Krieg als Reality Show

Propaganda mit Medienbildern – eine Tagung in Potsdam

„Wie die Medien Kriege begründen, befördern und mit rasanten ‚specials‘  beschreiben“, das war Thema des „2. Potsdamer Tages der Medienkritik“ Ende April auf dem Gelände der UniversitätPotsdam veranstaltet von der Rosa-Luxemburg Stiftung und der dju in ver.di. 

Das Bewusstsein der Herrschenden für die Macht der Bilder ist recht groß. Als am 27. Januar US-Außenminister Colin Powell mit seinem berühmt-berüchtigten Dia-Vortrag vor der UNO die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak „beweisen“ wollte, musste zuvor Picassos Guernica-Tapisserie hinter ihm verhängt werden. Zu groß war offenbar die Furcht vor der symbolischen Kraft des emblematischen Anti-Kriegs-Motivs in einer Situation, in der die Zustimmung der US-Bevölkerung für die lange geplante Invasion des Irak erreicht werden sollte.

Irakkrieg als „Bilderkrieg“

Für Gerhard Paul, Medienwissenschaftler an der Uni Flensburg, war der Irakkrieg vor allem auch als „Bilderkrieg“ angelegt. Mit einem Kriegsbeginn, der pünktlich in die Prime Time der  Hauptnachrichtensendung gelegt wurde, aus der Feldherren-Perspektive von den Dächern aus, die von fast allen Fernsehanstalten – auch den deutschen – mit übernommen wurde. Für die Invasoren ein propagandistischer Vorteil: „In der Totalen erlischt das Elend, es ist nicht mehr sichtbar“, analysierte Paul. Die wahren Schrecken des Krieges – Verstümmelungen, Blut, Tote oder auch nur der ­erbärmliche Alltag der Zivilbevölkerung – bietet nur die Nahperspektive. Die aber geriet und gerät selten in den Blick der Medien – schon aus Sicherheitsgründen. Und wenn die Journalisten mal ganz nah dran waren, dann als „embedded“ Reporter, also gewissermaßen im Bett mit den Invasoren. Diese Art von „reality show“ mag Teile des Publikums faszinieren. Einen relevanten Erkenntnisgewinn bieten sie nicht, so Paul in seinem Eröffnungsvortrag.
Paul nannte Beispiele für eine an der „shock-and-awe“-Strategie orientierte Inszenierung der Realität. Die Siegerpose von Bush junior nach der „Blitzkrieg“-Einnahme Bagdads auf einem US-Flugzeugträger – sie fand nicht im Persischen Golf statt, sondern in der weitaus ungefährlicheren Bucht von San Diego, Kalifornien. Die Zurschaustellung der getöteten Saddam-Söhne, durch Maskenbilder aus Hollywood notdürftig identifizierbar geschminkt, die Vorführung von Saddam Hussein nach der Entdeckung seines Erdlochverstecks – als symbolische Entmachtung und reale Verhöhnung des geschlagenen Feindes oder die Bilder entführter britischer Geiseln in Terroristengefangenschaft.
Dennoch haben die Vereinigten Staaten nach der schnellen Besetzung des Irak den Propagandakrieg an der visuellen Front früh verloren. Und zwar, so Paul  aufgrund ihres Vertrauens auf einen „verkürzten, eindimensionalen Bildbegriff“. Dahinter habe die Vorstellung gesteckt , „dass man Bilder genau so in ein Ziel lenken kann wie im Grunde  eine Präzisionswaffe, durch die Propaganda“.
Die Bedingungen, dass so was funktioniert, seien aber im digitalen Zeitalter schlechter denn je.  Es gibt kein Monopol einer Partei auf Bilder. Man kann schnell, einfach und kostengünstig Bildinformationen produzieren und ins Internet stellen. „Die Dinge werden sehr viel schneller kommuniziert, das heißt, weltweit global vertrieben, und dieser Prozess, den hat man wohl unterschätzt“, so Paul. Sein Resümee: Nicht „die geschönten, sorgsam geplanten glatten Feuerwerksbilder der nächtlichen Angriffe und des Vormarsches auf Bagdad“ oder die Bilder des praktizierten Terrors des besiegten Saddam-Regimes hätten die öffentlichen Diskurse geprägt. Als Skandal seien vielmehr die Porno-­Bilder aus Abu Ghraib empfunden worden. Die Hoffnung der US-Militärs, „das Schlachtfeld völlig zu de-realisieren und den Krieg mit ihrer in Hollywood erdachten narrativen Spielhandlung zu überziehen, ging nicht auf“.

