„Missbrauchte Form“

Nachdem Olaf Scholz auf dem SPD-Parteitag sogar in die Fragen des taz-Korrespondenten Jens König hineinredigiert hatte, machten am 28. November die wichtigsten Tageszeitungen der Republik diese Unsitte mit einem Aktionstag öffentlich. Im „Tagesspiegel“ warnte Stephan-Andreas Casdorff vor einer derartigen Grenzüberschreitung, für Michael Hanfeld von der „FAZ“ sind Interviews inzwischen die „missbrauchte Form des Journalismus“. In der „Financial Times Deutschland“ offenbarte Peter Ehrlich, dass das gesprochene Wort nicht mehr gelte, und Hans Leyendecker schrieb in der „Süddeutschen Zeitung“: „In Deutschland regiert die Kontrollwut.“

Nun machen die Pressesprecher mobil. Der im Oktober gegründete Bundesverband deutscher Pressesprecher lud am 2. Februar in die Opel-Repräsentanz, um über die „Autorisierungsdebatte kontrovers“ diskutieren zu lassen. Auf dem Podium saßen Bascha Mika von der „taz“ und Klaus Schrotthofer, Sprecher des Bundespräsidenten.

Bascha Mika, die den Aktionstag initiiert hatte, gab rasch zu, dass auch sie ihre Interviews überarbeite, und so einigten sich die beiden Seiten darauf, es bestehe Waffengleichheit. Zeitungen könnten ein verfälschtes Gespräch jederzeit aus dem Blatt nehmen.

Auch der Pressesprecher-Verband vertrat seine Meinung per Positionspapier in acht Punkten. Unter Punkt 1 vermerkte der Gastgeber: „Die von führenden Tageszeitungen angestoßene Autorisierungsdebatte über die Freigabe von Interviews ist überflüssig.“ Das letzte Wort müsse immer das eigene sein.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Dreyeckland-Journalist wegen Link angeklagt

Am 18. April beginnt der Prozess gegen den Journalisten Fabian Kienert. Dem Mitarbeiter von Radio Dreyeckland in Freiburg wird die Unterstützung einer verbotenen Vereinigung vorgeworfen, weil er das Archiv eines Onlineportals in einem Artikel verlinkt hat. Das Portal mit Open-Posting-Prinzip war von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) 2017 als kriminelle Vereinigung verboten worden.
mehr »

Die Verantwortung der Redaktionen

Auf die mentale Gesundheit zu achten, ist keine individuelle Aufgabe. Auch Arbeitgeber*innen können und sollten etwas für psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter*innen tun. Wie funktioniert das in einer Branche, die so geprägt ist von Zeit und Leistungsdruck und belastenden Inhalten wie der Journalismus? Wir haben uns in zwei Redaktionen umgehört, die sich dazu Gedanken gemacht haben: das Magazin Neue Narrative und der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag (SHZ).
mehr »

Gewalterfahrung im Lokaljournalismus

In Deutschland hat sich die Zahl der gewalttätigen Übergriffe auf Journalist*innen deutlich erhöht. Viele der Übergriffe finden am Rande von Demonstrationen statt. Der Thüringer Journalist Fabian Klaus recherchiert zu Rechtsextremismus und wird deshalb bedroht. Mit M sprach er über zunehmende Bedrohungslagen im Lokaljournalismus und die Unterstützung aus den Redaktionen.
mehr »

Media Hub Riga: Ein sicherer Ort

Wer den Media Hub Riga besuchen will, bekommt vorab von Leiterin Sabīne Sīle die Anweisung, die Adresse nicht weiterzugeben und keine Fotos zu machen, die seine Lage preisgeben. Drinnen wartet die alltägliche Atmosphäre eines Büros. Der Media Hub wirkt wie ein gewöhnlicher Co Working-Space – nur freundlicher. An den Wänden hängen Fotos von lächelnden Menschen am Strand, eine Girlande aus Orangenscheiben schmückt den Flur. Luftballons, auf denen „Happy Birthday“ steht, zeugen von einer Geburtstagsparty.
mehr »