Licht und Schatten einer Hochglanzbranche

Eine Insiderin über den Arbeitsalltag in der PR-Branche

Johanna* ist kürzlich als Marketingleiterin von einem großen Unternehmen angestellt worden: Befristet natürlich, wie sie es schon zuvor aus dem PR-Bereich kannte. Aber immerhin für einen gewissen Zeitraum hat sie ein festes Gehalt sicher, auch wenn es nicht gerade astronomisch ist. Seit Jahren bewegt sich Johanna in einer Szene, die der Normalbürger gern mit Worten wie „hipp” oder „glamourös” umschreibt; und es ist durchaus was dran an dem Klischee von den gut aussehenden, lässig-weltgewandten Menschen, die in Markenklamotten zur Arbeit gehen, in Nobelrestaurants Projekte besprechen und über alle Trends der Mode und Gesellschaft bestens orientiert sind. Aber was steckt hinter dem vermeintlichen Glanz?

Foto: fotolia / Picture-Factory
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Eins gleich vorneweg: Ich mag meinen Job. Wenn ich noch einmal wählen könnte, würde ich mich jederzeit wieder genau für diesen Beruf entscheiden. Ich finde es toll, jeden Tag in einer kreativen Atmosphäre zu arbeiten, sofort Verantwortung zu übernehmen, immer mittendrin zu sein. An sich mag ich sogar den Stress.
Aber in der PR-Branche hat dieser Stress mittlerweile offenbar ein Ausmaß erreicht, das erschreckend und alarmierend ist. Mit den Angestellten werden fast nur noch befristete Arbeitsverträge geschlossen, die sich dann von Verlängerung zu Verlängerung hangeln – oder je nach Belieben des Arbeitgebers eben nicht verlängert werden. Bei meinen Arbeitgebern war es üblich, eine sogenannte „Vertrauens-Arbeitszeit” zu vereinbaren. Das heißt im Klartext, man erwartet von den Mitarbeitern, dass sie 50 bis 60 Stunden pro Woche für das Unternehmen arbeiten. Wer früher geht, wird schief angesehen, nicht nur vom Chef, auch von den eigenen Kollegen. Die stehen alle unter einem unglaublichen Arbeits- und Erfolgsdruck. Da gilt es dann als uncool, wenn man Mittagspause macht oder wenn man am Freitagabend schon um acht nach Hause will. Profiteure in diesem System sind die Chefs: Sie können im besten Fall dem Kunden 60 Arbeitsstunden berechnen und dem Mitarbeiter nur 40 bezahlen. In diesem Klima wird ein Leistungskodex suggeriert, durch den sich viele ihre Nerven und ihre Gesundheit ruinieren. Und wenn jemand auf der Strecke bleibt mit Burnout oder Depressionen, dann heißt es, der war einfach nicht hart genug.
Das gilt gar nicht mal so sehr für die großen und bekannten PR-Agenturen. Die können Kostentäler noch halbwegs verkraften. Aber daneben gibt es ja noch viele kleine „No-Name”-Agenturen, die noch mehr jeden Tag um Aufträge kämpfen müssen. In Krisenzeiten sparen viele Firmen in erster Linie am Werbebudget beziehungsweise in der PR. Dann geraten die kleineren Werbe- und PR-Agenturen schnell ins Trudeln und geben den Kostendruck an ihre Beschäftigten weiter, sie zahlen schlechtere Gehälter oder stellen Billigarbeitskräfte ein. Es sind oft junge, ehrgeizige Leute zumeist, die noch über wenig Kompetenz verfügen, aber zu schonungsloser, schlecht bezahlter Arbeit bereit sind. Überstunden werden zum selbstverständlichen Dauerzustand. Eine Standardfloskel in den Verträgen lautet: „Eventuell zu leistende Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten.” Ich habe selbst erlebt, dass die Verweigerung von monatelangen Zwölfstundenschichten die Kündigung nach sich gezogen hat. Und wenn man mal Urlaub nehmen will, bekommt man keine Urlaubsvertretung. Das bedeutet Mehrarbeit vor dem Urlaub und dann gleich wieder Mehrarbeit nach dem Urlaub, weil die Arbeit liegen geblieben ist. An Erholungseffekte ist da kaum zu denken.

