Rebellentum – nein danke!

Rebellentum und Atomkraft hat in einer seriösen Reisebroschüre nichts zu suchen, findet das Umweltbundesamt. Der Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCE) findet das „natürlich schade, weil es nun mal zur Region dazu gehört und prägt“. Vom Wendland ist die Rede.

Dort hat sich Charlotte Schmitz umgesehen. „Zweimal im Jahr herrscht Ausnahmezustand“, schreibt sie in einer Reportage. Einmal zwischen Himmelfahrt und Pfingsten, wenn Künstler im Wendland zur „Kulturellen Landpartie“ ihre Ateliers öffnen. „Der andere Ausnahmezustand ist der ‚Tag X‘, wenn der Castor kommt“, wollte die Journalistin ihren Lesern mitteilen. Und weiter sollen sie erfahren, dass „die ‚Kulturelle Landpartie‘ durchs Wendland entstand, als die Atomkraftgegner ihrem Widerstand eine neue Form geben wollten“.

Doch das dürfen die Leser der VCE-Broschüre „Reiselust“ nicht erfahren. „Wundern sie sich bitte nicht, dass der Text etwas abgeändert erschienen ist. In letzter Minute forderte uns das Umweltbundesamt auf, alles was mit Atomkraft und Rebellentum in den Wendlandtexten stand herauszunehmen“, so der VCE in einem Brief an Schmitz, der ihrem Belegexemplar beigelegt war. In Reiselust soll den Menschen nahe gebracht werden, ihren Urlaub ohne Auto zu verbringen. Das findet auch der Umweltminister klasse. „Dieses Projekt wurde vom Bundesumweltministerium und vom Umweltbundesamt finanziell gefördert“, steht im Impressum der Broschüre. Das Umweltbundesamt ist dem Bundesumweltministerium unterstellt und oberster Dienstherr ist der einstige Wendlandkämpfer Trittin.

Für die Leser von Reiselust ist das Wendland eine rebellenfreie Zone. Sie erfuhren lediglich, dass die „Kulturelle Landpartie“ zum 16. Mal stattfand. Ob bei der 17. Auflage Schilder mit der Aufschrift „Hier demonstrierte einst Jürgen Trittin“ aufgestellt werden, wird Rebellenkreisen zufolge derzeit diskutiert. Lesen kann der grüne Umweltminister die unzensierte Reportage in einer Reisebeilage seiner Lieblingszeitung „taz“.

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Freie unter Honorar-Druck

Die prekären Arbeitsverhältnisse im Journalismus sind schon lange bekannt. Besonders trifft es aber freie Journalist*innen, deren Honorare sogar noch weiter sinken. Das hat auch Auswirkungen auf die Art des journalistischen Arbeitens.
mehr »

Anti-SLAPP-Gesetz ungenügend

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di kritisiert das von der Bundesregierung beschlossene Anti-SLAPP-Gesetz. Es beschränke den Schutz vor Einschüchterungsklagen nur auf grenzüberschreitende Fälle. Damit bleibe ein Großteil der realen Bedrohungslagen für Journalist*innen in Deutschland unberücksichtigt.
mehr »

Inhalte brauchen Moderation

Theresa Lehmann ist Tiktok-Expertin bei der Amadeu Antonio Stiftung. Sie leitete das Modellprojekt pre:bunk, das zum Ziel hatte, Jugendliche mit Videoformaten zu Desinformation auf TikTok zu sensibilisieren. Mit M sprach sie über Regulierung, Verbote und Gefahren von Social Media.
mehr »

dju warnt: Angriffe auf Journalist*innen nehmen zu


mehr »