Aus der drei Jahre alten Initiative „Journalismus macht Schule“ ist ein Verein geworden, „zur Förderung von Informations- und Nachrichtenkompetenz“ mit Jörg Sadrozinski als Vorsitzendem. Nach mehreren Online-Konferenzen gab es nun am 1./2. April das seit zwei Jahren wegen Corona verschobene Treffen in Berlin. Auch in diesem Jahr sind wieder Kontakte von Journalist*innen mit Schulen rund um den Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai geplant, noch immer online.
Die Veranstaltung, bei der die Stiftung Deutsche Telekom mit ihrem Vorsitzenden Thomas de Maizière als Gastgeber fungierte, versammelte Interessierte aus Journalismus, Wissenschaft, Landesmedienanstalten und Bildungseinrichtungen, die an der Vermittlung von Medienkompetenz arbeiten. Während „Journalismus macht Schule“ (JmS) dabei vorwiegend die Schülerinnen und Schüler sowie die Lehramtsstudierenden ins Auge fasst, wurde in den verschiedenen Diskussionen immer wieder darauf hingewiesen, dass man versuchen sollte, auch die Eltern, die Senioren, kurz gesagt, die ganze Gesellschaft zu erreichen, denn „die meisten gehen ja nicht in die Schule“, so de Maizière.
Schulfach fordern? Oder einfach machen?
Die Bemühungen, Nachrichtenkompetenz und Einsicht in die Arbeitsweise im Journalismus in Schulklassen zu vermitteln, haben nicht erst mit der Initiative „Journalismus macht Schule“ begonnen, räumte der Mit-Organisator des Kongresses Kuno Haberbusch ein. Seit vielen Jahren gibt es die Verlegerinitiative „Zeitung in der Schule“. Es gibt Angebote wie den „Fakefinder School“ vom SWR, „Reporter4You“ mit Video-Tutorials, „UseTheNews“ von dpa, die Mobile Medienakademie (MobAk) der Jugendpresse, das „Qapito“-Programm der Telekom zur Quellenkritik oder das Lehrkräfte-Programm „Weitklick“, um nur wenige zu nennen. Als JmS wolle man niemand etwas wegnehmen, aber die verschiedenen Angebote gerne koordinieren, betonte Haberbusch. Der Kongress bot daher vielen dieser Initiativen die Möglichkeit, sich vorzustellen.
Bei den vergangenen Konferenzen wurde immer wieder diskutiert, Medienkompetenz zu einem eigenen Schulfach zu entwickeln. Dabei hatte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands Heinz-Peter Meidinger schon im vergangenen Sommer darauf hingewiesen, dass dies einen konkreten Einsatz bei allen 16 Kultusministerien und der Kultusministerkonferenz bedeute. Der Hamburger Senator für Kultur und Medien, Carsten Brosda, erklärte dazu trocken: „Wenn Sie nicht wollen, dass etwas passiert, dann fordern Sie ein eigenes Schulfach.“ Er empfahl, die Medien- und Informationskompetenz in allen Fächern „einfach zu machen“. Brosda hatte 2013 einen „Medienpass“ für Schüler*innen in Hamburg entwickelt. Die Kultusministerkonferenz habe die Vermittlung von „Nachrichtenkompetenz“ für Schüler*innen 2016 als Ziel festgeschrieben, erklärte Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst. Das Problem sei jedoch immer die Umsetzung im Schulalltag und das Engagement der einzelnen Lehrkräfte und Schulleiter*innen, betonte Kerstin Schröter, Journalistin, Lehrerin und zweite Vorsitzende des Vereins „Journalismus macht Schule“.
Ist es also „Glückssache“, wie es der Bildungsjournalist Armin Himmelrath etwas ratlos fragte, wenn Jugendliche eine Vermittlung von Nachrichtenkompetenz in ihrer Schulzeit erleben? Es seien immer dieselben Schulen, die mitmachten, ob nun bei „Jugend forscht“, „Journalismus macht Schule“ oder anderen Förderprogrammen, hat Bildungsministerin Ernst beobachtet. Und es sind überwiegend die Gymnasien, die sich beteiligen, so die allgemeine Erfahrung. Schulen würden mit der Bildung zur Demokratie überfordert und auch ressourcenmäßig alleingelassen, kam der Vorwurf von Lehrerseite. Außerdem seien viele Lehrkräfte in den vergangenen Jahren als „Seiteneinsteiger*innen“ ohne die reguläre Ausbildung in den Schuldienst gekommen.
Medienmächtig, aber nicht medienmündig?
Eigentlich böte die Gegenwart mit dem Krieg in der Ukraine genug anschauliche Beispiele für eine Diskussion um Information und Desinformation, meinte Georg Mascolo: „Der Krieg und die Lüge waren immer schon Zwillinge.“ Für den Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen sind die „asymmetrischen Kriege um die Wahrheit“ ein weiterer Grund um „von der digitalen Gesellschaft von heute zur redaktionellen Gesellschaft von morgen“ zu kommen, „da wir inzwischen alle medienmächtig, aber nicht medienmündig sind“. Journalismus müsse transparenter und dialogorientierter werden und dabei nicht nur als Beruf, sondern als „Kulturtechnik“ verstanden werden.
Viele der vorgeführten Tutorials bezogen sich auf die Berichterstattung der vergangenen Wochen seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine. Allerdings beziehen viele Jugendliche ihre Informationen über immer neu entstehende Kanäle, zurzeit ist „TikTok“ angesagt. Da haben Lehrer*innen, Journalist*innen und oft auch schon Studierende wenig eigene Erfahrung. Katharina Swinka, Generalsekretärin der Bundesschülerkonferenz und gerade im Abitur in Potsdam, meinte, „TikTok“ sei vor allem bei den jüngeren Schüler*innen präsent: „Da gibt es auch Seriöses, aber das muss man erst mal finden.“ Die Tagesschau beispielsweise ist auch auf TikTok unterwegs.
Volker Lilienthal, Professor in Hamburg und Organisator für „Journalismus macht Schule“ in Hamburg und Schleswig-Holstein, hat mit seinen Studierenden eine erste empirische Untersuchung des Projekts erarbeitet. Durch anonyme Fragebogen für Schüler*innen, Lehrer*innen und Journalist*innen sowie vertiefende Gespräche kommt er zu dem Schluss, dass die rund 120 Klassenbesuche und -kontakte dort ein erfolgreicher Baustein für mehr Medienkompetenz seien. In der Schule sei es „eine willkommene Abwechslung“. Viele Lehrer*innen wünschten, den Kontakt zu halten und die Besuche zu wiederholen. Basis des Erfolgs und der gegenseitigen Zufriedenheit sei eine möglichst konkrete Absprache, was gewünscht oder geplant sei und wie die Vorbereitung in den Klassen aussieht.