Eine Stichprobe für die Diskussion um das journalistische Bild
Die Durchforstung verschiedener Zeitungen aus einer Region im Norden Deutschlands nach Pressefotografien an nur einem Wochenende erbrachte bedenkliche Resultate. Untersucht wurden die Nordseezeitung (NZ), Mantelzeitung für verschiedene Lokalausgaben; der Weser-Kurier (WK), das Hamburger Abendblatt (HHA) und die Niederelbe Zeitung (EZ).
Außer dem Hamburger Abendblatt hat keine dieser Redaktionen noch Fotografen im festen Angestelltenverhältnis. Auch Fotoredaktionen sind nicht mehr existent. „Bei Google und im Internet gibt es doch alles“, ist eine häufige Redewendung bei Nachfrage in den Verlagen und Redaktionen.
Auffällig war, dass der WK deutlich bessere Illustrationen hat als die restlichen Zeitungen. Dies liegt daran, dass dort noch viele Fotos von zwei professionellen Fotografen, die allerdings frei arbeiten, erscheinen. Die Qualität der NZ-Illustrationen ist deutlich wahlloser und sichtbar uninteressanter. Es sind hauptsächlich PR- und Werbefotos und in den lokalen Teilen ausnahmslos Fotos von Redakteuren aufgenommen. Mit Ausnahme des HHA und des WK sind alle untersuchten Zeitungen ausschließlich mit PR-Fotos und Redakteursfotos illustriert. Die Qualität von Redakteursfotos sind dem Fotografie Professor Peter Piller (www.peterpiller.de) sogar eine Buchreihe wert. Bisher sind acht Bände mit „Redakteursfotos“ im Revolver Verlag erschienen und müssen wohl unter die Rubrik „Satire“ eingeordnet werden. Ein Titel heißt „Bauerwartungsflächen! Noch ist nichts zu sehen“, ein anderer: „Tatortfotos“ – dieser zeigt hauptsächlich Absperrbänder der Polizei.
Das HHA beschäftigt noch zwei feste Fotografen. „Das ist aber ein besonderer Luxus, den wir uns noch leisten“, bestätigte eine Redakteurin. Das HHA hatte in der gesichteten Reisebeilage 161 Fotos von Reiseunternehmen abgedruckt. Kein einziges Foto war mit einem Urhebervermerk versehen.
Honorarfreie PR-Fotos sind besonders in den Wochendausgaben mit Magazinteilen dominierend. Dabei fällt auf, dass vielfach in den zeitnah erscheinenden Ausgaben der gleichen Zeitung, Anzeigen der redaktionell besprochenen Firmen erscheinen. Bei Nachfragen in den Redaktionen wurde von Kollegen bestätigt, dass ein enger Zusammenhang zwischen dem Redaktions- und dem Anzeigenteil bestehe. Als Entschuldigung wurde vorgebracht, dass die Verlage von den Kunden erpresst würden. Verständlicherweise war keiner der Kollegen bereit, dies namentlich zu bezeugen.
Die knapper gewordenen Anzeigenetats werden offensichtlich nur noch an Zeitungen vergeben, die zusätzlich auch im redaktionellen Teil positiv über das Produkt und das Unternehmen berichten. Bundesweit sind inzwischen viele Fälle von „Abstrafungen“ bekannt geworden, nachdem eine Zeitung kritisch über Unternehmen berichtete: DB, Aldi, Lufthansa, Lidl! Die Lufthansa ging sogar soweit, die Süddeutsche Zeitung nach einer Kritik am Unternehmen aus dem Leseangebot ihrer Flugzeuge zu nehmen.
Nach Ziffer 7 des Pressekodex haben sich Verleger und Journalisten verpflichtet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden. Diese Untersuchung – sowie zahlreiche Gespräche mit KollegInnen aus anderen Zeitungen, die ähnliches berichten – lässt die Schlussfolgerung zu, dass dieser Passus des Pressekodex lange überholt ist.