Kinder-Freie?

Wo bleiben eigentlich Freie mit Kindern?

Anscheinend hat ein Thema wie Kindererziehung keinen Platz in den Medien. Soziale Themen wie etwa der Spagat zwischen Freiberuflichkeit und Kindererziehung scheint lediglich ein Randproblem einzelner zu sein.

Kinder sind unsere Zukunft. Nicht wegen unserer Rente. In dieser Debatte ist der sogenannte Generationen-Vertrag nicht von sozialer Art, sondern bloß ein rein finanzielles Problem. Leider steht in der „M“ so gut wie nie etwas über die besonderen Probleme kindererziehender Freiberufler/innen. Wieso ist das eigentlich so? Multimedia ist scheinbar bedeutender als das Themengebiet Kinder und Erziehung. Kinder stehen bloß in den Medien, wenn sie zu „Problemfällen“ geworden sind, wie etwa gewaltbereite Jugendliche. Die Alltäglichkeit der Kindererziehung hat anscheinend zuwenig Kick, verglichen mit der schillernd blinkenden Elektronik-Welt. Daß jedoch eine „Technologie der Zukunft“ in kurzer Zeit selbst irgendwelchen neuen „Zukunfts-Technologien“ weichen muß, spricht für die Oberflächlichkeit in den Medien. Nach wie vor sind die Mitmenschen das wichtigste für die Menschen und nicht irgendwelche wirtschaftstechnologische Fakten. Insofern von einer gesellschaftlichen Verleugnung von Kindern zu sprechen, erscheint uns nicht überzogen. Jedenfalls hätte ich gerne, daß das Themenumfeld Kinder und Arbeit mehr Raum in den Medien und speziell in den Periodika der IG Medien einnimmt.

Schwierige Ausgangslage

Aber nicht allein, daß Kinder kein Medienthema sind. Kinder haben verträgt sich anscheinend nicht mit „Leistung“. Oder warum müssen freie Journalistinnen manchmal ihre Kinder vor dem einen oder anderen Redakteur verschweigen? Sicherlich vollbringen Eltern in der Gegenwart ihrer Kinder nicht ihre volle berufliche Leistung, obwohl natürlich eine gesellschaftliche. Durch Kinderbetreuung, separatem Arbeitsraum und anderen Einrichtungen können Freie jedoch ganz normal arbeiten. Die Vorbehalte vieler Auftraggeber gegenüber kindererziehenden FreiberuflerInnen sind jedenfalls unbegründet.

Diese Hilfen wollen allerdings organisiert und bezahlt werden. Eine geplante und erfolgreich durchgeführte Bilderbuchkarriere bei Freien mit Kindern ist nur durch viel Finanzkraft tatsächlich erreichbar – wenn sowas denn überhaupt wünschenswert ist. Denn Karriere bedeutet meist einen hohen Arbeitseinsatz, verbunden mit einem langen Arbeitstag und wenig Zeit für – Kinder. Es geht eher darum, vernünftig bezahlt zu werden, um sich die wichtigsten Hilfen wie Kleinkinderbetreuung leisten zu können.

Beitrag zum Geschlechterkampf

Meistens werden Kinder vor festangestellten männlichen Redakteuren verschwiegen. Die haben oft wenig mit dem alltäglichen Spagat zwischen Job, Haushalt und Erziehung zu tun. Und es ist eigentlich so gut wie nie etwas über erziehende freiberufliche Väter zu lesen bzw. hören. Die gibt es ebenfalls nicht in der ansonsten so bunten Welt der Medien. Es hat den Anschein, als ob es nur Frauen als erziehende Freie gibt – oder geben darf. Liegt das vielleicht daran, daß der Spagat für viele an verantwortlichen Stellen sitzenden Männer (auch innerhalb der Führungsgremien der IG Medien) nicht von Belang ist, eben weil deren Frauen das Kinder- und Haushaltsmanagement für sie betreiben?

Reine Hausmänner fühlen sich – einem Bericht des Bundesfamilienministeriums zufolge – überwiegend unzufrieden, im Unterschied zu teilzeitarbeitenden Vätern, (… wie das wohl bei den Hausfrauen ist?). Dort wird über Teilzeitarbeit der Väter geredet als ein zukunftsfähiges Reform-Modell. Dieses Thema gehört also in die Medien (auch in die der IG Medien!).