Regelrecht weggeschnitten

Für den Marburger Medienwissenschaftler Karl Prümm agiert das Leitmedium Fernsehen nicht nur als „Beglaubigungsagentur“, sondern auch als „Agentur der gesteigerten sinnlichen Wahrnehmung“. Zugleich ist es auch ein gesellschaftliches Kontrollmedium, das seine „Überwachungskameras“ überall verteilt hat. Bildkontrolle und Definitionsmacht sind allerdings fließend“,  konstatierte Prümm. Der Kosovo-Krieg habe zunächst in Deutschland – vor allem auch durch die recht einseitige Medienberichterstattung – eine hohe Akzeptanz gehabt, bis eher später aufgrund der sich häufenden „Kolla­teralschäden“ in der Zivilbevölkerung die Stimmung gekippt sei. Nach Kriegsende sei es aber versäumt worden, dieses traurige Medienkapitel aufzuarbeiten. Im gegenwärtigen Afghanistan-Konflikt irritiert Prümm die nahezu völlige Abwesenheit von Bildern. Im Krieg gegen den Taliban-Terror drohe somit eine „Verdunkelungsgefahr“. Bei der Berichterstattung über die Entsendung von Bundeswehr-Tornados werde zwar detailreich über technische Einzelheiten wie Ausrüstung und Tankstopps informiert. Der Kontext, in dem diese Luftwaffen agierten, ihre konkreten Einsätze werde jedoch „regelrecht weg geschnitten“. Es ergebe sich ein „grotesker Gegensatz zwischen Überbebilderung, Überbelichtung des Krieges und absoluter Bildlosigkeit“. Damit fehlten die entscheidenden Hintergrundinformationen zu einem Vorgang, der immerhin auf Bun­destagsbeschlüssen beruhe. Angesichts des Verfassungsauftrags der audiovisuellen Medien müsse die Öffentlichkeit ihr Recht auf Kontrolle „einklagen“, forderte Prümm.
Sebastian Köhler von der Uni Leipzig erläuterte am Beispiel der Berichterstattung über die Hinrichtung von Saddam Hussein die Wirkung verschiedener Videofassungen auf die einzelnen Teilöffent­lichkeiten. Vor allem die im Internet ­publizierte „Langfassung“ habe für eine Spaltung des Publikums gesorgt. Die unüberhörbaren Beschimpfungen und Verhöhnungen des irakischen Ex-Diktators dürften vor allem in Teilen der islamischen Welt negativ aufgenommen worden sein. Köhler plädierte in diesem Zusammenhang für eine „nachhaltige Nar­rativität“ und eine „Pluralität der Bericht­erstattung“, die die Menschen in die Lage versetzen, eine breite gesellschaftliche ­Diskussion über so relevante Geschehnisse zu führen. Dazu gehöre die – auch im deutschen Fernsehen häufig missachtete – Regel, bei Filmeinspielungen die Quelle zu benennen.

Mit Feindbild Ängste schüren

Heinz Loquai, Brigadegeneral a.D. sieht in der gegenwärtigen Medien-Politik gegenüber dem Iran Parallelen zur Bericht­erstattung im Vorfeld des Irak-Krieges. ­Bewusst werde von Teilen der Medien der Eindruck erweckt, als verfüge der Iran bereits über Nuklearraketen oder nukleare Bomben. Per Zeichnungen werde suggeriert, das Land sei kurz davor, sich Raketen zu beschaffen, die Amerika erreichen können. Dies sei eine „Verfälschung der tatsächlichen Situation“. Egal ob im Kosovo-Konflikt oder im Irakkrieg – der Main­stream der Medien finde immer ein hitlerähnliches Monster, das trefflich als Feindbild tauge, mit dem sich Ängste schüren ließen. Nach Slobodan  Milosevic und Saddam Hussein werde jetzt dem iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad diese Rolle zugeteilt. Loquai warnte vor der neuerlichen Produktion von Feindbildern. Der Iran sei mehr als die Karikatur eines antisemitischen, verbal­aggressiven Präsidenten. Das Feindbild Islam werde auch im Hinblick auf den Iran gepflegt. Die differenzierten Herrschaftsstrukturen im Iran kämen  in der Medienberichterstattung viel zu kurz. Offenbar, so Loquais skeptisches Fazit, „haben die meisten deutschen Medien aus dem Irak-Krieg nichts gelernt“.

 

Buchtipps

Der Bilderkrieg – Inszenierungen

, Bilder und Perspektiven der „Operation irakische Freiheit“ Prof. Dr. Gerhard Paul, Verlag Wallenstein, Göttingen 2005.

Bilder des Krieges – Krieg der Bilder.
Die Visualisierung des modernen Krieges. Prof. Dr. Gerhard Paul, Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2004, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2004.

Brigadegeneral a. D. Dr. Heinz Loquai: Balkan- Afghanistan – Irak. Krieg als Mittel der Politik. Abschrift nach dem Mitschnitt eines Vortrages am 14.02.03 im EineWeltHaus München.

Medien und Krieg – verhindern, dulden oder rechtfertigen?  Beiträge zur Militärgeschichte und Militärpo­litik, Lothar Schröter / Frank Schubert (Hrsg.) Schkeuditzer Buchverlag, 2006.

 

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