Quelle der Nachricht: Öffentlichkeitsarbeit

Schlussfolgerungen aus einer Diplomarbeit der Universität Leipzig über dpa

Nachrichtenagenturen gelten als Hort der Seriosität. Jetzt heißt es in einer Diplomarbeit von der Universität Leipzig, dass die dpa, Deutschlands größte Presseagentur, in einigen Landesbüros in größerem Umfang Pressemitteilungen weitgehend übernommen und als eigenrecherchierte Meldung herausgegeben hat. dpa bewertet diese Vorgehensweise anders als der Diplomant.

Innerhalb von vierzehn Tagen gehen in einem typischen Landesbüro der dpa rund 200 Mitteilungen ein – von Informationen der Polizei und Behörden bis hin zu Stellungnahmen von Politikern, Parteien und Verbänden. Ein normaler Vorgang, viele machen PR und versuchen, ihre Verlautbarungen auch über eine Nachrichtenagentur zu transportieren. Diese geht jedoch nicht immer angemessen mit diesen PR-Mitteilungen um, meint der Leipziger Journalist Tobias Höhn. In seiner Diplomarbeit hat er zwischen November 2004 und Februar 2005 über sechs Wochen die Landesbüros von NRW, Sachsen und Baden-Württemberg und deren Außenstellen untersucht.

Nur teilweise Nachrecherche

Das Ergebnis: Zwar hat man die Mehrzahl der Pressemitteilungen einfach aussortiert. Die verbliebenen wurden allerdings in großem Maße zu dpa-Meldungen umgeschrieben. Das machte immerhin mehr als die Hälfte des gesamten Outputs aus. „Was nicht heißen soll, dass die PR-Texte 1:1 übernommen wurden“ erklärt Höhn. „Es wurde auch in manchen Fällen nachrecherchiert, es wurden zusätzliche Stimmen eingeholt. Aber das war nicht die Regel.“ Bei fast 90 % aller untersuchten Nachrichten, die auf Pressemitteilungen zurückgehen, war es nicht nur so, dass diese nur die einzige Quelle der Nachricht waren. Auch die Kernaussage der Pressemitteilung sei komplett in die Meldung übernommen worden. Und: bei einem Viertel aller Meldungen habe sich nicht erschlossen, welche Quelle dahinter steht. So hat die „Vereinigung der sächsischen Wirtschaft“ im November 2004 den Abschluss der Koalitionsgespräche begrüsst, wie sie per Mail erklärte. Genau das ging dann auch über den Ticker, ohne zu erwähnen, dass die Quelle eine Pressemitteilung war. In einem anderen Fall teilte das Sächsische Wirtschaftsministerium mit, dass Sachsen erfolgreich in Usbekistan sei. Nur unkonkret wurde behandelt, was man dort gemacht hätte, zu einem Projektabschluss sei es nicht gekommen. Trotzdem wurde die Pressemitteilung mit der gleichen Überschrift übernommen – ohne weitere Informationen einzuholen.
Der Grund für dieses Vorgehen ist nicht nur Zeitdruck, wie Tobias Höhn bei einer Befragung herausfand. „Pressestellen, mit denen man öfter zusammenarbeitet, ist man per se gütlicher gestimmt. Man weiß, wer da auf der anderen Schreibtischseite sitzt, der liefert immer zuverlässige Informationen“, sagt Höhn. „Hinzu kommt: Nachrichtenstücke sind immer knappe Meldungen, zumindest die erste Meldung. Redakteure sagten mir, die Pressemitteilung reicht mir aus, zumindest für die erste schnelle Nachricht. Da steht alles drin, mehr Informationen kann ich eh nicht unterbringen.“
Fakt ist: Auf diese Weise werden Rechercheleistungen vorgegaukelt, die zumindest teilweise nicht erbracht werden. „Wenn Nachrichten eingehen, die das Label dpa tragen, geht man davon aus, die haben das recherchiert, das sind Informationen, auf die können wir uns verlassen, dort sitzen Menschen, die kennen sich aus. Wenn dieser Prozess der Überprüfungsrecherche, der Erweiterungsrecherche, nicht passiert, leidet darunter auch das Vertrauen in die Agenturen und in den deutschen Agenturmarkt“, befürchtet Höhn.
Bei der dpa, die dem Journalisten bereitwillig für die Untersuchung ihre Türen geöffnet hat, ist man mit der Kritik Höhns jedoch nicht einverstanden. Pressemitteilungen, die von Behörden, Parteien und Verbänden kommen, werden in der Chefredaktion nicht als PR angesehen. Somit müssten sie auch nicht zwingend überprüft werden, meint Michael Ludewig, Mitglied der dpa-Chefredaktion. „Dass wir diese Informationen, wenn sie in sich schlüssig und plausibel sind, auch so transportieren, wie sie herausgegeben worden sind, das ist unsere Aufgabe. Wir haben bis zu einem gewissen Grad auch diese Aufgabe als Transporteur von Informationen.“ Gleichwohl räumt Ludewig ein, dass es auch Ausrutscher gegeben haben könnte. Einzelne Beispiele, die in der Diplomarbeit Höhns erwähnt worden sind, habe man ausgewertet.

Mehr Hintergründe

Auch wenn man sich der Gesamtwertung der Arbeit, dass in großem Maße PR-Mitteilungen unkritisch übernommen werden, nicht anschließt, so zieht die dpa aus der Diplomarbeit doch Schlüsse für die Praxis. Bereits in den letzten Jahren habe man beobachtet, dass die Kunden mehr an Hintergründen und an der Einordnung von Informationen interessiert sind – während die reine Transportfunktion, die früher das Monopol von Agenturen war, nicht mehr so stark gefragt ist. „Wir können uns in diesem Bereich zurücknehmen, das heißt, weniger Transport von Stellungnahmen, mehr durchdringende Hintergründe. Diese Art von Umsteuern ist uns wichtig und deshalb ist die Untersuchung sehr sehr hilfreich, weil sie uns sagt: Liebe dpa, in diesem Punkt setzt ihr noch sehr viel Arbeitskraft ein und möglicherweise auf einem Gebiet, das nicht mehr so relevant ist“, so das Fazit Ludewigs.
Mehr Recherche bei der dpa – zumindest darin dürften sich der Journalist Tobias Höhn und die Deutsche Presse-Agentur einig sein. Wie die dpa jedoch mit ihrer Transportfunktion, also der teilweise unkritischen Übernahme von Pressemitteilungen in Zukunft umgehen möchte, ist offen.

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