Dass der Journalismus in einer Krise steckt, ist unbestritten. Initiativen und Institutionen suchen Gegenstrategien. Das Journalismus Lab der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen will mediale „Vielfalt und Partizipation insbesondere im lokalen und regionalen Raum“ fördern. Experimente eingeschlossen. Auf seinem diesjährigen „Media Innovation Day“ in Düsseldorf standen Audio-Podcasts im Mittelpunkt. Kann man damit überhaupt Geld verdienen, war eine der Fragen.
Philip Banse ist einer der erfolgreichsten Podcaster, wenn es um die Kommentierung des tagespolitischen Geschehens in Deutschland geht. Seine Gespräche mit Ulf Buermeyer zur „Lage der Nation“ erreichen inzwischen 250.000 Hörer pro Monat. Und das hauptsächlich über Spotify oder Apple Podcast. Banse war auf der Veranstaltung in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt so etwas wie ein Kronzeuge dafür, dass journalistische Inhalte im Audiobereich auch für die Macher lukrativ sein können.
Als Einnahmequellen, aus denen sich das mittlerweile fünfköpfige Team finanziert, nannte er „im Grund vier Säulen, auf die wir uns stützen können“. Dazu zählten freiwillige Überweisungen von Nutzern, die möglicherweise beim Finanzamt als nicht zweckgebundene Zuwendungen anerkannt werden könnten, was Befreiung von der Mehrwertsteuer zur Folge hätte. Besonders wichtig dürften Werbeeinnahmen über den öffentlich-rechtlichen Vermarkter ARD Sales & Services sein. „Sie wissen, dass sie uns keine Vorschriften zum Inhalt machen dürfen, und wissen, dass ebenso ihre Werbepartner keinen Einfluss auf die Inhalte nehmen dürfen“, kommentierte Banse. Werbung zur Finanzierung sei grundsätzlich in Ordnung, doch es sollten alternative Finanzierungsquellen sprudeln: Einnahmen über Bezahlabos seien noch überschaubar, während sich die Einkünfte aus Liveveranstaltungen in verschiedenen Städten als wirtschaftlicher Überraschungserfolg erwiesen hätten. Bis zu 1000 Besucher, die zwischen 18 und 20 Euro Eintritt bezahlen, schauen sich den Talk der beiden Protagonisten auf der Bühne an. Der Berliner Podcaster warnte davor, mit Hosting- oder Marketing-Plattformen zusammenzuarbeiten: „Sie schalten Werbung rein, auf die wir keinen Einfluss mehr haben, und wir würden vor allem den Feed nicht mehr besitzen.“
Ambitionierte Startups mit Best Practice
Nach diesem Leuchtturm am Medienmarkt verdeutlichten vier Startups die Potenziale ihrer eigenen Projekte. Etwa „Nackt und Neugierig“ der Wissenschaftsjournalistinnen Nele Rössler und Sophia Wagner. Während ihre Beiträge zu Frauenthemen in den Redaktionen früher eher in der „Nische“ untergebracht wurden, erreichen beide aktuell mit ihren Wissenschaftspodcast-Beiträgen, etwa über Menstruation oder Verhütung, rund 3000 Hörer*innen. Vom Medium Magazin bereits als Best-Practices-Beispiel für modernen Wissenschaftsjournalismus empfohlen, möchten sie die Community noch beträchtlich ausweiten, um eine ausreichende Finanzierung zu gewährleisten: „Sponserings, Workshops oder eine eigene Produktlinie könnten zukünftig dazu beitragen.“
Interesse weckte auch das System MediaRecSys. „Wir haben ein algorithmisches Empfehlungssystem entwickelt, das nach journalistischen Standards funktioniert – ohne Filterblasen oder Echokammern“, erklärte Mitinitiator Markus Waldhauser. Ziel sei, den Plattformbetreibern die Kontrolle über ihre eigenen Inhalte zurückgeben. Weitere Pitches, darunter die Vorstellung einer Lokaljournalismus-Plattform „hyyp“ für das Ruhrgebiet sowie die Präsentation des Kamera-Roboters „Robodia“, vervollständigten den Überblick. Das später vorgestellte Projekt „Whitepaper zur Konzeptionierung und Realisierung von Info-Podcasts für regionale Zeitungsverlage in NRW“ in Kooperation mit der „Aachener Zeitung“ war von Journalismus Lab im Rahmen der Produktförderung unterstützt worden.
Mehrwert bieten
Das Finanzierungsproblem im Printjournalismus wurde schließlich von Christian Wehrtschulte, Redakteur der Kölner „Stadtrevue“, angerissen. Das Monatsmagazin will mit dem Online-Mitgliedschaftsmodell StadtrevuePlus, das vom Journalismus Lab gefördert wird, dem Abwärtstrend im Printbereich begegnen: „Wir wollen unseren Lesern einen Mehrwert bieten, sie dazu ermutigen, ihre eigenen Themenvorschläge einzubringen.“ Das sei bereits bei der Gründung des Magazins in den 1970er Jahren als „Stattzeitung“ – hervorgegangen aus den damaligen sozialen Bewegungen – Ziel gewesen. Mit einer monatlichen Printauflage von 20.000 steht das Blatt heute nicht schlecht da, obgleich Ende der 90er Jahren noch 30.000 Exemplare vertrieben wurden. Eine komplett digitale Ausrichtung sei nicht möglich, da zwei Drittel der Einnahmen aus Anzeigenerlösen der gedruckten Ausgabe kämen. Diese Erlöse könne man mit Internetwerbung nicht kompensieren. Onlinepräsenz sei dennoch wichtig, um dem Mediennutzungsverhalten der Jüngeren Rechnung zu tragen. Laut Wehrtschulte werde sonst das Publikum unter 26 Jahren nicht mehr erreicht.