In einer am 26. Juli 2021 veröffentlichten Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht hat die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft einen als „Schmähgedicht“ überschriebenen Vortrag von Jan Böhmermann 2016 im ZDF als „von der Kunstfreiheit gedeckt“ bezeichnet. „Eine demokratische Gesellschaft muss aushalten können, dass Künstlerinnen oder Künstler in künstlerischer Form an Grenzen gehen, bis es schmerzt“, erklärte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz.
„Die Satire aus dem Jahr 2016 ging möglicherweise in Teilen über Grenzen hinaus. Genau das hat der Künstler jedoch mit seinem Gesamtwerk beabsichtigt und künstlerisch konzeptionell umgesetzt. Das Gesamtkunstwerk aus Einleitung und Vortrag ist damit von der Kunstfreiheit gedeckt“, so Schmitz.
Nachdem Jan Böhmermann im August 2019 Verfassungsbeschwerde gegen die Gerichtsentscheidungen des Landgerichts Hamburg aus dem Jahr 2017 und des Oberlandesgerichts Hamburg aus dem Jahr 2018 eingelegt hat, wurde ver.di als mitgliederstärkste Vertretung von Kunst- und Medienschaffenden neben anderen Stellen und Vereinigungen nun vom Bundesverfassungsgericht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Wesentliche Verfahrensfragen sind, ob die als „Schmähgedicht“ bekannt gewordene Satire, in deren Mittelpunkt der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan stand, der durch Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) geschützten Kunstfreiheit unterfällt oder ob die sich aus Art. 5 Abs. 2 GG ergebenden Schranken der Meinungsäußerungsfreiheit hierdurch überschritten wurden. Das Bundesverfassungsgericht muss dabei die Reichweite und Grenzen von Satire und der Beeinträchtigung der Kunst- und Meinungsfreiheit in Abwägung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beurteilen.
Ihrer Einschätzung zu den mit der Entscheidung des Gerichts verbundenen Weichenstellungen und potentiellen Auswirkungen auf das Arbeiten und Schaffen von Künstlerinnen und Künstlern hat ver.di ein Kurzgutachten des Verfassungsrechtlers und Künstlers Prof. Dr. Bernhard Schlink zur Seite gestellt. In seiner Bewertung kommt Schlink zu dem Ergebnis, dass der Künstler durch die angegriffenen Gerichtsentscheidungen unverhältnismäßig in seiner Kunstfreiheit beschränkt wurde und die Verfassungsbeschwerde Böhmermanns deshalb begründet ist.
ver.di hatte sich in dem Fall im übrigen von Beginn an für die Verteidigung der Meinungs- und Kunstfreiheit ausgesprochen.