalen Leipziger Festival für Dokumentarfilm, dass sogenannte Deep Fakes im Dokumentarfilm zum Beispiel auch genutzt werden könnten, um Protagonist*innen zu schützen – indem man ihnen ein anderes Gesicht gibt, das dann trotzdem die gleichen Gefühle transportiere.

Nutzen und Gefahr abwägen

Im Idealfall kann eine KI also lästige Fleißarbeiten übernehmen, während den Filmemacher*innen mehr Zeit für Recherche und Kreativität bleibt. Wie in jeder anderen Branche hängt die Gefahr der KI für die Kreativen, die Produzierenden, die Beschäftigten jedoch davon ab, welche Arbeiten sie übernimmt und wie darüber entschieden wird. Denn ohne Mitbestimmung und Transparenz können persönliche und kollektive Rechte nicht ausreichend geschützt werde.


Mehr zum Thema KI in den Medien

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

US-Auslandssender kämpft ums Überleben

Von einem „großen Geschenk an Amerikas Feinde“ spricht Stephen Capus, Präsident von Radio Free Europe/Radio Liberty: Die brutalen Kürzungen der Trump-Regierung haben auch den US-Auslandssender mit Sitz in Prag erreicht. RFE/RL wehrt sich mittlerweile vor Gericht. Zugleich machen sich mehrere EU-Länder für eine europäische Finanzierung stark.
mehr »

Ressourcen für Auslandsjournalismus

Der Auslandsjournalismus in Deutschland steckt in der Krise. Die Zahl der Korrespondent*innen nimmt ab, Freie arbeiten unter zunehmend prekären Bedingungen. So geraten ganze Weltregionen aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit. Journalist*innen plädieren darum für eine andere Form der Finanzierung. Die gute Nachricht: Das Interesse des deutschen Publikums ist da. Dass die Menschen wissen wollen, was in anderen Ländern los ist, beweist nicht zuletzt das ARD-ZDF-Jugendangebot Funk.
mehr »

Dienstleister bestreikt den MDR

Der gestrige Streik der MCS TEAM GmbH zeigte deutliche Auswirkungen auf das Fernsehprogrammprogramm des MDR. Live-Schalten fielen aus und nicht alle Beiträge in der Sendung „Sachsen-Anhalt Heute“ konnten ausgestrahlt werden. Hintergrund des Streiks waren die bislang unzureichenden Angebote der Geschäftsführung. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di fordert eine Erhöhung der Gehälter um 6 Prozent, mindestens aber um 200 Euro pro Monat, bei einer Laufzeit von 12 Monaten.
mehr »

Einschüchterung durch Klagen

Bis zum 7. Mai 2026 muss die Anti-SLAPP-Richtlinie der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Auf der Basis einer Umfrage, an der sich 227 Personen im September 2024 beteiligten, hat die Mannheimer Professorin Stefanie Egidy untersucht, gegen wen sich diese Strategischen Klagen in Deutschland richten, was ihre besonderen Merkmale sind und welche Reformen im deutschen Recht nötig sind, um Betroffene zu schützen und zu unterstützen. 60 Prozent der Teilnehmer*innen, die auf eigene Erfahrung verweisen konnten, arbeiten im Journalismus.
mehr »