Bei schönem Wetter fuhr sie ans Meer, zu Geburtstagen reiste sie quer durch Deutschland, zum Studieren stieg sie in Tübingen aus der Bahn: Die Zugnomadin Leonie Müller tauschte 2015 für zwölf Monate ihre Wohnung gegen eine Bahncard 100. Ihr 40-Liter-Rucksack war immer dabei. Auch zur „Fuß Fassen im Journalismus“ – Sondertour von Jugendpresse Hessen und dju in ver.di in Bad Vilbel reiste Leonie Müller mit Rucksack an.
Im kurzen blauen Kleid steht die 25-Jährige im Funkhaus von Hit Radio FFH vor Gleichaltrigen, die ihr gebannt lauschen. Leonies Weg in den Journalismus ist durchaus ein ungewöhnlicher. Seit die Geschichte über ihr Leben in der Bahn auf der Startseite von Spiegel online stand, änderte sich vieles. In mehr als 50 Ländern schrieben Journalist_innen über ihren Selbstversuch, das Reisen zum Alltag zu machen. Gerade erschien ihr Buch darüber, nach dem Master in Kommunikations- und Medienwissenschaft kann sie sich ein Volontariat vorstellen.
Einen eher klassischen Weg in den Beruf ging Christian Belz. Der Volontär von Hit Radio FFH wird nach Russland fliegen, um über die Fußball-WM zu berichten, erzählt er den rund 30 Gästen von „Fuß Fassen“. Christian Belz machte Praktika beim Hessischen Rundfunk, RheinMain TV, einem Sportverband, und schließlich in der Sportredaktion von Hit Radio FFH. Bei dem privaten Radiosender, der in Hessen Marktführer ist und nach Tarif bezahlt, arbeitete er erst als freier Mitarbeiter und nach seinem Bachelor als Volontär.
Ob es gut sei, Journalismus oder Publizistik zu studieren, will eine junge Frau von ihm wissen. Hauptsache Studium, besser ein anderes Fach als Journalismus antwortet Belz. Wie sind die Arbeitszeiten, lautet eine andere Frage aus dem Publikum. Belz lächelt, in der Regel von 9 bis 17.30 Uhr, „aber wenn in Frankfurt der Commerzbanktower brennen würde, würde ich bis um 3 Uhr in der Nacht arbeiten.“ Auch während der Fußball-WM wird er durcharbeiten, die Überstunden kann er abbauen.
Neugierde, Offenheit, morgens noch nicht zu wissen, was den Tag über im Job passiert, selbst Themen vorzuschlagen und für andere zu entdecken – das macht den Journalismus aus, sagt FFH-Geschäftsführer Hans-Dieter Hillmoth, mit seiner tiefen tragenden Radiostimme. 105 Mitarbeiter_innen zählt der Sender, plus 40 bis 50 Freie Mitarbeiter_innen. Die jungen Gäste haben es sich mit grünen Sitzkissen auf breiten Holzstufen bequem gemacht. Von dort können sie immer wieder Blicke ins Studios werfen. Die Atmosphäre im Funkhaus auf der grünen Wiese ist entspannt. Beim Jugendsender planet radio steht in der Sitzecke eine Glasschale mit Baiser-Kuchen, im Newsroom von Radio FFH geben Glasfronten den Blick ins Grüne frei. Moderator Felix Moese, weißes Hemd, weiße Sneakers, steht entspannt an seinem Pult, bittet die jungen Besucher während der Live-Sendung herein, erklärt ihnen den Sendeplan, beantwortet Fragen, drückt nebenbei einen Knopf, schiebt einen Regler hoch. Dann setzt er wieder die Kopfhörer auf, greift zur Maus, die Umrandung seines Pultes schaltet von Grün auf Rot und er geht wieder On Air.
Wann muss man sich für das Volontariat bewerben, wie viele Plätze gibt es und wie hoch ist die Zahl der Bewerber, fragt eine junge Frau Christian Belz. „Es ist nichts festgeschrieben“, antwortet der 29-Jährige, meist beschäftigt Hit Radio FFH fünf Volontär_innen, „es ist wichtig, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein und am besten schon einen Fuß im Sender drin zu haben“.
Bei anderen Arbeitgebern kann es vorkommen, dass sie zwar ein Volontariat ausschreiben, in Wirklichkeit aber nur eine billige Arbeitskraft suchen, „erkundigt Euch, ob das Volontariat bezahlt wird“, rät Anja Willmann, Projektmanagerin von connexx.av des ver.di Landesbezirkes Hessen. Auch Praktika unterliegen nach acht Wochen dem Mindestlohn. Sie empfiehlt: „Guckt, dass Ihr im Praktikum was lernt, macht es nicht nur für den Lebenslauf.“ In der Jugendpresse Hessen vernetzt und unterstützt sich der Nachwuchs beim Einstieg in den Journalismus, sagt Lisa Brüßer vom Vorstand der Jugendpresse Hessen.
Auch für Leonie Müller, die Bloggerin und digitale Nomadin mit der Bahncard 100, bildete das Freiwillige Soziale Jahr in der Jugendpresse Baden-Württemberg einen ersten Einstieg in den Beruf. Den Teilnehmer_innen von „Fuß Fassen“ empfiehlt sie, neugierig und offen zu sein: „Die Grenzen dessen, was wir uns privat oder beruflich vorstellen, liegen immer nur im Kopf. Versucht, sie zu erweitern, euch vorzustellen, was möglich sein könnte.“