1788 Leser_innen haben sich 2017 beim Deutschen Presserat über Veröffentlichungen in Printmedien oder ihren Online-Auftritten beschwert. Insgesamt sprach der Presserat 21 öffentliche Rügen, 58 Missbilligungen und 153 Hinweise aus, hieß es zur Jahresbilanz heute im ARD- Hauptstadtstudio. 2017 zudem ein wichtiges Thema: Die Diskussion über die Richtlinie gegen Diskriminierung, die überarbeitet wurde.
Die Zahl der Beschwerden wegen Verstoßes gegen den Pressekodex ist mit 1788 gegenüber dem Vorjahr leicht gesunken: 2016 waren es noch 1851 gewesen. Infolge der Berichterstattung über die Russland-Ukraine-Krise und den German-Wings-Absturz war die Beschwerdezahl in den beiden Jahren davor auf über 2000 gestiegen.
Das überwiegende Beschwerdeziel waren mit 45 Prozent die Lokal- und Regionalzeitungen, gefolgt von Publikumszeitschriften (18 Prozent), der Boulevardpresse (14 Prozent) und den überregionalen Tageszeitungen (13 Prozent). 29 Prozent, und damit wieder etwas mehr, betrafen Print, 63 Prozent Online, der Rest beides. Allerdings, schätzt der Presserat, liege die hohe Online-Quote wohl am einfacheren Online-Beschwerdeverfahren. Die Beschwerden stammen zu 90 Prozent von Privatpersonen. Von den eingereichten Klagen erreichten 508 die Ausschüsse, 277 wurden als begründet eingestuft.
474 Beschwerden wurden im „Vereinfachten Verfahren“ aussortiert, weil sie sich auf die Nicht-Veröffentlichung von Leserbriefen, die Löschung von Internet-Kommentaren oder ältere Publikationen bezogen. Beschwerden über Radio- und Fernsehsendungen, für die der Deutsche Presserat nicht zuständig ist, wurden den Landesmedien- oder Rundfunkanstalten weitergeleitet.
Der Presserat erteilte 2017 insgesamt 21 öffentliche Rügen, davon entfielen allein fünf auf Veröffentlichungen von Bild Online und drei auf Publikationen von Bravo Online/Bravo Sport. Es gab keine nicht-öffentlichen Rügen. Von den 21 öffentlichen Rügen wurden 13 bereits abgedruckt, bei zwei laufe das Verfahren, sechs Rügen wurden noch nicht veröffentlicht. Dazu wies Lutz Tillmanns, Geschäftsführer des Presserats, darauf hin, dass der Bauer-Verlag die Selbstverpflichtung der Verlage zum Abdrucken von Rügen generell verweigere.
Die Verteilung der beanstandeten Veröffentlichungen auf die verschiedenen Ziffern des Pressekodex‘ blieb 2017 im Vergleich zu 2016 unverändert: Auf den ersten drei Plätzen lagen Verstöße gegen die Sorgfaltspflicht (Ziffer 2), gegen die Trennung von Werbung und Redaktion (Ziffer 7) und den Schutz der Persönlichkeit (Ziffer 8). Jede zweite Rüge betraf Schleichwerbung. Die Beschwerden gegen das Spiegel-Cover mit Donald Trump als Henker der Freiheit sah der Presserat als von der Meinungsfreiheit gedeckt an.
Auf die hitzige Diskussion, die sich seit der „Kölner Silvesternacht“ 2015/16 um die Leitlinie 12 (Keine Diskriminierung) und besonders die Straftaten betreffende Ziffer 12,1 entwickelte, reagierte der Presserat im März 2017 mit einer Überarbeitung: Die Zugehörigkeit zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten soll genannt werden dürfen, wenn ein „begründetes öffentliches Interesse“ besteht. Zuvor hatte es „begründeter Sachbezug“ geheißen. Wichtiger als die Änderung der Formulierung ist für Manfred Protze, den Sprecher des Presserats 2016/17, aber die Erarbeitung von Leitsätzen (Mai 2017), welche die neugefasste Richtlinie 12,1 ergänzen und den Redaktionen praktische Entscheidungshilfen gäben. Die Spruchpraxis des Presserats habe und werde sich zu diesem Thema nicht verändern. Die Verantwortung liege für jeder Einzelentscheidung weiter bei der Redaktion. Die Entscheidung der Sächsischen Zeitung, alle Nationalitäten zu veröffentlichen, sehe der Presserat als „Experiment“ und erwarte die wissenschaftliche Untersuchung der Wirkung im Leserkreis durch die TU Dresden.
Dass Polizeipressestellen inzwischen Konkurrenz durch eigene Medien entwickelten, für die der Pressekodex nicht Richtschnur sei, entbinde die Presse nicht von ihrer Grundaufgabe, nach ihrer Medienethik Informationen zu gewichten und nach Relevanz auszuwählen, unterstrich Protze. In der anschließenden Diskussion wurde angeregt, eine Richtlinie 12,2 für Bilder zu entwerfen. Denn mit diesen würden auch unzulässige und diskriminierende Verbindungen vorgegaukelt, wie etwa die Verknüpfung von Kopftuch und Terror. Darüber werde im Presserat diskutiert werden, sagte Protze zu.
Positiver Ausblick: Unter der Federführung des Presserats gibt es seit diesem Jahr wieder einen von der Innenministerkonferenz autorisierten Bundespresseausweis, der von sechs Verbänden, darunter der dju in ver.di, herausgegeben werden darf.