Aktuelle Corona-Hilfen „verhindern nicht existenzielle Nöte“, so eine aktuelle Pressemitteilung des Verbandes der Schriftstellerinnen und Schriftsteller in ver.di. Beklagt wird, dass Kreativen mit „Liquiditätshilfen, die nur für Geschäftsräume und Leasingraten gedacht“ seien, nicht geholfen ist. „Nachjustieren!“, heißt die Forderung. Sie zielt auf die jüngste Förderpraxis und betrifft nicht nur Autor*innen.
ver.di fordert auf Länder- und Bundesebene, auch „Unternehmer*innen-Einkommen“ als laufende Kosten anzuerkennen: „Sonst läuft für Solo-Selbstständige, die weder ein Ladengeschäft gemietet noch ein Fahrzeug geleast oder andere laufende Betriebskosten haben, die Liquiditäts-Soforthilfe ins Leere“, kritisiert Veronika Mirschel vom ver.di-Referat Selbstständige.
Dabei starteten Soforthilfen für Freie und Solo-Selbstständige recht verheißungsvoll. Auch dank gewerkschaftlicher Bemühungen nahm die Politik die Folgen der Corona-Einschränkungen für freie Kreative und Solo-Selbstständige von Beginn an in den Blick. Speziell die Bundesländer legten sehr schnell Hilfsprogramme für Freie und Kleinunternehmen auf, die – neben Kreditförderung – nichtrückzahlbare Zuschüsse bereitstellten. Man ging zu Recht davon aus, dass die Folgen von Auftragsrückgängen oder Zwangspausen nicht anders zu kompensieren sein würden. Flankiert wurden diese Corona-Hilfen von Möglichkeiten wie Mietstundung, verringerten Einkommenssteuer-Vorauszahlungen, Beitragssenkungen bei den Sozialversicherungen und vereinfachtem Zugang zu Arbeitslosengeld II.
Es lebe der Föderalismus…
Allerdings fielen die finanziellen Soforthilfen, der Föderalismus lässt grüßen, in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich aus. Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein legten gar keine eigenen Programme auf, „Sachsen hilft sofort“ bot ausschließlich Kredite. Allein die Landeshauptstadt zahlte Zuschüsse. Mit dem Formular für Freie, das nur für einen Hilfe-Topf der Stadt Dresden gilt, nervten Leipziger Kreative auch den eigenen Stadtrat. Alle anderen Bundesländer stampften Corona-Hilfsprogramme für Selbstständige und Freie aus dem Boden.
Bayern machte den Anfang und zahlte bis zu 5000 Euro. In Nordrhein-Westfalen etwa beschloss die Landesregierung, um „unverzüglich zu helfen und Liquiditätsengpässe zu vermeiden“ eine bundesweit einmalige 9000-Euro-Zahlung aus Landesmitteln. Zudem gab es eine konkrete „Soforthilfe“ in Höhe von bis zu 2000 Euro, die sich speziell an freischaffende Künstlerinnen und Künstler richtete, denen die Aufträge weggebrochen sind. 17.000 Anträge gingen ein. „Das am 20. März als Überbrückungshilfe angelaufene Sonderförderprogramm des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft in Höhe von 5 Mio. Euro ist inzwischen ausgeschöpft“, heißt es nun. An einer Folgelösung werde derzeit gearbeitet, „Unterstützungsmöglichkeiten sind weiterhin durch Programme von Bund und Ländern gegeben“. Das stimmt nur bedingt: „Skrupellose Betrüger“ versuchten, „von der Corona-Krise zu profitieren.“ Kriminelle Machenschaften mit Fake-Formularen müssten zunächst aufgeklärt werden, begründete das NRW-Wirtschaftsministerium. Der verfügte mehrtägige Antragsstopp soll am 17. April wieder aufgehoben sein. (Dieser Absatz wurde am 15.04. aktualisiert – d.Red.)
Niedersachsen zahlte bis zu 3000 Euro; selbst die Stadt Hannover legte kurzfristig ein eigenes Soforthilfepaket mit Zahlungen bis zu 3000 Euro auf. Sachsen-Anhalt gewährt Künstler*innen und Schriftsteller*innen zweimal maximal 400 Euro. Die Finanzhilfe „soll zur Existenzsicherung und zur Aufrechterhaltung der Betriebsfähigkeit dienen“ und kann noch bis Ende Mai beantragt werden. Hamburg zahlt 2500 Euro für Solo-Selbständige als pauschale Förderung „zur Kompensation von Umsatz- und Honorarausfällen“.
