Ohne Schaden fürs Image

Kundenzeitschriften fordern Qualität und zahlen besser

Immer mehr freie Journalistinnen und Journalisten orientieren ihre professionelle Arbeit auf Kunden- und Mitarbeiterpublikationen – weg von klammer Auftragslage und schrumpfenden Honoraren bei den „klassischen“ Medien. Überraschend: Sie fahren nicht schlecht dabei.

Vorbehalten begegnete Ulrike Lentze aus Köln 1990 in ihrem Volontariat. „Wer von der Nachrichtenagentur oder der Tageszeitung kam, rümpfte schon mal die Nase über uns aus dem Fach- und Kundenzeitschriftenverlag. Dabei hatten wir dort bereits von A – Z das Blatt gemacht, die Volontärin der Publikumszeitschrift durfte dagegen nur Bildunterschriften formulieren.“ Noch als sich Lentze Mitte der 90er Jahre mit zwei Kolleginnen selbstständig machte und, was nahe lag, ins Kundenzeitungsgeschäft einstieg, glaubte sie, sich gegen den Ruch der „Käseblättchen“ wehren zu müssen. „Lange war uns aus Imagegründen wichtig, auch für angesehene Medien wie Handelsblatt oder Frau im Spiegel zu arbeiten. Als der Markt sich entwickelte, besannen wir uns auf Kundenpublikationen als Kerngeschäft für unser Büro. Jetzt gehen wir selbstbewusst mit dieser Spezialisierung um, sind gefragt und werden weiterempfohlen.“
Bereits als fest angestellte Leiterin im Verlag hatte die heute 44Jährige für ihre Kundenblätter qualitativ hochwertige journalistische Arbeit gefordert und ge­leistet – Ansprüche, denen sie sich auch als Freie stellen muss. „Wir arbeiten für Krankenkassen und einen Apothekenkunden-Zeitschriftenverlag, haben uns auf medizinische und psychologische Probleme spezialisiert, betreuen ganze Themengebiete und sogar zwei Titel vollständig.

Dienstleisterin mit hoher journalistischer Selbstverpflichtung

Für die mindestens 40 aller 14 Tage zu produzierenden Seiten nehmen wir wiederum Freie mit festen Aufträgen zu Tagessätzen mit ins Boot“, beschreibt Lentze das sich ausweitende Geschäft. „Immer gilt bei uns professioneller Journalismus, das heißt, komplexe Informationen aufzuarbeiten und komplizierte Sachverhalte einfach zu beschreiben.“ Eher höhere als niedrigere Qualitätsan­forderungen sieht Marlis Heinz aus Leipzig in ihrer zurückliegenden Arbeit für eine Publikation der Leipziger Messe und der Sparkasse und ihrer aktuellen für die Zeitschrift eines regionalen Energieversorgers. Die Unternehmensthemen werden von den hauseigenen Pressestellen selbst bedient, ist ihre Erfahrung. Sie liefert ergänzende Reportagen zu, porträtiert interessante Zeitgenossen, stellt Leipziger Highlights vor, erkundet die Umgebung. Am Jahresanfang reicht sie Themenvorschläge ein, von denen einige genommen und bestätigt werden. „Das wird dann 1:1 gedruckt und prompt vergütet, einschließlich der Fahrtkosten.“ Da Kundenzeitungen terminliche und redaktionelle Sicherheit, grafisch anspruchsvollere Darstellung und nach ihrer Beobachtung anderthalbfach bis doppelt bessere Bezahlung als Tageszeitungen bieten, hängt Heinz ihre journalistische Selbstverpflichtung mitunter sogar höher als beim Zeilenakkord fürs aktuelle Geschäft. Allerdings bleibt es für sie, die etwa zehn Prozent ihrer Arbeit Kundenzeitschriften widmet – „es dürfen gern mehr werden, das Spektrum wird immer größer, doch alles läuft über persönliche Empfehlung“ – auch als Dienstleisterin bei der Texterstellung. Fotos macht sie nur im Ausnahmefall, Layout nie. „Das können andere besser, ich weiß, dass ich schreiben kann“, sagt die diplomierte 50jährige Journalis­tin.
Seine gute Feder einzubringen, hat ihr Pressebüro-Kollege Thomas Biskupek (57) größere Widerstände zu überwinden. Bei seiner redaktionellen Arbeit für den sächsischen Regionalteil einer Handelszeitschrift haben Zulieferer von Informationen oft nicht das im Blick, was die Zielgruppe interessiert. „Ich setze meine langjährigen Erfahrungen ein, versuche, Kompromisse zu finden, was auch gelingt. Doch natürlich beschreibe ich das, was meine Auftraggeber wünschen – mit professionellem Abstand. In dem Sinne verstehe ich mich als klassischer Dienstleister.“ Etwa dreißig Prozent seines Einkommens verdient er so.

Käuflich ist nicht anrüchig

Wichtig ist, Vorbehalte abzustreifen, dass man mit der Arbeit für Kundenpublikationen etwa seine „weiße Weste als Journalist befleckt“, findet Bernd Zimmer­mann aus Kassel. Von der Festanstellung als Chefredakteur einer Computerzeitung ging er nach deren Verlagerung nach München ins freie Metier und arbeitet seit einem knappen Jahr für Kundenbroschüren einer darauf spezialisierten dänischen Verlagsgruppe, die von Hamburg aus auf den deutschen Markt expandiert. In seinen Aufträgen für unternehmensbezogene Darstellungen wechselt der 50jährige Zimmermann „wie ein Chamäleon“ die Farbe – „von Gartenbau über Kleinbetrieb bis Max-Planck-Institut.“ Dafür reist er in einem Radius von 250 km rund um Kassel herum. „Ich muss mich schnell den jeweiligen Unternehmen und Menschen anpassen, die ich in der Regel nie wieder sehe, weil ich nur einmal für sie schreibe. Ein tieferes Wissen zu den unterschiedlichen Fachgebieten ist dabei unmöglich. Hier helfen Gespür und journalistische Erfahrung.“ Bei aller Flexibilität – der Verlag macht Qualitäts- und Gestaltungsvorgaben, zahlt feste Seitenpreise und Fahrtkosten. „Davon kann ich leben, wenn auch nicht reich werden.“
Jede Menge Bedarf an gut gemachter Information haben Kunden und Unternehmen, weiß Zimmermann – und viele Journalisten keine anderen Möglichkeiten, sich über Wasser zu halten. Auch für ältere Kolleginnen und Kollegen mit lang­jähriger Berufserfahrung sei dieser boomende Markt eine gute Chance. Deshalb ist für ihn in diesem Sinne „käuflicher Journalismus nicht anrüchig“.
Der Spagat muss auszuhalten sein, meint die Leipzigerin Marlis Heinz. „Bei der klassischen Zeitung oder Fachzeitschrift habe ich ja auch die Leser, das Ressort und die Region im Hinterkopf, bei den CP-Medien eben die Kunden und das Unternehmen.“ Sie achtet darauf, dass Interessenfelder nicht kollidieren. Nur solche Aufträge nimmt sie an. „Von investigativem Journalismus aber muss man sich in diesem Arbeitsgebiet weitgehend verabschieden.“

Spielregeln sind zu beachten

Auch Ulrike Lentze benennt solche Spielregeln: „Natürlich kommt bei unserer Zielgruppe und unseren Auftraggebern keine Apotheken- oder Pharmaschelte vor. Bei anderen Themen wie Brustkrebs oder Diabetes können wir schreiben, was wir wollen – selbstredend versichern wir uns fachlicher Beratung.“ Mit Blick auf die als „rein journalistisch“ gelobten Medien gibt Lentze zu bedenken, dass auch Flaggschiffe wie Welt, FAZ oder Spiegel Tendenzbetriebe seien. „Da muss ich genauso überlegen, was ich wie schreibe.“ Kundenzeitschriften seien oft eindeutiger. „Wo Mercedes drauf steht, ist Mercedes drin. Wo Apotheke drauf steht, ist Apotheke drin. Das ist doch eine klare Ansage.

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