Netzwerk nicht nur im Netz

21. Medienfrauentreffen beim SR in Saarbrücken

Nicht zum ersten Mal waren Internet und Multimedia Themen auf einem Treffen der Medienfrauen von ARD & ZDF. Daß Vernetzung nicht mehr ausschließlich als Synonym für solidarische Kommunikation, gegenseitige Information und Unterstützung zu definieren ist, sondern im sich entwickelnden Multimedia-Zeitalter neue technische Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die „Frauen im Netz“ – so das Tagungs-Motto – Chancen für mehr Gleichberechtigung und berufliche Gleichstellung – und nicht zuletzt auch für mehr Kommunikation in Frauennetzwerken – er-öffnen, war den im „alten“ Medium Rundfunk arbeitenden Frauen schon lange klar. Spätestens seit dem Medienfrauentreffen 1994 wird zu Fragen des Internet in Theorie und Praxis geschult. Diesmal, beim 21. Treffen, zu dem die Netzwerk-Frauen des Saarländischen Rundfunks Anfang November zu ihrem Sender nach Saarbrücken eingeladen hatten, war es das zentrale Thema.

Etwa 200 Frauen, Journalistinnen zumeist, aus den ARD-Sendern und vom ZDF, aber auch vom ORF, aus einigen Printmedien und privaten Sendern, waren gekommen, um über die Zukunft von Frauen in den Medien zu diskutieren und sich zu informieren. Das umfangreiche Veranstaltungsprogramm machte klar, daß Medien-Frauen längst „im Netz“ sind und es jetzt um die Ausgestaltung seiner Möglichkeiten geht, die Abwägung der Chancen und Risiken, und um den Anspruch, sich dort zu behaupten und die gebotene Chancengleichheit einzufordern.

Kompetenz

Unterstützt von kompetenten Fachfrauen aus den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, aus Wissenschaft und Politik, – wie der Leiterin der SR-Intendanz, Heidi Schmidt, WDR-Justitiarin Eva-Maria Michel, SWR-Multimedia-Redakteurin Sabine Stampfel, der Informatikerin Dr. Gabriele Schade von der TU Ilmenau und der stellvertretenden EU-Kommissarin Annette Niemeyer-Martinez -, machten sich die Anwesenden kundig über die unter dem Stich- und Schlagwort „Informationsgesellschaft 2000“ zu erwartenden Veränderungen und was sie den Frauen bringen (können).

Einfluß auf Hierarchien

„Die neuen Medien“ so hatte die Frauenbeauftragte des SWR, Angelika Lipp-Küll, in ihrem Eröffnungs-Statement betont, „brechen alte Hierarchien im Medienbereich auf. Multimediale Bearbeitungsgeräte machen Journalistinnen zu Technikerinnen und umgekehrt. Die neuen Medien mache alle gleich.“ Dazu tragen auch die Nutzerinnen bei. Sie rufen das ab, was sie gerade interessiert, unbeeinflußt von Hierarchien in den Sendern, Arbeitsabläufen in den Redaktionen und dem dort definierten Verständnis von „Aktualität“. Das hat auch, so Lipp-Krüll, „direkten Einfluß auf die traditionelle Rangordnung, die Männern die ,harten‘ und Frauen die ,weichen‘ Ressorts zuordnet“. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten müssen, so die Schlußfolgerung, sowohl im redaktionellen Bereich, als auch in den „Männerbastionen Technik und Management“ bereit sein, verstärkt Frauen den Zugang zu Leitungsfunktionen zu ermöglichen, wenn sie den Konkurrenzkampf – auch international – bestehen wollen.

Berichte

Daß eine solche Entwicklung noch Zukunftsperspektive ist, zeigten die diesmal nur schriftlich vorgelegten Berichte der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten aus den Sendern. Schade eigentlich, da dort, wo sie sich politisch äußern, – weg vom immer gleichen Zahlenwerk, das mit geringen Variationen nach wie vor das Männerdominierte Oben, bzw. Frauen-dominierte Unten belegt -, die verschiedenen Probleme der einzelnen Anstalten, geprägt durch Finanznot, Personalabbau, Konkurrenz und politischen Druck, anschaulich thematisiert werden. Radio Bremen etwa, das nicht nur, wie SR und SFB, um den Erhalt des ARD-Finanzausgleich kämpft, sondern sich gegen einen Einfluß der Politik „in bisher nie gekannten Ausmaßen“ zur Wehr setzen muß. Oder der neue SWR, zustande gekommen durch eine Fusionspolitik, deren Opfer in erster Linie Frauen sind. Für die berufliche Gleichstellung von Frauen und Männern war die Fusion von SDR und SWF, so Antje Schirra vom SWR-Stuttgart, ein „herber Rückschlag“.

Lichtblicke

Aber auch einige Lichtblicke: Mit Barbara Groth gibt es beim SFB die erste Fernsehdirektorin in der ARD. Vor kurzem wurde dort auch Petra Lidschreiber zur nun ARD-weit vierten Fernsehchefredakteurin berufen. Beim ZDF beträgt der Frauenanteil in den Redaktionen bereits über 40 Prozent. „Gleichwohl, am Ende des Parcours um Chancengleichheit sind die Männer noch ganz unter sich“. Und last but not least: Auch der BR hat mit Maria Kalac jetzt endlich eine Gleichstellungsbeauftragte: die letzte in der ARD, die erste im BR!