… und die Synchronität
Doch haben die Länder ihre Hilfen zum Monatswechsel von März auf April umgestellt und mit der Bundesförderung „synchronisiert“. Beispiel Berlin: Die Bundeshauptstadt konnte zunächst hinsichtlich Höhe, Beantragung und Tempo der Auszahlung ihrer Soforthilfen als vorbildlich gelten. Ab 27. März konnten Freie, Selbständige und Kleinunternehmer branchenunabhängig einen Corona-Rettungszuschuss von 5000 Euro beantragen. Nach dem anfänglichen Zusammenbruch der dazu eingerichteten Webseite der Investitionsbank Berlin IBB wurde kontinuierlich eine aus Zehntausenden bestehende Warteschlange abgearbeitet. Die Online-Formulare waren einfach auszufüllen, wurden im Eiltempo beschieden und das Geld binnen ein oder zwei Tagen ausgezahlt. Bis zum 3. April landeten bereits mehr als 1,3 Milliarden Euro auf den Konten von rund 151.000 Betroffenen. „Ich freue mich, dass wir so vielen Berliner Soloselbstständigen und Kleinstunternehmer*innen in dieser schweren Zeit so schnell helfen konnten“, sagte IBB-Vorstandsvorsitzender Dr. Jürgen Allerkamp. Obwohl Missbrauch nicht auszuschließen sei, ist man bei der IBB überzeugt, dass die Masse des Geldes bei den richtigen Empfängern angekommen sei, unberechtigten Bezug hält man für „verschwindend gering“. Prüfung: allenfalls später. Die Summen speisten sich bis Anfang April sowohl aus Landesmitteln – für Soloselbständige und Unternehmen bis fünf Beschäftigten – als auch aus Bundesmitteln, für Unternehmen bis zu zehn Mitarbeitern. Nach einem einstweiligen Antragsstopp bis 6. April sollen nun jedoch alle Mittel aus dem einheitlichen Bundesprogramm kommen. So gibt es in Berlin nun „einerseits diejenigen, die schnell waren und das Geld bekommen haben. Und andererseits diejenigen, die nicht drängeln wollten, weil auf der Homepage der IBB stand, es sei genug für alle da und man solle bitte das System nicht überlasten, die leer ausgehen“, kritisiert eine Schriftstellerkollegin. Denn nicht nur hier ging die „Synchronisierung“ der Hilfen mit veränderten Förderkriterien einher.
Verrechnen, kumulieren oder leerlaufen lassen
Am 29. März hatten sich Bundeswirtschaftsministerium und Bundesfinanzministerium mit den Bundesländern auf den Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung geeinigt: „Die Soforthilfe dient der Sicherung der wirtschaftlichen Existenz der Unternehmen und zur Überbrückung von akuten Liquiditätsengpässen in Folge der Corona-Krise“. Zuvor beschlossen war ein Programm, von dem auch Selbstständige und Kleinstunternehmen mit einem Gesamtvolumen von bis zu 50 Milliarden Euro profitieren sollen. Firmen mit bis zu fünf Beschäftigen erhalten danach maximal 9000 Euro Bundeshilfe für einen Zeitraum von drei Monaten. Mit dem Geld soll sichergestellt werden, dass Betroffene weiterlaufende Zahlungsverpflichtungen abdecken können. Darauf beziehen sich die „Liquiditätsengpässe“, die Betroffene mit Online-Formularen geltend machen können. Und wer dabei mogelt, macht sich womöglich strafbar. Falsche Angaben könnten den Tatbestand von Subventionsbetrug oder Meineid erfüllen. Erlaubt ist dagegen, sowohl Hilfen des Bundes als auch der Länder in Anspruch zu nehmen. Allerdings wollen einige Länder ihre Hilfen mit denen des Bundes verrechnen oder haben sich gänzlich auf die Bundesmittel zurückgezogen. Beim „Hamburger Schutzschirms für Corona-geschädigte Unternehmen und Institutionen“ können über die Investitions- und Förderbank Soforthilfen von Hamburg und vom Bund „in einem Vorgang beantragt werden“ und sollen nach Günstigkeit für die Antragsteller entschieden werden. – Bundesweite Gleichbehandlung ginge jedenfalls anders.
