Ausbildung zum „Multimedia-Publisher“ im Haus Busch
Man sei sich sicher, „daß Multimedia kein Schreckenswort für den Journalismus sein muß“ – so Jürgen Dörmann vom Deutschen Institut für publizistische Bildungsarbeit in Hagen, kurz „Haus Busch“ genannt. Deshalb bietet das Weiterbildungszentrum eine 15monatige Ausbildung zum „Multimedia-Publisher“ an. Auch wenn bisher noch weitgehend unklar sei, was die technologische Entwicklung tatsächlich für journalistische Arbeitsplätze bedeute, so sei doch auch fraglos: Multimedia und Journalismus werden nicht ohne gründliches Lernen zusammengehen können.“ Nur auf diesem Weg seien berufliche Zukunft und Arbeitsplätze zu sichern.
Auf keinen Fall, heißt es in einer Analyse der Bildungsstätte, machten die neuen Technologien journalistische Kompetenzen, ja den Beruf des Journalisten überhaupt „überflüssig“: „Wenn viele Dinge auch noch offen sein mögen, so haben vor allem Journalisten zur Kenntnis zu nehmen, daß Multimedia ein Schlüsselwort des Wettlaufs für ihre Zukunft ist.“
Journalistisches Profil
Fort- und Weiterbildungen in Sachen Multimedia gibt es inzwischen wie Sand am Meer. Von den landläufigen Kursen unterscheidet sich die Ausbildung in Haus Busch durch das „journalistische Profil“. Das entspricht auch der Tradition des Hauses als journalistisches Weiterbildungszentrum. Die Lage ist ähnlich wie noch vor einiger Zeit bei den oft zitierten Bildschirm- Designern. Der Beruf wurde plötzlich nachgefragt, entsprechende Ausbildungen gab es nicht. Gelernt wurde der Job in den Unternehmen nach der Methode „Learning by doing“. Lange gaben in Gestaltungsfragen für Ästhetisches gar nicht ausgebildete Computertechniker den Ton an. Das erklärt den katastrophalen ästhetischen Zustand so mancher CD-ROM bis heute.
In einem ähnlichen Ausmaß fehlt es heute an journalistischer Kompetenz. Im Vordergrund stehen immer noch Fragen der Beherrschung der Technik. Eine Studie der „media perspektiven“ vom Ende vergangenen Jahres brachte Aufschlußreiches an den Tag. Es sind zwar zahlreiche Arbeitsplätze in Online-Redaktionen von Presse, Hörfunk und Fernsehen entstanden, also in journalistisch geprägten Unternehmen. Doch kann über weite Strecken von Journalismus nicht die Rede sein. Die Online-Ausgaben der Tageszeitungen sind meist noch einfache Kopien der gedruckten Ausgabe. Die Journalisten, die sie erstellen, können kaum selbständig arbeiten. Sie sind an die Entscheidungen der Print-Redaktion gebunden. Ihr journalistischer Beitrag besteht hauptsächlich darin, Texte auszuwählen und dann so zu kürzen, daß sie auf den Bildschirm passen.
Trotz dieser eher trüben Diagnose vom Stand der Online-Dinge zeigen sich nach dieser Untersuchung auch Perspektiven für die Zukunft. Interaktivität, Multimedialität, interne und externe Vernetzung, eine wachsende Komplexität von Informationsproduktion und Informationsbeschaffung werden Online-Publikationen bald deutlicher ausprägen. Damit werden sie auch journalistisch interessanter.
Basis-Ausbildung für multimediales Publizieren
Die Ausbildung in Hagen reflektiert den Stand der Dinge und die unklaren Zukunftsaussichten. Sie wurde entwickelt als Basis-Ausbildung. Die Absolventen sollen die ganze Breite des multimedialen Publizierens kennenlernen können, um sich dann auf dieser Grundlage nach Interesse und Neigung spezialisieren zu können. Deshalb vermitteln die Kurse nicht nur die unabdingbaren technischen Kenntnisse im Umgang mit Hochleistungsrechnern, also Textverarbeitung, Grafik und Integration von Sound und Video. Sie vermitteln auch Gestaltungskenntnisse auf allen Ebenen von Ton und Bild. In den vergangenen fünf Jahren wurden in Haus Busch Erfahrungen mit der Qualifizierung zum „Infografiker“ gesammelt (vgl. M8-9/96). Diese Kompetenzen in Sachen Kommunikationsästhetik fließen jetzt auch ein in die Ausbildung zum „Multimedia-Publisher“.
Vor allem aber kommt es auf die journalistische Basiskompetenz“ an. An journalistischen Standards gemessen, sind die Online-Angebote derzeit keine Offenbarung. Nicht selten ist der Zustand der Online-Angebote dramatisch ärmlich. Verschiedene journalistische Formen kommen in diesem Medium überhaupt nicht vor.
