Medien als Sprachrohr der Lobby

Collage: fotolia/com.plot

Kooperationen zwischen Medienhäusern und Lobbyverbänden sind inzwischen keine Seltenheit mehr. Von der Chemie- bis hin zur Rüstungslobby – Interessenverbände jeglicher Couleur wurden Partner von Verlagen. Ein neues Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung untersucht die Zusammenarbeit zwischen Qualitätsmedien und Lobbyorganisationen. Es zeigt, wie Redaktionsmitglieder in kommerzielle Verlagsaktivitäten eingebunden werden und sich das Eventgeschäft auf die Berichterstattung auswirkt.

Längst verdienen Verlage nicht mehr nur mit Journalismus Geld. Sie verkaufen Produkte oder richten Veranstaltungen aus. Die „Agenda“-Konferenz des „Tagesspiegels“ leitete eine Wende ein, was das Veranstaltungsbusiness deutscher Medienhäuser betrifft. Bei der Konferenz, die deshalb umstritten war, konnten sich Ende 2014 Lobbyverbände Redezeiten kaufen.

Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung "Ausverkauf des Journalismus?"
Arbeitspapier der Otto Brenner Stiftung „Ausverkauf des Journalismus?“

Nahezu alle namhaften Qualitätsverlage mit Ausnahme des Spiegel-Verlags sind inzwischen in das Veranstaltungsgeschäft eingestiegen. Eine Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) untersucht die Kooperationen zwischen Medienhäusern und Lobbyorganisationen im Zusammenhang mit Veranstaltungen. Danach führten die Verlage von „Süddeutscher Zeitung“, „FAZ“, „Welt“, „Tagesspiegel“, „Zeit“ und „Capital“ zwischen Januar 2012 und Dezember 2015 insgesamt 59 Veranstaltungen durch, in die ein Lobbyverband eingebunden war.

Lobbyorganisationen sind Mitveranstalter, Sponsor, „Knowledge Partner“ oder zum Beispiel „Medienpartner“. Die Verlage kooperieren insgesamt mit einer Vielzahl verschiedener Branchen – von Handel über Energie und Bau bis hin zu Stahl und Luft- und Raumfahrt. Besonders häufig vertreten sind Interessenvereinigungen der Finanz- und Chemiebranche.
So kooperierte zum Beispiel das „Handelsblatt“ bei der „Jahrestagung Chemie“ 2014 und 2015 mit dem Verband der Chemischen Industrie, der auch bei der „Agenda“-Konferenz des „Tagesspiegels“ dabei war. Der Verlag der „Süddeutschen Zeitung“ richtete die Veranstaltung „Das Hauptstadtgespräch“ in Zusammenarbeit mit der Stiftung Familienunternehmen aus, die gegen die Erbschaftssteuer und ein Unternehmensstrafrecht lobbyiert. „Frankfurter Allgemeine Forum“, der Veranstaltungspartner der „FAZ“ veranstaltet zusammen mit der Münchner Sicherheitskonferenz den „Energy Security Summit“ sowie den „Energy Security Roundtable“. Die Liste von Unterstützern der Münchner Sicherheitskonferenz liest sich wie ein Who’s who der globalen Rüstungsbranche: Darunter ist der Panzerhersteller Krauss-Maffei Wegmann ebenso wie der US-Raketenhersteller Raytheon.

Mangelnde Trennung verschiedener Rollen

Von den 59 Veranstaltungen mit Lobbyverbänden wurden in der OBS-Analyse 26 näher untersucht. In fast der Hälfte dieser Fälle (11) kam es zu einer Berichterstattung über die eigene Veranstaltung durch das jeweilige Medium.
Im Fall der „FAZ.“ berichtete der Redakteur Carsten Knop beispielsweise über den Initiativkreis Ruhr. Gleichzeitig war Knop Moderator beim „Gründer-Forum NRW“, bei dem der Initiativkreis Ruhr Partner des „Frankfurter Allgemeine Forums“ war. Zwei Monate davor führte Knop ein großes Interview mit dem Evonik-Chef und Initiativkreis-„Moderator“ Klaus Engel, in dem dieser für den Initiativkreis werben konnte. Knop schrieb auch auf faz.net positiv über die Veranstaltung und den Initiativkreis Ruhr.
Auf Anfrage erklärte Knop, die „implizite Vermutung, die Berichterstattung in der FAZ werde durch eine angebliche Honorierung von Moderationsleistungen beeinflusst“ sei „eine infame Unterstellung und durch nichts zu belegen.“ Die „FAZ“ erklärte: „Das Veranstaltungsgeschäft des FAZ-Verlags hat keinerlei Auswirkungen auf die redaktionelle Unabhängigkeit der Berichterstattung in unseren Medien.“ Ebenso wenig könnten Inhalte gekauft werden, so Sprecherin Franziska Kipper.

Mangelnde Trennung verschiedener Rollen gab es auch bei der „Welt“: Die „Welt“-Gruppe kooperiert beim „Welt-Tourismusgipfel“ bzw. beim „Welt-Gipfelgespräch der Reiseindustrie“ mit dem Travel Industry Club, der in der offiziellen Lobbyistenliste des Deutschen Bundestages geführt wird. Zum „Welt-Tourismusgipfel“ im Jahr 2012 gab es in der „Welt am Sonntag“ ein Interview, das unter anderem von Ernst August Ginten, Wirtschaftsredakteur Axel Springer AG, geführt wurde. Damals waren verschiedene Vertreter der Reisebranche, darunter der im Zuge des ADAC-Skandals später zurückgetretene ADAC-Chef zum „Welt-Tourismusgipfel“ zusammen gekommen. Eine der Fragen des Interviews lautet: „Und was wünscht sich der ADAC?“
Wie Axel Springer mitteilte, nahm Ginten an den bisherigen „Welt-Tourismusgipfeln“ teil. Über das Treffen im Jahr 2012 berichtete Ginten aber auch für das „Welt“-Schwesterblatt „Berliner Morgenpost“ online im Reiseressort. Laut dessen Mitgliederverzeichnis gehörte Ginten zumindest im Juli 2015 selbst dem Travel Industry Club an.
Bei der Unternehmenskommunikation des Axel-Springer-Verlages heißt es, die „Welt“-Redaktion behalte sich vor, „bei publizistischer Veranlassung über das Format zu berichten.“ Dem Konferenzgeschäft lägen „detaillierte Regeln für die vertragliche Gestaltung und Rollenverteilung zu Grunde, um eine klare Trennung zwischen Vermarktung und Redaktion sicherzustellen.“

Auch beim „Handelsblatt“ gab es Berichte, in denen Veranstaltungen des eigenen Hauses als wichtig eingestuft wurden. Das „Handelsblatt“ berichtete über die „12. Handelsblatt Jahrestagung“ in Berlin im September 2015 zum Thema „Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie“. Medienpartner des Events war der Förderkreis Deutsches Heer, in dem Rüstungshersteller wie Heckler & Koch oder Krauss-Maffei Wegmann (KMW) vertreten sind. Fast zeitgleich zu der Konferenz brachte das „Handelsblatt“ drei Stücke, die Werbung für die „Handelsblatt Jahrestagung“ darstellten, darunter ein Interview mit dem KMW-Chef, in dem die „Handelsblatt“-Tagung zur Sprache kam, sowie einen Artikel, in dem der KMW-Chef „die Zersplitterung der europäischen Verteidigungspolitik“ kritisieren und für größere Rüstungsanschaffungen durch den Staat werben durfte.

Redakteure als Akteure bei kommerziellen Konferenzen

In vielen Fällen übernahmen sogar Redaktionsmitglieder Funktionen bei den kommerziellen Konferenzen – eine Aufweichung der Grenze zwischen journalistischer Tätigkeit und kommerziellem Verlagsgeschäft.
Kerstin Jaumann, Sprecherin der Verlagsgruppe Handelsblatt erklärte, alle journalistischen Veranstaltungsformate des „Handelsblatts“ unterlägen denselben Richtlinien wie die gedruckten Produkte. In den Richtlinien zur Wahrung der publizistischen Unabhängigkeit des „Handelsblatts“ heißt es: „Sponsoren haben keinen Einfluss auf Berichterstattung und/oder Fragen des Moderators. Die Redaktion ist frei in Art und Umfang, über die Veranstaltungen der Verlagsgruppe zu berichten.“ Zudem gelte das Prinzip der strikten Trennung von Redaktion und Werbung. Wie das aussehen kann, zeigt die „12. Handelsblatt Jahrestagung Sicherheitspolitik und Verteidigungsindustrie“, bei der der Förderkreis Deutsches Heer Medienpartner war. Hier begrüßte „Handelsblatt“-Chefredakteur Sven Afhüppe die Teilnehmer höchstpersönlich. Wer teilnehmen wollte, musste tief in den Geldbeutel greifen – ein Ticket für die exklusive Veranstaltung kostete 2.149 Euro.