„Knackpunkt beim Bundesprogramm ist“, so Veronika Mirschel, „dass es Liquiditätsengpässe nur hinsichtlich der Betriebsmittel anerkennt. Die fallen bei vielen Soloselbstständigen aber kaum ins Gewicht. Dringend sind fehlende Mittel zum Lebensunterhalt, also ein `Unternehmerlohn`. Während der für Geschäftsführer kleiner GmbH durchaus angesetzt werden kann, ist er für Soloselbstständige nicht vorgesehen. Das geht aus unserer Sicht absolut an den Realitäten vorbei.“
Betriebskosten vs. Lebensunterhalt
Mit dieser Haltung steht man im ver.di-Selbstständigenreferat nicht allein. ver.di Hessen forderte schon am 2. April, dass Soforthilfen für Freiberufler und Soloselbstständige auch dazu dienen müssten, „den eigenen Lebensunterhalt finanzieren zu können, ohne auf Hartz-IV angewiesen zu sein“. In Rheinland-Pfalz fordern ver.di-Landesfachgruppen die Bereitstellung „nicht darlehensbasierter Soforthilfen“, weil es für „zahlreiche Menschen in Journalismus, Medien, Gestaltung, dem Erwachsenen-Bildungssektor“ und anderswo nicht reiche, „rein betriebliche Liquiditäts-Engpässe ohne Berücksichtigung des Lebensunterhalts zu berechnen“. Der ver.di-Landesbezirk Hamburg verlangt jetzt explizit, bei den Förderkriterien „die Definition des Liquiditätsengpasses zu konkretisieren“.
Doch solange das nicht geschieht und für den Fall, dass Solo-Selbstständige ihre Tätigkeit einstellen müssen, Einkommen und Ersparnisse wegbrechen, ist staatlicherseits nur Grundsicherung vorgesehen. – „Es kann sogar sinnvoller sein, diese zu beantragen, solange hier das erhöhte Schonvermögen greift“, erklärt Veronika Mirschel. Aktuell hat die Bundesregierung per Gesetz den Zugang zu Grundsicherungsleistungen erleichtert. Das „Sozialschutzpaket„ ermöglicht für ein halbes Jahr ALG II zu wesentlich erleichterten Bedingungen. Vermögen unterhalb von 60 000 Euro wird nicht angerechnet, zudem werden Miet- und Heizkosten für die Wohnung in voller Höhe sowie Kosten der Krankenversicherung übernommen. Die Grundsicherung beträgt so 432 Euro plus Mietkosten und Krankenkassenbeitrag. Allerdings bleibt die Prüfung der „Bedarfsgemeinschaft“ bestehen.
Mangelnde Wertschätzung kreativer Erwerbstätigkeit
Dennoch sollten zur Abfederung der Krisenfolgen für Freiberufler und Soloselbstständige sowohl Grundsicherung als auch wirksame Soforthilfen bereitstehen. „Wir warten noch auf die Einlösung des Versprechens“, sagt Lena Falkenhagen, Bundesvorsitzende des VS, „insbesondere in Not geratene Künstlerinnen und Künstler mit geschärften Förderprogrammen“ unterstützen zu wollen. Eine „One-size-fits-all“-Lösung sei nicht praktikabel. Veronika Mirschel vom Selbstständigen-Referat kritisiert die Ungleichbehandlung gegenüber größeren Unternehmen. Sie vermisst bislang schmerzlich eine „Wertschätzung der eigenen Erwerbstätigkeit“ für Solo-Selbstständige und setzt auf weitere politische Bemühungen. Zudem deute sich eine faire Lösung an, die „bundesweit Schule machen sollte“: In Baden-Württemberg können bei der Berechnung von Liquiditätsengpässen auch Lebenshaltungskosten pauschal geltend gemacht werden: Soloselbständige, Freiberufler und für im Unternehmen tätige Inhaber von Einzelunternehmen dürfen dort maximal einen Betrag von „1.180 Euro pro Monat für den Lebensunterhalt“ ansetzen, „der beispielsweise private Miete, Lebenshaltung und Versicherungen umfasst“. Geht also doch…
Aktualisierung am 11. April: Die Schriftstellerin Sabine Lepan, Vorsitzende des Verbandes der Schriftstellerinnen und Schriftsteller in Nordrhein-Westfalen, hat einen offenen Protestbrief zur „Rettung der Produktionsbedingungen von Literatur“ vorgelegt. Darin heißt es u.a.: „Ich protestiere, weil ich mich als arbeitende Künstlerin in den Hilfsprogrammen von Land und Bund mit der Art meiner Arbeit nicht wiederfinde und diese Programme für mich wirkungslos sind.
Ich protestiere dagegen, dass ich als soloselbständige Künstlerin beim Soforthilfe-Programm der Bundesregierung im Prinzip nur jene Kosten geltend machen kann, die aus externen Mieten und Zahlungen bestehen.
Meine Arbeit, mein Schaffen findet jedoch nicht in gemieteten Büro- und Lagerräumen statt, sondern in meiner Person, in meinem Körper, in meiner Lebenserfahrung und -umgebung“. Nachfolgend führt sie elf Stätten ihrer literarischen Produktion an, von denen keine unter den momentanen Bedingungn als „Liquiditätsengpass“ förderfähig wäre.