Zehn Jahre weltweites Medienbeobachtungsprojekt zur Präsenz von Frauen in den Nachrichten
„Lichtgeflacker am Ende des Tunnels“ sieht Eva Kohlrusch, Vorsitzende des Journalistinnenbundes (JB) angesichts der Ergebnisse für Deutschland, die im jüngsten Global Media Monitoring Project (GMMP) 2005 ermittelt wurden. Nach zehn Jahren weltweiter Stichtagsuntersuchungen zur Präsenz von Frauen in den Nachrichten soll der Dialog mit den Medienverantwortlichen erstmals mit einer internationalen Kampagne vom 16. Februar bis zum Weltfrauentag am 8. März forciert werden.
Seit dem Auftakt der Kampagne „Who Makes the News?“ in London, dem Sitz der World Association for Christian Communication (WACC), die das GMMP koordiniert, organisieren Beobachtungsgruppen in über 70 Ländern der Erde Events zur Geschlechterpräsentation in den Medien – angefangen bei einer Videokonferenz quer über den afrikanischen Kontinent bis zur Einrichtung einer Medienbeobachtungsstelle in Lateinamerika. Der Journalistinnenbund, der seit Projektbeginn die Daten für Deutschland erhebt, publizierte eine 52-seitige Broschüre „Präsenz von Frauen in den Nachrichten“.
Das GMMP startete anlässlich der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995, um die Präsenz von Frauen in den Medien – als Nachrichtensubjekte und Journalistinnen – an einem Stichtag international vergleichbar zu erheben und hat sich inzwischen zu einer wissenschaftlichen und medienpolitischen Institution entwickelt. Die GMMP-Seiten gehören zu den „meist besuchten auf unserer Website“, berichtet JB-Geschäftsführerin Marlies Hesse, die erneut die deutsche Datenerhebung koordiniert hat.
Mehr Frauen als TV-Nachrichtensprecherinnen
Nach der jüngsten Stichtagsuntersuchung am 16. Februar 2005 sind Frauen als Nachrichtensubjekte immer noch marginalisiert – auch wenn sich ihr Anteil weltweit von 17 Prozent 1995 kontinuierlich (2000: 18%) bis 2005 auf 21 Prozent erhöht hat. Die deutschen Medien, die in den vergangenen Jahren unter dem internationalen Durchschnitt lagen, kommen diesmal auf 22 Prozent! Wichtig ist nicht nur, dass Frauen, sondern auch wie sie in den Medien präsentiert werden, denn sonst wäre die Bild-Zeitung – nicht zuletzt wegen ihrer nackten Titelschönheiten – mit einem Anteil von 35 Prozent das „frauenfreundlichste Blatt“ in Deutschland. International werden Frauen immer noch doppelt so häufig wie Männer (19 : 8%) als Opfer präsentiert, aber unter den zu Wort kommenden ExpertInnen machen sie nur 17 Prozent aus.
Journalistinnen stellen weltweit mittlerweile 57 Prozent der NachrichtenpräsentatorInnen im Fernsehen, bleiben im Radio und vor allem in der Presse (29%) jedoch eine Minderheit. In Deutschland sind weibliche Medienschaffende am Stichtag weniger als sonst in Wort und Bild präsent als männliche, was eher dem Zufall zugeschrieben wird. Interessanterweise berichten Journalistinnen international mit 25 Prozent häufiger als ihre männlichen Kollegen (20%) über Frauen – in der deutschen Presse kommen die Berichte mit Frauen im Focus bei Journalistinnen auf 28, bei Journalisten nur auf 22 Prozent.
Die positiven quantitativen Ergebnisse für Deutschland hängen zum Teil mit der aktuellen Nachrichtenlage zusammen: Es gab keine internationalen Katastrophen wie das Erdbeben in Japan 1995, bei denen erfahrungsgemäß männliche Akteure die Berichterstattung dominieren und ein Video der im Irak entführten weinenden italienischen Journalistin Giuliana Sgrena trieb die Zahl fürs Fernsehen auf 24 Prozent. Die nicht tagesaktuelle Presse bildete mit 20 Prozent Frauenanteil wiederum das Schlusslicht. Die Qualität der Berichterstattung hat sich jedoch nicht wesentlich verbessert, wie die Lüneburger Kommunikationswissenschaftlerin Jutta Röser mit einer ergänzenden Zwölf-Wochen-Studie der Presseberichterstattung die Stichtagsuntersuchung 2005 untermauert. „Die Muster des Journalismus sind die alten geblieben“, resümiert sie, denn trotz Oppositionsführerin Angela Merkel und sechs Ministerinnen habe sich „das Geschlechterverhältnis seit den 1990er Jahren nicht verändert“. Die Gründe für die Männerdominanz verortet Röser deshalb in einem Nachrichtenfaktor „Geschlecht“, der „männliche Akteure systematisch bevorzugt“.
Motto am 8. März: Women make the News
So handelte es sich am 16. Februar bei den 66 thematisierten weiblichen Personen um 50 verschiedene Frauen. Es herrscht also kein Mangel an „nachrichtenwürdigen“ Frauen, doch die Berichterstattung über sie wird durch die gängige Themenauswahl und -aufbereitung, erschwert: Konzentration auf institutionalisierte Politik, politisches Handeln wird nicht in Bezug zur lokalen Lebenswelt gesetzt. Röser plädiert deshalb für einen „glokalen Journalismus“, der vielfältiger, lesefreundlicher und geschlechtergerechter ist.
Ob Frauen diesen anderen Journalismus besser umsetzen, könnte sich am 8. März zeigen, wenn der UNESCO-Generaldirektor unter dem Motto „Women make the News“ wieder an alle Medien appelliert, dem weiblichen Redaktionspersonal an diesem Tag die Zusammenstellung der Nachrichten zu überlassen. Deutsche Medien waren seinem Aufruf bisher nicht gefolgt.