Daß der Netzwerkgedanke, auch im ganz traditionellen Sinn – das Medienfrauentreffen selbst ist ja ein Netzwerk – nicht zuletzt angesichts der nach wie vor gut funktionierenden Männer-Bünde in den Sendern – weiterhin Bedeutung hat, wurde in mehreren Berichten, Diskussionen und Arbeitsgruppen betont. „Ich meine“, so die ZDF-Frauenbeauftragte Dagmar Skopalik, „daß wir in den Sendern selbst noch viel mehr und ganz unterschiedliche Netzwerke brauchen, damit Frauen auch anderen Frauen über die Hürden helfen“.

Fortbildungsangebote

Das geschieht bei den Frauentreffen in den letzten Jahren verstärkt – gefordert und genutzt gerade auch von jüngeren Kolleginnen -, durch Fortbildungsangebote, die auf mehr Kompetenz im Umgang mit Vorgesetzten und die Durchsetzung von Zielen orientieren, Kommunikation, Verhandlungsführung, Konfliktmanagement und Selbstpräsentation schulen und Zeitmanagement effektivieren helfen. Kritisch wurde mitunter angemerkt, daß es hierbei nicht nur um das Sich-Durchsetzen in einer Männerwelt gehe, sondern auch deren Spielregeln zu hinterfragen und zu verändern seien.

Eigene Entscheidungen

Herrad Schenk hat sich durchgesetzt. Die Schriftstellerin äußerte sich im wechselseitigen Interview mit Angelika Lipp-Krüll über ihre Karriere, ihr Sich-Herauslösen aus dem Wissenschaftsbetrieb einer Universität hin zur unsicheren und ungesicherten Existenz einer freien Schriftstellerin, die ihr aber ermöglicht, „im Prinzip nur Sachen anzunehmen, die mich interessieren“. Ihre Botschaft: Sich entscheiden, das zu tun, was einer wichtig ist, hellhörig sein, für Signale des eigenen Selbst und der Umwelt, auch wenn der Ausgang ungewiß ist. „Ich habe mir angewöhnt, auch kurzfristige Pespektiven zu haben!“ Wichtig aber auch hier: frau muß wenigstens „eine Sicherheit im Rucksack“ haben, sei es in der Beziehung, im Freundinnenkreis oder einem anderen Netzwerk, das eine hält.

Daß ähnliche Erfahrungen auch im fest gefügten Rahmen einer Institution gemacht werden können, betonte Angelika Lipp-Krüll. Auch innerhalb einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt ist es wichtig und lohnend, für eigene Vorstellungen inzutreten, z.B. von Programmqualität und Innovation, auch und gerade unter dem Aspekt der Gleichstellung von Frauen und Männern. Als Frauenbeauftragte geht es ihr darum, „an dieser positiven, fast subversiven Nahtstelle zu gucken, was gemacht werden muß“.

Saure Gurke

Mit der obligatorischen Verleihung der „Sauren Gurke“ für frauenfeindliches – öffentlich-rechtliches – Fernsehen hat sich das Medienfrauen-Netzwerk inzwischen eine prägnante Möglichkeit der Außenwirkung geschaffen. Die Nachricht, wer das grün-graue Zement-Ungetüm erhält, ist vielen Zeitungen wenigstens eine Mini-Meldung wert.

Der Preisträger dieses Jahres: ein am 18. Oktober im Ersten ausgestrahlter „Weltspiegel“-Beitrag über Afghanistan vom WDR. „Armin Paul Hampel, unser Mann vor Ort“, so die Jury, „konnte uns nach den vielen Katastrophenberichten aus Afghanistan endlich zeigen, daß dort – dank Taliban und deutscher Experten – die Schornsteine wieder rauchen, Wasser durch die Leitungen fließt und es sogar wieder Strom gibt. Mann kann auf der Straße sein, am Tag und in der Nacht“. Dazu Bilder der „schlachterprobten Turbansoldaten“: malerische Männlichkeit im Gegenlicht. Probleme gibt es noch, z.B. von Minen zerrissene Kinder, aber die Lage der völlig entrechteten Frauen? Der Film widmet ihnen nicht einmal einen Halbsatz. „Afghanistans Frauen sind aus dem öffentlichen Leben verschwunden und der Autor scheint sie nicht zu vermissen, ebensowenig Redakteur und Moderator“. Ein Dokument medialer Menschenrechtsverletzung!

Einmütig beschlossen die Medienfrauen ihre Resolution vom letztjährigen Treffen an die UN- und EU-Kommissariate für Menschenrechte und den deutschen Außenminister, der jetzt Fischer heißt, erneut zu versenden.

Entertainment

Natürlich gibt es kein Medienfrauentreffen ohne Kulturprogramm! Nach dem traditionellen „Intendantenbuffet“ – (der Name meint Begrüßung durch den Intendanten, hier Fritz Raff, mit anschließendem Essen heimischer Spezialitäten): Auftritt „Queen B“. „Wenn Du aufhörst, fang ich an“, meinten die beiden Entertainerinnen. Und das taten sie auch, „mit Musik und starken Worten“ über Sylt, wo sie herkommen, sich selbst und die Unzulänglichkeiten von Männern und mitunter auch Frauen, les- bische und andere Liebe mit Witz, Selbstironie und Stimmgewalt. Das Gelächter war groß und der Beifall lang. Auch dem Intendanten, ganz allein unter Frauen, schien es zu gefallen.

 

 

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