Zu wenig Transparenz

Im Zusammenhang mit ihren Veranstaltungen agieren die Medienhäuser nicht immer transparent. Dies ist zum Beispiel der Fall beim Springer-Verlag, der die Namen seiner Konferenzen, die von Verbänden unterstützt wurden, auch auf Nachfrage geheim hält.
Der Verein „Zukunft Erdgas“ etwa gibt keine öffentliche Auskunft darüber, in welcher Höhe er sich an der Finanzierung einer Zeit-Konferenz beteiligt hat. Im Oktober 2015 fand im Allianz Forum in Berlin die „Zeit Konferenz Erdgas & Klimaschutz“ statt. Die Konferenz mit der „Zeit“ im Namen wurde in Zusammenarbeit mit der Initiative Zukunft Erdgas e. V. ausgerichtet. Dieser formuliert klare Ziele: „Wir sorgen dafür, dass Erdgas präsent ist in den Köpfen der Journalisten, der Verbraucher, der Politiker und der Marktpartner. Dabei setzen wir auf Fakten und auf Menschen, auf Expertise und Emotionen.“ Auf Zeit Online gab es bis mindestens Ende Januar ein als „Anzeige“ gekennzeichnetes Advertorial, das sich von der grafischen Gestaltung an den redaktionellen Teil von Zeit Online anlehnte. In den einzelnen Beiträgen der Anzeige wurde dem fossilen Energieträger Gas das Wort geredet. Dort erfährt man auch: „Erdgas und Klimaschutz ist ein Angebot des Zeitverlags in Zusammenarbeit mit Zukunft Erdgas e. V.“

Publizistischen Marken für „Partner“ eingesetzt

Die Medienhäuser achten genau darauf, wie ihre publizistischen Marken im Event-Business zum Einsatz kommen. Das „Handelsblatt“ bedient sich für Veranstaltungen mit dem Namen „Handelsblatt“ im Titel eines „Exklusiv-Partners, Euroforum“. Ebenso gilt dies für den Zeit-Verlag, der seine „Erdgas-Konferenz“ zur Firma Convent ausgelagert hat.
Die „FAZ“ greift auf ihren Veranstaltungspartner Frankfurter Allgemeine Forum zurück. So kann niemand eine direkte Verbindung zwischen dem Qualitätsmedium und der Rüstungslobby herstellen. „Frankfurter Allgemeine Forum“ kooperierte bei der jährlich stattfindenden Konferenz „Die deutsche Sicherheitspolitik in der öffentlichen Diskussion“ mit dem Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e. V. Im Vorstand des Verbands sitzen Vertreter der Rüstungshersteller Rheinmetall, ThyssenKrupp Marine Systems, Diehl und Krauss-Maffei Wegmann.

Matthias Rath, Professor für Philosophie an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Mitglied des Netzwerks Medienethik, meint, als Geschäftspartner bewegten sich Medienhäuser „unweigerlich in einem Interessenkonflikt mit ihrer journalistischen Arbeit“. Die Funktion der Medien als „beobachtende, berichtende und kommentierende Instanz“ könne nur gelingen, „wenn sie in der Öffentlichkeit, in der Gesellschaft, Vertrauen in ihre Wahrhaftigkeit, Unabhängigkeit und Objektivität genießen. Schon der Anschein, der Verdacht oder die Befürchtung einer Interessenvermischung ist für dieses Vertrauen schädlich“.

Marvin Oppong ist Autor des Arbeitspapiers „Ausverkauf des Journalismus? – Medienverlage und Lobbyorganisationen als Kooperationspartner“ der Otto Brenner Stiftung.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München seinen Abschluss fand. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »

Pokerspiele der Süddeutschen Zeitung

Bei einer Betriebsversammlung des Süddeutschen Verlags am vergangenen Dienstag ruderte Geschäftsführer Dr. Christian Wegner etwas zurück. Er deutete an, dass der Stellenabbau in der Redaktion der Süddeutschen Zeitung (SZ) nicht ganz so dramatisch ausfallen könnte wie bislang befürchtet. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass der Verlag in München für das laufende Jahr mit einem Abbau von 30 Vollzeitstellen plant. Die dju in ver.di kritisiert das Vorhaben scharf.
mehr »

Echte Menschen in Film und Fernsehen

Wie wird Künstliche Intelligenz das Filmgeschäft verändern? Und welche Auswirkungen hat die Technologie auf die Kreativen? Die Erwartungen an KI sind groß, die Befürchtungen aber auch. Denn Algorithmen können mit Hilfe von großen Datenmengen schon heute Stimmen oder Deepfakes erstellen. Auf der Fernseh- und Streaming - Messe MIPTV in Cannes beschäftigte das Thema die internationale Branche.
mehr »

Leipzig: Rechtswidrige Durchsuchung

Ein 19-jähriger Journalist hatte im Juni vergangenen Jahres Fotos einer Antifa-Demonstration im Internet veröffentlicht. Die Staatsanwaltschaft Leipzig durchsuchte daraufhin seine Wohnräume und beschlagnahmte mehrere Datenträger. Seine nachgewiesene journalistische Tätigkeit wurde dabei ignoriert. Das Landgericht Leipzig bezeichnet das Vorgehen nun als rechtswidrig.
mehr »