Mehr Zeit anstatt mehr Geld

Umfrage im NDR brachte überraschendes Ergebnis

Der ver.di-Betriebsverband NDR hat eine Umfrage durchgeführt: Mehr als 69 Prozent haben sich dafür ausgesprochen, in der kommenden Gehaltstarifrunde für eine Verkürzung der Arbeitszeiten anstatt für mehr Geld zu streiten.

Da in der heutigen Zeit, in der die Gewerkschaften „mit dem Rücken zur Wand stehen“, eine Arbeitszeitverkürzung mit vollem Lohnausgleich undurchsetzbar ist, andererseits den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aber nicht in die Tasche gegriffen werden soll, bleibt nur der „milde Weg“ der Finanzierung der Arbeitszeitverkürzung durch den Verzicht auf Gehaltszuwächse.

Heftige Auseinandersetzung

Der Verteilungsspielraum in künftigen Gehaltstarifauseinandersetzungen soll nicht mehr der Steigerung der Löhne und Gehälter dienen, sondern zur Finanzierung der Arbeitszeitverkürzung zur Verfügung stehen. Diese Überlegung hatte im erweiterten Vorstand des ver.di-Betriebsverbandes NDR zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen den Vertretern des „tradierten Weges“ (Forderung nach Gehaltserhöhung) und den Vertretern des neuen Kurses (Zeit statt Geld) geführt (M 6 – 7 / 2005). Eine Einigkeit konnte nicht erzielt werden, aber es wurde beschlossen, die Meinung der Kolleginnen und Kollegen zu diesem Thema einzuholen.

Gefragt wurde:
a. Wird die ver.di-Überlegung (Zeit statt Geld) uneingeschränkt unterstützt? oder
b. Wird von der ver.di-Überlegung überhaupt nichts gehalten. oder
c. Welche alternativen Vorstellungen gibt es?

Etwas mehr als 69 % aller Befragten votierten für a, etwas weniger als 26 % votierten für b und knapp über 5 % entwickelten alternative Vorstellungen.

Interessant ist auch ein signifikanter Unterschied zwischen der Meinung derer, die ankreuzten ver.di-Mitglieder zu sein und denen, die ankreuzten keine ver.di-Mitglieder zu sein. Von den ver.di-Mitgliedern votierten lediglich 63 % für a, knapp 28,5 % für b und nicht ganz 8,5 % für c. Von den Nicht-Mitgliedern votierten dagegen knapp 75 % für a, etwas mehr als 23,5 % für b und etwa 1,5 % für c.

Über 12 Prozent der fest oder befristet angestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den befragten Betriebsteilen haben sich beteiligt, darüber hinaus noch viele freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Durchgeführt wurde die Befragung bisher in den beiden Betriebsteilen in Hamburg und im Landesfunkhaus Schwerin. Aufgrund der Urlaubszeit fand noch keine Aktion im Landesfunkhaus Hannover, im Landesfunkhaus Kiel und bei den Senderverbänden statt.

Hohes Maß an Solidarität

Insgesamt sieht der Vorstand des verdi-Betriebsverbandes NDR das Ergebnis als Beleg für ein hohes Maß an Solidarität unter den Befragten. Es zeige darüber hinaus, dass sich viele Beteiligte ein mindestens ebenso hohes Maß an selbständigem Denken und Urteilsvermögen bewahrt haben; trotz der massiven Beeinflussung durch die Medien, in denen sogenannte „Sachverständige“ oder „Wirtschaftsweise“ oder aber Politiker den Unsinn von der Arbeitszeitverlängerung zur Schaffung neuer Arbeitsplätze verbreiten. „Nicht zuletzt ist das Ergebnis ein ganz gewichtiges Mandat zur konsequenten Fortsetzung und möglichst auch Umsetzung aller „Zeit statt Geld“-Forderungen, insbesondere in der kommenden Gehaltstarifrunde.“

 

Weitere aktuelle Beiträge

Gleichstellungsbeauftragte im ÖRR stärken

Das Bekenntnis zur Gleichstellung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zeigt sich unter anderem im Vorhandensein von Gleichstellungsbeauftragten. Grundlage ist die jeweils entsprechende gesetzliche Regelung der Bundesländer, in denen die Sender angesiedelt sind. Gleichstellungsbeauftragte sollen nach dem Bundesgleichstellungsgesetz (BGleiG), die Beschäftigten vor Benachteiligungen aufgrund ihres Geschlechtes zu schützen und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz durchzusetzen.
mehr »

Safer reporting: Schutzkodex auf der re:publica

Das gesellschaftliche Klima ist eines der ganz großen Themen auf der diesjährigen Digitalmesse re:publica in Berlin. Auch Journalist*innen sind zunehmend Hass und Bedrohungen ausgesetzt – bei der Recherche, auf Demos oder in sozialen Medien. Das gefährdet nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Pressefreiheit insgesamt.  Dagegen hilft der Schutzkodex.
mehr »

„Das Arbeitsklima ist extrem hart“

In der Nahaufnahme für das Jahr 2025 beschäftigt sich Reporter ohne Grenzen (RSF) unter anderem mit der deutschen Berichterstattung zum Gaza-Krieg nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Von der Organisation befragte Journalist*innen sprechen über massiven Druck, Selbstzensur und erodierende journalistische Standards. Ein Interview mit Katharina Weiß, Referentin bei Reporter ohne Grenzen Deutschland.
mehr »

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »