Miteinander aktiv

Vor und nach den Wahlen: Erfolgreiche Betriebsratsarbeit in Rostock und Halle

Wer an seinem Arbeitsplatz mitreden, mitgestalten und mitbestimmen möchte, sollte zur Betriebsratswahl gehen. Von März bis Mai, wird derzeit – wie alle vier Jahre – gewählt. Selbst Kandidatin oder Kandidat sein, ist die eine Möglichkeit, darüber hinaus mit entscheiden, in wessen Hände die Vertretung der Beschäftigten-Interessen gelegt wird, die andere. Aufgaben und Probleme gibt es zu Hauf. In der Ostsee-Zeitung und im Haller Kreisblatt sind tatkräftige Betriebsräte (BR) unterwegs, um sie zu lösen.

Betriebsratswahl

„Das Meiste bewirken können wir, wenn wir alles gemeinsam stemmen”, sagt Robert Haberer, Betriebsratsvorsitzender in Rostock, und ruft damit seine Kolleginnen und Kollegen zum Mittun auf. Gleichfalls stellt Haberer damit auf das Bündnis mit den Gewerkschaften ab. Dafür gibt es in der Belegschaft viel Zustimmung. So verwundert es nicht, dass es für die am 19./20. März anstehende Personenwahl eine gemeinsame Kandidatenliste von ver.di, DJV und (noch) nicht organisierten Kollegen gibt. Knapp 400 Beschäftigte der Ostsee-Zeitung, des Ostsee-Anzeigers, der Onlinetochter OIM, der Online-Vermarktung OVS und der Redaktionsgemeinschaft mit den Lübecker Nachrichten in Mecklenburg-Vorpommern wählen erneut einen neunköpfigen Betriebsrat. Sieben davon waren bisher Ver.dianer. Mitte der 90er Jahre war mit verschiedenen Ausgliederungen auch der BR zerschlagen worden. „2002 konnte dann mit dem Gang durch zwei Gerichtsinstanzen erneut ein gemeinsamer Betriebsrat für die damals zehn Verlagshäuser und die in ihnen angesiedelten Lokalredaktionen erstritten werden”, berichtet Haberer. Zusammenhalten ist seitdem mehr denn je die Devise – mit Erfolg! Für einige ausgelagerte Bereiche konnten Übergangs- bzw. Haustarifverträge abgeschlossen werden. Als 2008/2009 die Anzeigenproduktion ausgelagert werden sollte, konnte das durch Streikaktionen um einen Sozialtarifvertrag letztlich verhindert werden. „So haben wir maßgeblich beeinflusst, wie es weiter geht”, sagt Haberer. „Über den Kompromiss der Arbeitszeitverkürzung musste niemand entlassen werden.”

Nah an den Leuten.

Wichtig sei, betont der Betriebsratsvorsitzende, dass sich alle Kolleginnen und Kollegen in diesen zersplitterten Unternehmen entlang der Ostseeküste angesprochen und einbezogen fühlen. Deshalb gehen kleine BR-Arbeitsgruppen regelmäßig in verschiedene Bereiche, in alle Lokalredaktionen von Rügen bis Usedom. „Wir sprechen miteinander, fragen: Was bewegt Euch? Auf diese Weise und über regelmäßige BR-Nachrichten per Mail und Intranet, sind wir nah an den Leuten”, ist Haberer überzeugt.
„Den Blick über den Tellerrand, sich unbedingt schulen und weiterbilden lassen”, rät Detlef Hans Serowy allen Kollegen und besonders jenen, die sich im Betriebsrat engagieren wollen. Der Betriebsratsvorsitzende des Haller Kreisblattes in Nordrhein-Westfalen spricht aus Erfahrung. In Zeiten da es in seinem traditionsreiches Unternehmen mit der Mitbestimmung nicht so recht voran ging und die Festlegung der Beschäftigtenzahl und somit die Stärke des Betriebsrates zwischen Geschäftsleitung und BR streitig war, suchte Serowy Hilfe.
Und er fand sie, vor allem bei der Gewerkschaft. Mit neuem Wissen im Gepäck über das Betriebsverfassungsgesetz, „haben wir gegenüber der Geschäftsführung Härte gezeigt und fortan unsere Rechte ganz konsequent durchgesetzt”, erzählt Serowy. Für die über 50 Beschäftigten im Verlag wurde erstmals ein fünfköpfiges BR-Gremium gewählt. Ordentliche Anschreiben der Geschäftsleitung – nicht die Ansprache einzelner BR-Mitglieder eben mal auf dem Flur – wurden eingefordert und bestimmten von nun an den Umgang mit dem Gremium. Mehrmals war der BR seit 2007 vor Gericht und erstritt erfolgreich Arbeitnehmerrechte. Ein Beispiel: Die Arbeitszeiterfassung! Nachdem unbezahlte Mehrarbeit über rund zehn Jahre hinweg zu einem „Riesenberg” angewachsen war und sich deren finanzieller Gegenwert auf einen hohen sechsstelligen Eurobetrag summierte, konnte eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeiterfassung erkämpft werden, berichtet Serowy. Und als die Geschäftsleitung meinte, sich an diese nicht halten zu müssen, musste die Justiz ran. 10.000 Euro Bußgeld wurden pro weiterem Verstoß angedroht und seitdem läuft das „wie ein Länderspiel” sagt Serowy.

Informationsaustausch.

Aber auch andere Fragen, wie der Streit über die Einordnung von leitenden Angestellten, konnten gerichtlich geklärt werden. Oder: Eine ohne Einbeziehung des BR aufgespielte Fernwartungssoftware auf den Computern musste nach einer richterlichen Entscheidung wieder runter. „Wir kommen voran”, so Serowy. Die Betriebsvereinbarung für das neue Redaktionssystem konnte kürzlich sogar ohne Einschaltung einer Einigungsstelle abgeschlossen werden.
Gewählt wurde im Haller Kreisblatt, in dem inzwischen alle Beschäftigten in der Redaktion Gewerkschaftsmitglieder sind – drei Viertel bei ver.di – bereits im vorigen Jahr. „Wir wollten vermeiden, dass wir in die Tarifauseinandersetzung in diesem Jahr geraten. Ein bitterer Arbeitskampf war vorhersehbar”, nannte Serowy einen Grund für die Entscheidung des Betriebsrates, ordnungsgemäß zurückzutreten, sofort einen Wahlvorstand einzusetzen und zu wählen. „Das Ergebnis ist ein aktives Fünfer-Team, mit drei Leuten von ver.di und zwei vom DJV.” Letzteres spiele aber in der konkreten Arbeit keine Rolle. „Das Tolle in Ostwestfalen ist, dass die Betriebsräte aller Zeitungsverlage hier gut vernetzt sind. Wir treffen uns regelmäßig zum Informationsaustausch”, so der Betriebsratsvorsitzende.

Mehr Informationen zu Betriebsratswahlen:

https://br-wahl.verdi.de/

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