London: Assange steht für die Pressefreiheit

Julian Assange Foto: Reuters/Simon Dawson

Wikileaks-Gründer Julian Assange steht seit 7. September wieder vor dem Zentralen Strafgerichtshof in London, wo sein Auslieferungsverfahren fortgeführt wird. Dass Großbritannien Assange umgehend freilassen müsse, wird weltweit gefordert. Reporter ohne Grenzen (RSF) übergaben eine Petition mit mehr als 80.000 Unterschriften. ver.di sieht einen „Stresstest für den Rechtsstaat“ und warnt vor einer massiven Beschädigung der Pressefreiheit.

Nach einer ersten Sitzungswoche im Februar war eine Fortsetzung der Anhörungen im Auslieferungsverfahren von Julian Assange eigentlich bereits für Mai vorgesehen, wurde aber aufgrund der Corona-Pandemie verschoben. Die jetzige Beweisaufnahme soll voraussichtlich drei bis vier Wochen dauern.

Die USA werfen Assange Spionage und Geheimnisverrat vor. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Er hatte auf seiner Plattform Wikileaks geleakte Geheimdokumente veröffentlicht, die unter anderem Verbrechen der US-Armee im Irak-Krieg dokumentierten. Die Veröffentlichungen waren Grundlage vieler weiterer investigativer Recherchen und Berichte.

Im Juni hatte die US-amerikanische Justiz eine neue Anklageschrift gegen Assange eingereicht, gefolgt von einem neuen Auslieferungsersuchen im August. Assange ist mit insgesamt 18 Anklagepunkten konfrontiert, darunter 17 nach dem Spionagegesetz.

Prozessbeobachter fordern von dem Londoner Gericht, ein transparentes Verfahren zu gewährleisten und unabhängigen Beobachter*innen zuzulassen.

Präzedenzfall beim Schutz journalistischer Quellen

„Hier geht es nicht um eine Bewertung der Person Assange“, betonte Tina Groll, die Vorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju). „Hier geht es um die Frage, ob ein demokratischer Staat jemanden ausliefern und damit der politischen Verfolgung preisgeben darf, weil derjenige oder diejenige staatliches Fehlverhalten öffentlich gemacht hat.“

Die Veröffentlichungen von Wikileaks seien durch die Pressefreiheit gedeckt und die Kontrolle von staatlichen und wirtschaftlichen Machthabern eine Kernaufgabe von Journalistinnen und Journalisten, die der Staat zu schützen habe. „Die Auslieferung von Julian Assange würde ein verheerendes Signal senden und die verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit massiv beschädigen“, warnte die dju-Vorsitzende.

„Wir sind der festen Überzeugung, dass die Anklage gegen Assange und seine andauernde Inhaftierung mit seinen Enthüllungen zusammenhängen, die von großem öffentlichem Interesse waren. Die juristische Verfolgung von Julian Assange kann deshalb zu einem gefährlichen Präzedenzfall für die Wahrung der Pressefreiheit und den Schutz journalistischer Quellen weltweit werden“, sagte RSF-Geschäftsführer Christian Mihr, der in London vor Ort ist.

Neben der Fragwürdigkeit des juristischen Verfahrens ist Assanges Gesundheitszustand ein Grund, seine umgehende Freizulassung zu verlangen. Assange hat bereits seit Langem schwere gesundheitliche Probleme. Im Juni wiesen mehr als 200 Ärztinnen und Ärzte darauf hin, dass der Australier aufgrund der Corona-Pandemie in seiner Haft im Hochsicherheitsgefängnis von Belmarsh besonders gefährdet sei. Bereits Ende 2019 zeigte sich der UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer alarmiert, dass Assange Anzeichen psychologischer Folter zeige und dass sein Leben in Gefahr sei. In der ersten Anhörungswoche im Februar wirkte Assange auf RSF-Beobachter müde und erschöpft.

Die Petition von Reporter ohne Grenzen an die britische Regierung ist weiterhin freigeschaltet, kann unterschrieben und geteilt werden.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Gemeinsame Standards für Medienfreiheit

In Brüssel wird der European Media Freedom Act (EMFA) bereits als "Beginn einer neuen Ära" zelebriert. Ziel der Verordnung ist es, die Unabhängigkeit und Vielfalt journalistischer Medien in der EU in vielfacher Hinsicht zu stärken. Doch wie er von den Mitgliedsstaaten  - vor allem dort, wo etwa die Pressefreiheit gefährdet ist wie Ungarn und der Slowakei - umgesetzt wird, zeigt sich erst im kommenden Sommer.
mehr »

Filmtipp: Die Saat des Heiligen Feigenbaums

Die Alten hüten die Asche, die Jungen schüren das Feuer. Konflikte zwischen den Generationen sind vermutlich so alt wie die Geschichte der Menschheit. Zumindest im Westen haben die im Rückblick als „68er-Bewegung“ zusammengefassten Proteste für tiefgreifende gesellschaftliche Umwälzungen gesorgt. Angesichts des Klimawandels könnte sich das Phänomen wiederholen. Mohammad Rasoulofs Familiendrama, deutscher „Oscar“-Kandidat, beschreibt anhand der Demonstrationen im Iran, wie sich die Alten wehren.
mehr »

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

KI-Lösungen: Heise macht es selbst

Das Medienhaus „Heise Medien“ hat kürzlich das auf generative Künstliche Intelligenz (KI) spezialisierte Medienhaus „Deep Content“ (digitale Magazine „Mixed“ und „The Decoder“) aus Leipzig gekauft. Damit will Heise die Zukunft generativer KI mitgestalten. „Deep Content“ entwickelte mit „DC I/O“ ein professionelles KI-gestütztes Workflow-Framework für Content-Teams und Redaktionen. Bereits seit Juni dieses Jahres kooperiert Heise mit „Deep Content“ bei der Produktion des Podcasts „KI-Update“. Hinter der Übernahme steckt die Idee, den neuen Markt weiter zu erschließen und hohe Gewinne einzufahren.
mehr »