Leserbrief: Nicht alle in einen Topf werfen

M 4.2014 „Shitstorms und Propaganda”

Wenn das alles so einfach und klar zu werten wäre, wie es Günter Herkel in seiner „kommentierten Presseschau zur Ukraine-Berichterstattung deutscher Medien” suggeriert. … Es gibt auf der Welt kaum einen größeren Konflikt in den letzten Jahrzehnten, der von Kommentatoren wie es auch Günter Herkel zu sein scheint, nicht von den ‚westlichen Eliten’ direkt oder indirekt aufgeheizt worden ist.

Dass es diese Interessen gab und gibt, kann wohl niemand bezweifeln, der einigermaßen die Augen und Ohren noch offen hat. Als vor Jahren bei den ersten größeren Demonstrationen auf dem Maidan über Nacht die Massen mit orangenfarbenen Fähnchen, T-Shirts und Mützen dem Freiheitsengel Timoschenko zujubelten, fragte man sich schon, woher diese Demonstrationssouvenirs so schnell kamen. Auch die schnelle und auch arrogante Präsenz einiger westlicher Politiker während der Demonstrationen auf dem Maidan im Frühjahr 2014 ist ja nicht nur spontan erfolgt. Trotzdem überzeugt mich der Kommentar von Herkel nicht, weil er mit einer sehr vorgefassten Meinung alle Kommentatoren und Korrespondenten deutscher Medien in den Topf „westlicher Propaganda” wirft. Ich habe in der von mir vornehmlich gelesenen Süddeutschen Zeitung nicht ausschließlich die Leitartikel des Auslandschefs gelesen, sondern auch die differenzierten Reportagen etwa eines Tim Neshitov. Von Herkel dazu kein Wort. Und es fällt mir auch schwer, die Berichterstattung zum Beispiel des Deutschlandfunks eindeutig in die Schublade angeblicher einseitiger „West-Propaganda” zu stecken. … Ebenso vollkommen verschwiegen wird die hanebüchen einseitige Berichterstattung in russischen Medien wie sie uns von Russisch sprechenden Korrespondenten oder Publizisten übersetzt worden ist. … Nach allem was ich dank der Arbeit von Korrespondenten weiß, würde ich Putin auch nicht als ‚Kriegstreiber’ in dem aktuellen „Ukraine-Konflikt” titulieren. Mit dem Wissen aber um den Umgang der derzeitigen russischen Nomenklatura mit unabhängigen Journalisten, fällt es mir auch schwer, ausgerechnet Putin als einen ‚Friedenstreiber’ zu bezeichnen, wie es unterschwellig in dem sehr diskussionswürdigen Kommentar von Günter Herkel anklingt. …

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie ethisch kann KI berichten?

Ein ethischer Kompass ist angesichts zunehmender Desinformation immer wichtiger – für Journalist*innen, aber auch Mediennutzende. Positivbeispiele einer wertebewussten Berichterstattung wurden jüngst zum 20. Mal mit dem Medienethik Award, kurz META, ausgezeichnet. Eine Jury aus Studierenden der Stuttgarter Hochschule der Medien HdM vergab den Preis diesmal für zwei Beiträge zum Thema „Roboter“: Ein Radiostück zu Maschinen und Empathie und einen Fernsehfilm zu KI im Krieg.
mehr »

VR-Formate im Dokumentarfilm

Mit klassischen Dokumentationen ein junges Publikum zu erreichen, das ist nicht einfach. Mit welchen Ideen es aber dennoch gelingen kann, das stand auf der Sunny Side of the Doc in La Rochelle im Fokus. Beim internationalen Treffen der Dokumentarfilmbranche ging es diesmal auch um neue Erzählformen des Genres wie Virtual Reality (VR).
mehr »

krassmedial: Diskurse gestalten

Besonders auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Telegram verbreiten sich rechtsextreme Narrative, die zur Polarisierung der Gesellschaft beitragen. Wie Journalist*innen dem entgegen wirken und antidemokratische Diskursräume zurückgewinnen können, diskutierten und erprobten etwa 70 Teilnehmende der diesjährigen #krassmedial-Sommerakademie von ver.di am Wochenende in Berlin-Wannsee.
mehr »

KI-Bots: Kompletten Schutz gibt es nicht

KI-Bots durchstreifen das Netz, „scrapen“, also sammeln dabei auch journalistische Inhalte, um damit KI-Modelle wie Chat GPT zu trainieren. Welche technischen Maßnahmen können Journalist*innen ergreifen, um ihren Content zu schützen? Tipps des KI-Beraters Branko Trebsche.
mehr »