ver.di-Gremientagung diskutierte über Transparenz und Mitbestimmung im Rundfunk
Immer wieder steht der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Kritik, vor allem, wenn es um die Finanzierung geht. Wie transparent ist der Umgang mit dem von den Bürgerinnen und Bürgern gezahlten Beitrag? Wer kann auf welche Weise mitbestimmen, was über den Schirm flimmert, und wo können die Beitragszahler darüber etwas erfahren? Diese und andere Fragen der Transparenz und Mitbestimmung bei ARD und ZDF, die entscheidend Einfluss auf die Qualität der Programme haben können, standen im Fokus der diesjährigen ver.di-Gremienkonferenz beim NDR in Hamburg.
Mit dem Rundfunkbeitrag habe der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein Privileg gegenüber den Privaten und zugleich eine Verpflichtung, auch öffentlich darzustellen, wie er seinen Programmauftrag erfülle und wie die vorhandenen Mittel verwendet werden, sagte Uwe Grund, Vorsitzender der ARD-Gremienvorsitzendenkonferenz (GVK). Deshalb informiere die ARD im Netz über ihre Programme, über ihre Ziele und Grundsätze sowie ihre journalistische Kompetenz. In Sozialen Netzwerken beispielsweise werde die direkte Kommunikation mit Zuschauern, etwa zum „Tatort”, gesucht – mit hoher Beteiligung. Auf der Website der ARD wird detailliert aufgelistet, wofür der Rundfunkbeitrag konkret ausgegeben werde. Bisher einmalig: Der Bayerische Rundfunk veröffentlicht einen Qualitätsbericht im Internet.
Einige Rundfunkräte haben inzwischen eigene Websites, so beim Hessischen Rundfunk und beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Auf der Website des NDR wird beispielsweise der Rundfunkrat mit einem originellen Erklärvideo dargestellt. Zunehmend finden Sitzungen von Rundfunkräten öffentlich statt. Jedoch längst noch nicht bei allen Sendern, räumt Grund ein. Weitere Maßnahmen für mehr Transparenz: Der WDR listet die Nebentätigkeiten seiner Räte auf seiner Website auf. Der ZDF-Fernsehrat (7) lädt nach seinen Sitzungen zu Pressekonferenzen ein. Abschließend verwies Grund auf einen Beschluss der GVK über „Mindeststandards für mehr Transparenz der Gremienarbeit” (PDF). Grund konstatierte durchaus noch Schwächen in der Gremienarbeit. Er plädierte für „mehr Mut bei der Repräsentation der Gremien und der Öffentlichkeitsarbeit. Wir müssen stärker aus der Defensive herauskommen und stärker in die Offensive gehen.”
„Kein Gremium kommt um das Thema Transparenz herum”, sagte Sabine Nehls vom DGB-Bundesvorstand. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk stehe häufig in der Kritik, werde als „Geldverschwender” beschimpft. Dem könne nur mit Transparenz entgegengewirkt werden. Die Vertreter in den Rundfunkräten säßen zudem dort nicht für die entsendende Organisation, sondern als „Sachverwalter der Interessen der Allgemeinheit. Sie repräsentieren die Zivilgesellschaft”, betonte Nehls. Deshalb täten die Gremien gut daran, über die vom Bundesverfassungsgericht formulierten Mindestanforderungen in Sachen Transparenz hinaus zu gehen. Das Gericht legte in seinem Urteil zur Normenkontrolle des ZDF-Staatsvertrages im Frühjahr dieses Jahres fest, dass mindestens die Zusammensetzung und die Tagesordnungen der Rundfunkräte ohne weiteres auffindbar sein müssen. Es gelte jedoch darüber hinaus, eine „kommunikative Transparenz” herzustellen, befand Nehls. Gemeint sei nicht nur das Veröffentlichen von Informationen, sondern der Dialog mit den Beitragszahlern. So sollten die Räte umfassender darstellen, wer sie sind und was sie machen. Ziel müsse sein, mit den Zuschauerinnen und Zuhörern ins Gespräch zu kommen und gemeinsam eine wirksame Diskussionskultur zu entwickeln.
Neuer ZDF-Staatsvertrag auf dem Weg.
Über den Stand der Beratungen zum neuen ZDF-Staatsvertrag berichtete in Hamburg Marc Jan Eumann, Staatssekretär bei der NRW-Ministerin für Bundesangelegenheiten, Europa und Medien sowie Vorsitzender der Medienkommission beim SPD-Parteivorstand. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil Anfang des Jahres klargestellt, dass die Zusammensetzung der ZDF-Gremien nicht mit Artikel 5 des Grundgesetzes in Einklang stehe. Im Mittelpunkt stehe das Gebot der Staatsferne. Das Gericht hat sich zwar dafür ausgesprochen, dass der Fernsehrat nicht staatsfrei sein müsse, jedoch sei die staatliche Beteiligung auf maximal ein Drittel zu beschränken. Bis Mitte 2015 muss ein neuer Staatsvertrag in Kraft treten, wobei das Gericht einen weiten Spielraum für die Ausgestaltung des neuen Vertrages zulasse, betonte Eumann.
Einigkeit herrsche in der Länderkommission darüber, dass der ZDF-Fernsehrat von 77 Mitgliedern auf 60 und der Verwaltungsrat von 14 auf 12 reduziert werden sollten. Kein leichtes Unterfangen, da das ZDF von 16 Ländern getragen wird und jedes davon einen Vertreter im Fernsehrat sehen möchte, erklärte der Staatssekretär. Die kommunale Familie und der Bund müssten sich dann mit insgesamt vier Plätzen begnügen. Für die 40 weiteren Mitglieder des Fernsehrates gebe es die Überlegung, bestimmte gesellschaftliche Körbe zu identifizieren, zum Beispiel für Kinder und Jugendliche, die Netzgemeinde oder für sexuelle Orientierung. Darin sollten sich Organisationen zusammenfinden, die sich verständigen, wen sie in den Rat senden. Auch auf diese Weise könnte es gelingen, dass Gruppen, die bisher gar nicht auftauchen, zum Beispiel Muslime, künftig in dem Gremium mitwirken können. Gleichfalls wolle man versuchen, künftig eine „Berlin-Lastigkeit” zu vermeiden, die dadurch entstehe, dass viele Verbände und Institutionen ihren Sitz in Berlin hätten. Um der sogenannten Versteinerung entgegenzuwirken, werde auch diskutiert, die Amtsperioden auf drei zu begrenzen. Die Transparenz der ZDF-Gremienarbeit solle unter anderem gewährleistet werden, indem die Sitzungen des Fernsehrates öffentlich abgehalten würden sowie Protokolle und Anwesenheitslisten für jedermann einsehbar seien.
Sitz und Stimme für Arbeitnehmer in Rundfunkgremien.
Die konkreten Erfahrungen mit der Mitbestimmung in den öffentlich-rechtlichen Sendern und die Forderungen der Personalräte standen am zweiten Tag im Mittelpunkt der medienpolitischen ver.di-Tagung. Lutz Marmor, NDR-Intendant und ARD-Vorsitzender, sah den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in einem Spannungsfeld zwischen dem Anspruch, das bestmögliche Programm zu machen und gleichzeitig ein guter Arbeitgeber zu sein. Das müsse immer wieder austariert werden, so Marmor, auch angesichts des notwendigen Sparkurses der Sendeanstalten. „Der NDR ist sein Geld wert”, sagte der Intendant. Das habe die jüngste Umfrage unter Zuschauern und Zuhörerinnen belegt, bei der zwei Drittel den NDR positiv bewerteten. Am schwächsten war die Zustimmung bei der jungen Generation. „Da müssen wir mehr machen” und deshalb auch alle Kräfte anspannen, um den neuen Jugendkanal im Netz zu etablieren.