Journalistische Akzente für Online-Medien
Wie die Untersuchung von „media perspektiven“ zeigt, werden Texte im Online-Medium meist auf Nachrichtensprache heruntergebracht. Es zeigt sich auch, daß viele Tageszeitungen Meldungen meist noch am Nachmittag, also vor der Printausgabe in die Online-Ausgabe setzen. Die Geschwindigkeit des Nachrichtenumlaufs erhöht sich. Die Frage nach klassischen Standards der Überprüfung und Glaubwürdigkeit von Meldungen stellt sich noch einmal schärfer. In gleicher Weise gilt das auch für Recherchen im Internet. Darin stecken ja nicht nur unzählige Informationen, sondern eben auch unzählige unüberprüfte und unüberprüfbare Informationen. Journalistisch seriöse Standards sind eher noch mehr gefragt als bisher. „Journalistische Akzente bedeutet“, definiert man im Haus Busch, „Informationen werden weiterhin im öffentlichen Interesse begründet. Sie müssen professionell und den Besonderheiten des technischen Mediums entsprechend aufbereitet werden“. Was nicht ganz problemlos abgehen kann. Jürgen Dörmann benennt auch gleich das klassische Dilemma, in das journalistische Standards im Online-Medium geraten. Sie drohen unter die Räder zu kommen. Der 15-Zoll- Monitor ist ein Zweisatz-Medium. Der superknappe Stotter-Text gilt vielen heute schon als Online-Text-Standardwährung.
Mehr läßt sich auf einer Bildschirm-Seite nicht unterbringen, und umblättern wie bei der Zeitung mag ja kein Internet-Surfer. Dazu kommt noch der marktschreierische Ton, der sich in der Konkurrenz der Webseiten um die Aufmerksamkeit der „User“ durchsetzt. „Wir wollen auf jeden Fall die journalistische Seriosität der journalistischen Arbeit hochhalten“, sagt Jürgen Dörmann, „auch wenn es nur um zwei Sätze geht“.
Komplexe Anforderungen
Die Anforderungen an den „Multimedia-Publisher“, den es als Berufsbild in dieser Form noch nicht gibt und der natürlich genauso gut weiblich wie männlich sein kann, sind insgesamt ziemlich komplex. Nicht nur technisch, sondern vor allem auch inhaltlich. „Die Absolventen“, sagt Jürgen Dörmann, „müssen in der Lage sein, zu beurteilen, was in der Text- und Bildproduktion relevant ist“. Sie sollen lernen, wie man auf dem kleinen Bildschirm Texte und Bilder so gestaltet, daß sie auch wahrgenommen werden. Sie sollen Kenntnisse erwerben über die Integration von Bewegtbild und Animation. Online-Dienste werden sich als reines Text-Medium wohl kaum durchsetzen, ihr Reiz liegt in der Kombination verschiedener Medien, in ihrer Multimedialität eben. Deshalb kommt es auch darauf an, dramaturgische Probleme wahrzunehmen und zu lösen. Sollen die Links zu anderen Webseiten mit Musik unterlegt werden? Wie legt man beim Übergang zu einer dokumentarischen Sequenz den richtigen Schnitt? Wie läßt sich Video in eine Webseite integrieren?
Berufsperspektive
Die Berufsperspektive für den Lehrgang zum „Multimedia-Publisher“ basiert auf der Erkenntnis, daß heute schon in der Branche eine Reihe von Arbeitsplätzen in Online-Redaktionen entstanden sind. Ihre Zahl wird mit der Ausweitung der Online-Dienste noch zunehmen. Auch Arbeitsplätze bei Online-Diensten in anderen Unternehmen wie etwa Reisebüros, Bahn, Agenturen sind denkbar. Voraussehbar ist aber vor allem, daß die meisten Absolventen sich selbständig machen werden (müssen).
„Wir müssen uns damit auseinandersetzen“, heißt es in Haus Busch, „in welchen sozialen Verhältnissen die Kolleginnen und Kollegen diesen neuen Journalismus ausüben werden“. Beispielsweise mit einer Multimedia-Agentur als Dienstleister für andere Medienunternehmen. Im Zug ei-ner immer tieferen Arbeitsteilung werden qualifizierte Multimedia-Dienstleister zu Projekten auf befristete Zeit und für eine bestimmte Dienstleistung eingekauft werden. Projektmanagement ist deshalb ein wichtiges Element der Ausbildung. Die Absolventen sollen damit in die Lage versetzt werden, sich unter den ökonomischen Bedingungen freiberuflicher Existenz zu halten und durchzusetzen.
Projekte und Praktika
Der Lehrgang zum „MultimediaPublisher“ ist vor allem modular aufgebaut und in der Endphase stark projektorientiert. Ein Drittel der Ausbildung vollzieht sich in Praktika. Am Ende werden die Teilnehmer eine CD-ROM produziert haben, selbständig und nach eigenem Interesse und Vermögen, als Leistungsnachweis und als Bewerbungsunterlage. Der erste Lehrgang für „Multimedia-Publisher“ begann im November 1997 und läuft noch bis Ende Januar 1999. Der Kurs wird im Februar 1999 ein zweites Mal aufgelegt. Das Projekt wird vom Land NRW und der Europäischen Union gefördert.