Notwendige Journalistenpreise
Von Roland Stahl | Journalisten als „Wächter der Demokratie“ stellen sich nur ungern vergleichenden Betrachtungen oder einem Qualitätsranking ihrer Arbeit. Noch viel weniger mögen sie Kritik an ihren Berichten oder Bewertungen.
Von daher ist es verständlich, dass viele Journalisten Preisauszeichnungen kritisch gegenüber stehen. Zweifelsohne gibt es viele Preise, die von den Stiftern, insbesondere wenn es sich um Unternehmen handelt, zur eigenen Öffentlichkeitsarbeit eingesetzt werden. Warum auch nicht? Denn die Tatsache, dass solche Preise zum Instrumententool der Öffentlichkeitsarbeit eines Unternehmens gehören, heißt nicht, dass sie „schlecht“ sind oder der Instrumentalisierung der berichtenden Zunft dienen.
Zum einen stecken Budgets und Ausgaben dahinter. Von daher ist es nur legitim, dass die Preisstifter ihre Verleihungen auch vermarkten. Noch wichtiger aber ist: Die Preisverleihungen greifen einen Umstand auf, der mit der schneller werdenden Medienwelt leider immer häufiger um sich greift: Die handwerkliche journalistische Arbeit lässt – nicht immer, aber immer öfter – deutlich zu wünschen übrig. Längst ist es nicht mehr selbstverständlich, dass das grundlegende Rüstzeug des journalistischen Handwerks beherrscht wird. Der gleiche negative Trend ist bei der Trennung von Bericht und Kommentar festzustellen. Sogar in Artikeln von Nachrichtenagenturen verschwimmen schon mal die Stilformen und fließen persönliche Wertungen der Autoren ein. Ärgerlich auch: Konkurrenz- und Zeitdruck verführen immer mehr zur ungeprüften Übernahme von Zahlen, Behauptungen und Scheinfakten. Die Qualität der journalistischen Arbeit stimmt einfach in vielen Fällen nicht mehr.
Von daher sind Journalistenpreise eine höfliche Aufforderung, wieder handwerklich sauber zu arbeiten. Nur so werden Medien ihrer in einer Demokratie notwendigen Wächterfunktion genügen können. Journalistenpreise sind keine öffentlichkeitswirksamen Auszeichnungen unkritischer Berichte, sondern rücken die Qualität medialer Arbeit in den Vordergrund. Und das ist gut so! Wenn es fast ausschließlich handwerklich gut gemachte Artikel geben würde, ja dann wären Preisverleihungen tatsächlich überflüssig. So aber muss es doch zu denken geben, dass offenbar sachlich korrekte, inhaltlich kritische oder gar wirklich investigative Berichte so selten und somit auffällig geworden sind, dass sie sogar ausgezeichnet werden.
Dr. Roland Stahl, Pressesprecher und Leiter der Abteilung Kommunikation der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), absolvierte ein klassisches Tageszeitungsvolontariat.
Unkalkulierbare Nebenwirkungen
Von Gisela Sonnenburg | Man könnte jubeln, man könnte so glücklich sein: Immer mehr Journalisten- und Medienpreise werden vergeben. Da fällt viel ab vom Gönnertisch der Stiftungen, Firmen und Verbände: von klitzekleinen Mini-Ehrungen bis hin zur veritabel-lukrativen Großauszeichnung. Die gilt der Fachwelt mehr als Examina oder Zeugnisse. Zum ehrenvollen Beispiel: Egon-Erwin-Kisch-, Grimme-, Wächter-Preis. Wer so einen hat, ist anerkannter 1-A-Supersahne-Journalist, von geprüfter Güte. Scheinbar gerecht, das Gewinner-Karussell.
Warum aber profitieren meist diejenigen vom Preis-Roulette, die ohnehin die größte Reichweite, den höchsten Verdienst, die stärkste Rezeption, die besten Bedingungen haben: Hochbezahlte Autoren von Spiegel, Stern, Geo oder Zeit sahnen oft ab; nur selten trifft es „Ärmere“. Und wehe dem, der politisch geschmäht wird – oder zu kleinauflagig vorgeht: Wer beim Neuen Deutschland, dem Holsteiner Landboten oder Radio Regional schuftet, mag zwar für vergleichsweise wenig Geld gute journalistische Ergebnisse erzielen. Aber fette Preise?
Oft steckt auch noch ein kapitales Problem dahinter: Preisverleiher – ob Pharmakonzerne, Kirchen, Parteien oder Karnickelzüchter – müssen ihr eigenes Wohl im Blick haben. Es ist raffinierter Lobbyismus, wenn sie Preise verteilen: Je wichtiger die Preisempfänger, desto mehr blühen die Spender auf. Eine Imagepolitur mit hohem Nutzen bei geringen Kosten: Kaum eine Maßnahme macht so schnell so einseitig positiv bekannt wie eine Preisvergabe. Der Auslober erhält viel freundliche Aufmerksamkeit – und beifälliges Nicken der Medien. Ein harmloses Beispiel: Früher wusste kaum ein Journalist, dass es die Bundestierärztekammer gibt. Sie hob vor der Einführung des Euro die Tierarzt-Honorare drastisch an. Und spendierte 2000 Euro Preisgeld, damit Journalisten „Verständnis für den tierärztlichenaBeruf“ wecken. Die Folge: Jetzt sind sogar journalistische Tierhasser an der Thematik interessiert. Nicht nur schön: Etwaige Missstände in Praxen werden gerne übersehen.
Auf solchem und auf anderem Weg: Medienpreise haben unkalkulierbare Nebenwirkungen. Sie sind Wunschmaschinen und beeinflussen die öffentliche Meinung stärker, als sie wollen und sollen. Das ist gefährlich. Zumal ständig die Versuchung lockt, im Hinblick auf Preislorbeer bestimmte Dinge zu veröffentlichen und andere nicht. Ehrlicherweise dürfte es nur Preise für PR geben – denn PR ist der geheime Zweck jeder Verleihung.
Gisela Sonnenburg, studierte Philosophin und Kulturkritikerin, arbeitet als freie Journalistin in Berlin.