In seinem Impulsvortrag zur Mitbestimmung in Unternehmen wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellte Dr. Norbert Kluge von der Hans-Böckler-Stiftung drei Thesen auf. 1. „Mitbestimmung ist ein auf Rechte aufgebautes Gestaltungsprinzip.” Jede Beschneidung auch durch den Tendenzschutz sei nicht angemessen. 2. „Gute Arbeit ist auch immer mitbestimmte Arbeit.” Deshalb müssten alle Arbeitnehmer – Feste wie Freie – einbezogen werden. 3. Gute Unternehmensführung sorge für ein mitbestimmtes Unternehmen. Danach gehörten gewählte Arbeitnehmervertreter in die Verwaltungs- und Aufsichtsräte – auch freie Mitarbeiter. Dr. Werner Hahn, NDR-Justitiar und Vorsitzender der Juristischen Kommission der ARD, zeigte sich in seiner Replik einverstanden mit diesen Thesen, wenn dabei zwischen der Mitbestimmung im engeren Sinn und der Mitwirkung unterschieden werde. Er verwies darauf, dass im gesellschaftlichen Alltag die Personalvertretungsgesetze gelten. Danach seien auch in öffentlich-rechtlichen Sendern Personalräte in den Verwaltungsräten vertreten, werden angehört, sind jedoch nicht stimmberechtigt. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem ZDF-Urteil nichts dazu gesagt. Hahn schlussfolgerte: Eine Veränderung sei „verfassungsrechtlich nicht geboten”.
Diesem Input schloss sich eine rege Diskussion der Personalräte an. Sie zeichneten ein unterschiedliches Bild aus den einzelnen Sendern. So haben die Arbeitnehmervertreter im WDR-Verwaltungsrat zwei der neun Sitze mit Stimmrecht. Die stellvertretende Personalratsvorsitzende Christiane Seitz, selbst Mitglied im Verwaltungsrat, ist davon überzeugt: „Arbeitnehmer haben das Recht und die Pflicht, in den Aufsichtsräten dabei zu sein.” Beim NDR sei die Crux, so die Vorsitzende des Gesamtpersonalrates Sabine von Berlepsch, dass die Vier-Länder-Anstalt dem Bundespersonalvertretungsgesetz unterliege, worin kein Stimmrecht im Verwaltungsrat vorgesehen sei. Personalräte haben aber drei Sitze in dem Kontrollgremium und nehmen ebenso an den Rundfunkratssitzungen teil. Für Berlepsch ebenfalls ein Muss, um sich zu informieren und gleichfalls zu beraten, mitzudiskutieren.
Auch beim Hessischen Rundfunk werden zwei der neun Sitze im Verwaltungsrat von Personalräten besetzt, berichtete die stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende und Personalrätin Doris Piel. Sie werden wie bei Radio Bremen (drei von neun Sitzen) per „Urwahl” von den Beschäftigten gewählt und sind zudem Mitglied im Wirtschaftsausschuss des Senders. Als „Gewohnheitsrecht” im HR bezeichnet Piel die Teilnahme der Personalratsvorsitzenden an den Sitzungen des Rundfunkrates. Im ZDF sind Personalräte ebenfalls im Verwaltungsrat vertreten, ohne Stimmrecht. Auch im Fernsehrat werden sie gehört, können an den Beratungen teilnehmen, so Andreas Bohne, Vorsitzender des ver.di-Senderverbandes. Gaby Schuylenburg, Personalratsvorsitzende von Radio Bremen, sprach sich für das aktive und passive Wahlrecht aller Arbeitnehmer – also auch der Freien – für die Gremien aus. Entsprechend müsse auch ver.di auf die Veränderungen der Personalvertretungsgesetze dringen.
Das sah auch Frank Werneke so. Er verwies in seinem kurzen Schlusswort auf einen vorliegenden Beschluss des ver.di- Bundesvorstandes mit der Forderung, das passive und aktive Wahlrecht für alle Arbeitnehmer im Bundespersonalvertretungsgesetz zu fixieren. Allerdings, betonte Werneke, gehe das nur über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk hinaus gemeinsam mit allen gesellschaftlichen Betroffenen-Gruppen.