Jämmerlich bezahlt

Immer wieder versuchen PR-Leute, aus dieser Knochenmühle auszusteigen und sich selbstständig zu machen. Das hat den großen Vorteil, dass man sein eigener Herr ist. Aber aus meiner Sicht wäre das kein Weg. Für diesen Existenzkampf bin ich einfach nicht geschaffen. Ich will, dass ein Arbeitgeber in der Pflicht ist, mich im Krankheitsfall abzusichern und meinen Urlaubsanspruch zu erfüllen. Sicher, viele beißen sich selbstständig durch und fühlen sich sogar wohl dabei – sie kommen über die Runden. Aber viele Selbstständige werden jämmerlich bezahlt. Einmal habe ich eine Freelancerin sagen hören: Würde ich mich den ganzen Tag in eine Bäckerei stellen, würde mehr rumkommen.
Ich selbst habe eine Lösung darin gefunden, dass ich von den PR-Agenturen ins Marketing gewechselt bin. Das ist ein eher ungewöhnlicher Weg, aber für mich ergibt er Sinn. Ich habe ganz bewusst mit der PR-Szene abgeschlossen, und ich möchte auch nicht wieder zurück in diese Scheinwelt, die da vorgelebt wird.
Im Grunde kommt es nicht auf die Arbeitsform an, sondern darauf, die Bedingungen zu verbessern, unter denen unsere Arbeit sich abspielt. Und dabei könnte meines Erachtens auch ver.di eine wichtige Rolle spielen. Ich bin überzeugtes ver.di-Mitglied und fühle mich bei ver.di sehr gut aufgehoben. Erst kürzlich habe ich bei einem Streit mit meinem ehemaligen Arbeitgeber den Rechtsschutz der Gewerkschaft in Anspruch genommen und bin sehr engagiert vertreten worden – dafür möchte ich allen beteiligten Mitarbeitern auf diesem Weg noch einmal herzlich danken.
Aber ver.di wacht momentan mehr über die Befindlichkeiten der Journalisten, und ich würde gern anregen, dass sie sich auch der Marketing- und PR-Branche mehr zuwendet. Ich weiß, die meisten Leute halten unseren Bereich für eine individualistische Hochglanzszene, und teilweise ist sie das ja auch. Aber wo viel Licht ist, ist viel Schatten, deshalb brauchen wir die Hilfe einer starken Gewerkschaft mindestens genauso dringend wie die Journalisten.

Korrekte Arbeitszeiten einfordern

Es gibt eine Reihe von gesetzlichen Regelungen wie das Arbeitszeitschutzgesetz, die aber in der Praxis ständig unterlaufen und umgangen werden, weil kein Mensch die Umsetzung kontrolliert. Hier sind die Gewerbeaufsichtsämter gefragt, um verstärkt Betriebskontrollen durchzuführen und die Einhaltung der Arbeitszeiten zu prüfen. Denkbar wäre auch, dass die Krankenkassen mehr nachhaken, nachdem sie hohe Krankenstände in den einzelnen Bereichen festgestellt haben.
Allerdings ist der Ruf nach verstärkten Kontrollen vergeblich, wenn korrekte Arbeitszeiten gar nicht eingefordert werden, wenn die Beschäftigten sich alles bieten lassen. Das ist natürlich für Angestellte mit wackeligen sprich befristeten Arbeitsverträgen besonders schwer! Ein Weg wären vielleicht Ombudsleute in den Agenturen, an die man sich als Angestellter im Konfliktfall wenden kann? Hier verfügt ver.di bestimmt über einige Erfahrungen. Und auch die Politik ist auf vielen Feldern gefordert. Zum Beispiel bedarf es endlich klarer gesetzlicher Regelungen für den Schutz von Whistleblowern, wofür auch ver.di gemeinsam mit anderen Organisationen seit Jahren eintritt. Denn je mehr die Zustände auch in dieser Branche an die Öffentlichkeit gelangen, desto stärker können die Arbeitgeber gerade bei den großen Agenturen arbeitsrechtlich in die Pflicht genommen werden. Vor allem sollte die grassierende Unsitte der befristeten Verträge eingedämmt werden – sei es durch Auflagen oder Quoten, die man den Agenturen setzt, oder sei es durch gerichtliche Schritte, die natürlich wiederum hauptsächlich nur durch die Betroffenen selbst erreicht werden können.
Ich hoffe, dass in unserer Branche bald ein grundsätzliches Umdenken einsetzt, denn wenn alles so weiterläuft wie zurzeit, leidet unsere Medienlandschaft genauso wie die Menschen, die sie tagtäglich gestalten. Ich würde gern dazu beitragen, dass sich hier etwas zum Besseren bewegt – gerade weil ich meinen Job mag.

Aufgeschrieben von Tanja Stern
*Der Name Johanna wurde von der Redaktion geändert. Die auf dem Featurebild abgebildete Person ist nicht Johanna.

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