Resignation und Jammern nutzen nichts

Professor Kleinsteuber macht der dju Mut, und die beschließt eine Qualitäts-Charta

Gnadenlos analysierte der Hamburger Politik- und Journalistikprofessor Hans J. Kleinsteuber als Gastredner die Medienlandschaft und benannte pointiert die Krisensymptome.

Medien seien die einzigen Unternehmen, die sich „von Dritten aushalten“ lassen: der werbenden Wirtschaft. Wegbrechende Werbeeinnahmen rufen die Konsolidierer auf den Plan, „die schlagen kahl, verschlanken Redaktionen oder lösen sie ganz auf“, so Kleinsteuber in einer seiner zehn Krisenthesen. Die einen Journalisten würden entlassen, die anderen betrieben aus Angst vor Kündigung Selbstzensur und hätten durch Personalmangel weniger Zeit zum Recherchieren.

Kleinsteuber geißelte Fehlinvestitionen in „völlig überschätzte“ digitale Technologien und kostenlose Internetangebote. „Eine Generation selbstgefälliger und eitler, dazu immer auf das eigene Wohl bedachter Spitzenmanager hat auf Teufel komm heraus expandiert, investiert und verschuldet.“ Das geforderte Gürtel-enger-Schnallen würde leichter fallen, wenn die Unternehmen nicht früher „das Geld mit vollen Händen ausgegeben“ hätten. Bei mehr Mitbestimmung hätten „einige der maßlosesten Manöver noch gestoppt werden können“.

Und dann die Verflachung der Inhalte! „Vor 20 Jahren hätte Dieter Bohlen nie das werden können, was er heute ist“, klagte Kleinsteuber. „Eine Medienlandschaft, die nur noch aus Seifenopern, Dudelradios und Anzeigenblättern besteht, zerstört unsere Zukunftsfähigkeit.“

Medienpolitisch melden

„Aber Resignation und Jammern nutzen nichts“, sprach er den Delegierten Mut zu. „Selbstgefälliges Machtgebaren“ könne „nur durch Gegenmacht konterkariert werden“. Deshalb müssten sich die Gewerkschaften „politisch einschalten und medienpolitisch zu Wort melden“.

Der Professor sprach vielen aus der Seele. Manche Medien seien nicht die Schule der Nation, sondern eher der Kindergarten, sagte Bundesvorstandsmitglied Franz-Josef Hanke. Manfred Protze nannte die bedrohte Qualität ein „kulturelles Erbe“, das in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis verteidigt werden müsse. Ein Delegierter warb mehrfach für radikalere Lösungen, zum Beispiel, alle Werbeerlöse in einen Pool einzubringen, aus dem dann auch schwächere Medien versorgt würden. Ein anderer meinte, es gebe auch eine „Krise in den Köpfen“ der Journalisten. Er klagte über Agenturgläubigkeit und mangelnde Selbstreflexion.

Als konkreten Beitrag zu dieser Debatte beschloss die Bundeskonferenz einmütig eine „Charta zur Sicherung von Qualität im Journalismus“ – Basis war eine Entschließung aus Baden-Württemberg von 1999. Journalisten und Medienunternehmer seien aufgefordert, gesellschaftlich akzeptierte Leitbilder, Qualitätsstandards und Ziele gemeinsam zu definieren, innere Pressefreiheit und die Mitwirkung der Journalisten dabei zu sichern, heißt es in der Charta. „Journalismus orientiert sich an den ,Publizistischen Grundsätzen‘ des Deutschen Presserates.“ Eine „verbindlich geregelte und stetige Aus- und Weiterbildung“ sei ebenso nötig wie „gute Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit“. Da Journalismus von Unabhängigkeit lebe, dürfe der Kampf um Marktanteile nicht die Grenzen von Information und Werbung verwischen. Redakteure müssten zeitliche Freiräume für intensive Recherchen bekommen.

Es folgten mehrere Einzelanträge. So soll das Kartellrecht im Sinne der Medienvielfalt verbessert werden – samt Meldepflicht für alle Kapitaltransaktionen im Medienbereich. Erneut wurde die Abschaffung des Tendenzschutzes gefordert, der die Mitbestimmung weitgehend einschränkt. Bis es soweit ist, sollen die Verlage und vor allem Gewerkschaften freiwillig auf seine Anwendung verzichten. Die rot-grüne Koalition wurde aufgefordert, endlich ihr schon im Koalitionsvertrag angekündigtes Informationsfreiheitsgesetz zu verwirklichen, das einen umfassenden Zugang zu amtlichen Informationen garantieren soll.

 

Weitere aktuelle Beiträge

„Das Arbeitsklima ist extrem hart“

In der Nahaufnahme für das Jahr 2025 beschäftigt sich Reporter ohne Grenzen (RSF) unter anderem mit der deutschen Berichterstattung zum Gaza-Krieg nach dem Überfall der Hamas auf Israel. Von der Organisation befragte Journalist*innen sprechen über massiven Druck, Selbstzensur und erodierende journalistische Standards. Ein Interview mit Katharina Weiß, Referentin bei Reporter ohne Grenzen Deutschland.
mehr »

AfD-Einstufung zwingt Rundfunkgremien zum Handeln

Das zunächst unter Verschluss gehaltene Gutachten des Verfassungsschutzes, welches zur Einstufung der Partei Alternative für Deutschland (AfD) als „gesichert rechtsextremistische Partei“ führte, wurde nunmehr durch Medien veröffentlicht. Innenminister Dobrindt ließ zunächst offen, inwiefern juristische Schritte gegen die Veröffentlichung geplant seien. Christoph Schmitz-Dethlefsen, für Medien zuständiges Mitglied im Bundesvorstand von ver.di, begrüßt, dass nun öffentlich über das Zustandekommen der Einstufung diskutiert werden kann.
mehr »

Journalismus unter populistischem Druck

Journalismus steht unter Druck. Das machte auch die Würdigung von Maria Kalesnikawa mit dem „Günter-Wallraff-Preis für Pressefreiheit und Menschenrechte“ deutlich. Dieser wurde im Rahmen des „Kölner Forum für Journalismuskritik“ an sie verliehen. Klar wird auch hier: die Branche hadert generell mit ihrer Identität.
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »