Konferenz der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin versammelte internationale Experten für Friedensjournalismus
„Medien im Konflikt – Mittäter oder Mediatoren?“ – unter diesem Titel untersuchte eine Internationale Konferenz (am 11. Mai) in Berlin die Herausforderungen und Gefahren medialer Krisenberichterstattung. Veranstalter war die Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit der Fachstelle Eine Welt Medien vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik und der Deutschen UNESCO-Kommission.
Die kranke Renate Wallert, gestützt von ihrem Mann, leidend, in Tränen aufgelöst. Seit Wochen flimmern derzeit diese Bilder über sämtliche Kanäle in deutsche Wohnstuben. Das Geiseldrama auf den Philippinen markiert abermals eine Grenzüberschreitung im Mediengeschäft. Selten zuvor waren die Fernsehzuschauer so hautnah bei einer Entführung dabei, konnten die Eskalation eines mit Waffengewalt ausgetragenen Konflikts fast live miterleben.
Wenn die Medien Bilder wie die vom philippinischen Geiseldrama übertragen, was tun sie dann? Erfüllen Sie damit ihren Informationsauftrag? Oder bedienen Sie eher voyeuristische Interessen? Für den freien Journalisten Martin Zint von „Reporter ohne Grenzen“ spielen die Medien in diesem konkreten Konflikt eine positive, potenziell schutzspendende Rolle. Die philippinische Fernsehjournalistin, die als erste zu den Geiseln durchgedrungen und mit den ersten Bilder des Geiseldramas zurückgekehrt sei, habe dadurch den Konflikt „in beispielloser Weise“ öffentlich gemacht. Denn, so Zint: „Im normalen Fall ist die Kommunikation in einer solchen Situation völlig unterbrochen.“ Hier aber hätten die Medien die positive Rolle eines „facilitators“ spielen können, einer Instanz, die Wege gehen könne, die anderen Akteuren des Konflikts versperrt blieben.
Mittäter oder Vermittler? – welche Rolle die Medien im jeweiligen Konflikt einnehmen, hängt für Zint letztendlich auch von der Freiheit ab, mit der Journalisten ihrem Job nachgehen können. Wo Quoten- und Auflagendruck das journalistische Handeln bestimmten, werde gesellschaftlich verantwortliches Handeln leicht von der Jagd nach möglichst spektakulären Bildern und Stories ins Abseits gedrängt.
Journalisten Teil der Auseinandersetzung
In Zeiten gesellschaftlicher Konfrontation, so eine These der Tagungsveranstalter, laufen Journalisten und Journalistinnen mehr denn je Gefahr, selbst zum Teil der Auseinandersetzung zu werden: durch die Art und Weise, wie sie Informationen auswählen und bewerten. Ein besonders krasses Beispiel ereignete sich jüngst im Tschetschenien-Krieg, als der Russland-Korrespondent des deutschen Nachrichtensenders N 24 manipulativer Berichterstattung überführt wurde. Der Reporter hatte die fixe Idee, das Gewissen der Weltöffentlichkeit aufzurütteln und Russlands Regierung durch seinen Beitrag unter Druck zu setzen. Subjektiv gut gemeint, aber gleichwohl ein professionelles Missverständnis. Der Fall Tschetschenien belegt aber auch: Krisen- und Kriegsjournalismus sind extrem konjunkturabhängig. Die langjährige WDR-Auslandskorrespondentin Sonia Mikich, derzeit Studioleiterin in Paris, weiß davon ein Lied zu singen (vgl. ihren Beitrag in dieser Ausgabe Seite 10).
Tschetschenien, so ihre Erfahrung, war eine Zeitlang für Schlagzeilen gut. Aber die Halbwertzeit öffentlicher Betroffenheit ist von kurzer Dauer. Mikich: „Jetzt kann man schon fast sagen: Wenn eine Magazinsendung des Fernsehens mehrere Beiträge aus dem Ausland hat und dann kommt etwas über Tschetschenien oder Kosovo, können Sie’s in den Minutenschritten ablesen, dass die Zuschauer abschalten. Es ist nicht mehr Mode.“
In der Regel bedarf es keines missionarischen Eifers wie im Fall des Tschetschenien-Reporters, um die Berichterstattung in blutigen Auseinandersetzungen einer klaren Tendenz zu unterwerfen. Selten sind Journalisten bewusste Fälscher. Aber häufig lassen sie sich als Vermittler von Falschinformationen vor den Karren einer Konfliktpartei spannen. Nach dem Golf-Krieg war unter Journalisten erstmals eine kritische Diskussion um die Kriegsberichterstattung entbrannt. Eine Debatte, die sich nicht auf Kritik an der Informationspolitik der Militärs beschränkte. Auch die Rolle der eigenen Berufsgruppe konnte nicht außen vor bleiben. Zu unkritisch waren die Verlautbarungen der „spin doctors“ von Pentagon und NATO über den vermeintlich „unblutigen Krieg“ teilweise ins Blatt oder in die Sender gerückt worden.
Der Kosovo-Krieg, so die deprimierende Erkenntnis, hat haufenweise Belege dafür geliefert, dass aus den damaligen Erfahrungen kaum gelernt wurde. Jake Lynch, Korrespondent des britischen Fernsehsenders Sky News, analysierte die Manipulationsstrategien, mit denen die NATO aus Brüssel die Medienberichterstattung (und -erstatter) in ihr genehme Bahnen lenkte. Das reichte von der gezielten Lancierung von „Informationen“ über serbische Gräueltaten, die den Vorwand für die spätere „Luftkampagne“ liefern sollten bis hin zur Durchsetzung einer Communiqué-Sprache, die Distanz vortäuschte („Wie aus NATO-Kreisen zu erfahren war…“), tatsächlich aber auf eine weitgehende Identifikation mit den Positionen einer Kriegspartei hinauslief. Lynch, der den Krieg vom Standort Brüssel aus kommentiert hatte, kam zu dem Schluss: „Es gibt in den Info-Zentralen der Macht Strategen, die sich Schritte ausdenken, die exakt unsere möglichen Reaktionen einkalkulieren.“
Die daraus resultierende „Krise der Berichterstattung“, so der Brite, lässt sich nur mit allergrößter Distanz zu den Absendern vergifteter Botschaften bewältigen. Erforderlich sei, „dem Publikum die Entstehungsbedingungen der Nachrichten klarzumachen, die jeweiligen Quellen zu hinterfragen“.
Friedensjournalismus
Ein Journalismus, der friedensstiftend statt konfliktanheizend wirkt – wie könnte der demgegenüber aussehen? Annabel McGoldrick vom britischen Conflict & Peace Forum versuchte sich an einer Definition. „Friedensjournalismus“, so definiert sie, „ist die Berichterstattung aus einer Perspektive, die gewaltlose Lösungen als möglich ansieht“. Ein Journalismus, der eine Sprache verwendet, „die Verständnis für die Leiden beider Konfliktparteien weckt, die Menschen beschreibt, wie sie sich selbst sehen“. Der zugleich einen Beitrag zum Verständnis für die sozialen und politischen Ursachen von Gewalt und Konflikten leistet.
Der westliche Journalismus versagt aber häufig gerade dort, wo ihm aufgrund der spezifischen Nachrichtenlage eine besonders hohe Verantwortung zukommt. Denn: „In Gesellschaften, in denen kein offener Dialog möglich ist, definieren die Journalisten den Charakter sozialer Konflikte“, sagte Hannes Siebert vom Peace Media Centre in Kapstadt. Viel zu oft begnügen sich Journalisten bei der Krisenberichterstattung aus Unkenntnis, Bequemlichkeit oder gar politischem Kalkül mit der Reproduktion von ethnischen oder religiösen Klischees: Da werden komplexe soziale Prozesse auf „Stammeskämpfe“ in Ruanda oder „Religionskriege“ in Nordirland reduziert. Da wird auch die häufig vorhandene „Mittäterschaft der reichen Nationen“ bei vielen Konflikten in der „Dritten“ Welt ignoriert oder schamhaft verschwiegen. Zuweile scheine, so bemerkte Hugh Lewin vom Institute of the Advancement of Journalism in Südafrika, unverhohlener Rassismus durch. Etwa wenn zwei getöteten weißen Farmern aus Simbabwe wesentlich mehr Medienresonanz und Aufmerksamkeit gewidmet werde als der ungleich größeren Anzahl getöteter Schwarzer am gleichen Schauplatz. Auch die Geiselnahme an rund 500 Blauhelmen in Sierra Leone habe die Medien nicht sonderlich interessiert. „Ob es daran lag, dass keine Weißen betroffen waren?“
Ein Paradigmenwechsel bei der Berichterstattung tut not, dies die allgemeine Forderung der am Peace-Journalism orientierten Konferenzteilnehmer. Der vielfach zitierte Friedensforscher Johan Galtung hat in seiner Gegenüberstellung von „Friedens-Journalismus“ und „Hass-Journalismus“ entsprechende Kriterien entwickelt. Ersterer müsste ein Journalismus sein, der allen Konfliktparteien eine Stimme gibt. Der proaktiv, also voraushandelnd berichterstattet und nicht erst reagiert, wenn die Bomben bereits fallen. Der nach dem Ende der Gewalthandlungen nicht gleich zum nächsten Kriegsschauplatz eilt, sondern sich auch um die nachrichtlich weniger spektakuläre Umsetzung von Friedensplänen kümmert (M 11/97).
Problematisch bleiben dagegen Versuche der Medien, selbst als Vermittler in Konflikten aufzutreten. Das zeigt der Fall der Geiselnahme von Gladbeck. Aus dem tragischen Finale der Entführung war seinerzeit der brancheninterne Konsens entstanden, dass es Interviews mit den Entführern während der Tat grundsätzlich nicht geben dürfe. Die Bilder von den Philippinen stellen diesen Konsens in Frage, obgleich sie nicht live und ungefiltert gesendet werden.*