Männer, die an der Organisation des Alltags mit und für Kinder beteiligt sind, erhalten einen Blick für elementare Sozialbeziehungen und deren Beziehungsgeflecht. Ignoranz und Überheblichkeit der Männer gegenüber den Schwierigkeiten des Alltags wären dann wohl kein Thema mehr. Vor allem erhalten sie aber in dem Beziehungsgeflecht einen Platz. „Mein Vater war mir immer fremd.“ So ein schrecklicher Satz läßt sich verhindern. Wenn Väter ihre Kinder nicht nur nach Feierabend miterziehen, erleben die Kinder ihre Väter in deren gesamten Emotionalität und nicht nur in der patriarchalen Vaterrolle des Ernährers und Oberhauptes. Außerdem verändert sich auch das Verhältnis zur Partnerin, sowohl in Sachen Gleichstellung als auch emotional.

Was tun?

Im April dieses Jahres wurde das Seminar „leben in freien berufen und/oder Kinder und Karriere“ in Springen angeboten. Erstmalig wurde ein Bereich thematisiert, der zu der angebotenen Kinderbetreuung von Teilnehmerinnen und Teilnehmern paßte: Roter Faden des Seminars war dieser Spagat zwischen Freiberuflichkeit und Kindererziehung.

Nun gab es da endlich einmal ein günstiges Seminar für Freie mit Kinderbetreuung zum Thema Freie, Karriere und Kinder, und prompt blieb der Ansturm aus. Gibt es am Ende keinen Bedarf für so ein Seminar, weil es keine Freie mit Kindern gibt? Oder nimmt diese ihr Elterndasein zeitlich so sehr in Anspruch, daß sie nicht kommen konnten? Vielleicht ist das Thema auch „kein Thema“. Oder ist es nur so ungewöhnlich bei der Gewerkschaft, weshalb vor Überraschung niemand kam?

Vernetzung

Jedenfalls hatten wir die Idee formuliert, daß eine Vernetzung untereinander innerhalb einer Region oder einer Stadt aus folgenden Gründen pfiffig wäre:

  • Einerseits geht es darum, im Falle einer einzelnen Konfrontation solidarisch auftreten und einwirken zu können, um sich gegenseitig die Rücken zu stärken.
  • Andererseits würde der gegenseitige Austausch von Müttern/Vätern gefördert.
  • Und es könnte ein Dialog zwischen Festangestellten und Freien außerhalb der Geschäftsbeziehungen entstehen, was zu einem beiderseitigen Problembewußtsein beiträgt.

Eine gut funktionierende Vernetzung erfordert viel Organisationsarbeit. Diesbezüglich denke ich an eine Unterstützung seitens der IG Medien. So ein Netz ist sehr hilfreich im Kampf gegen ausbeuterische Verhältnisse, zumal es immer mehr Freiberuflerinnen und Freiberufler gibt.

Insgesamt konnten wir uns während des Seminars leider kaum solche Gedanken zu den Besonderheiten bezüglich des „Spagats“ als auch zur Organisierung von Freien unterm Dach der IG Medien machen. Die überwiegende Zeit wurde voll in Anspruch genommen. Kooperationsformen, Steuern, Versicherungen – all diese wichtigen Basics in jeweils einem 3-Stunden-Block forderten hohe Konzentration. Bisher unbekannte Konzepte bekamen Zuspruch und zugleich Kritik. So erbrachte der Block zum Time-Management viele Ideen zur Strukturierung der eigenen, knapp bemessenen Zeit, insbesondere der Arbeitszeit. Wollen wir aber überhaupt eine solche Zeitverplanung mit Kindern haben, oder gar dulden? Auch im Marketing-Block hörten viele Neues und Interessantes. Aber – so fragten sich einige – akzeptieren wir den dahintersteckenden Gedanken des „reinen Erfolges“ überhaupt?

Urheberrecht, Verwertungsgesellschaften, Mittagessen – zack bum aus. Zu schnell ging es zu Ende. Viel zu wenig wurde auf die emotionale Belastung für den Partner, die Partnerin eingegangen. Ein heißes Eisen, das zuerst in Anbetracht der vielen anderen organisatorischen Hürden nebensächlich erscheint. Und hättest aber die Liebe nicht …?!

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »