Schleichwerbung für Immobilie

Presserat rügt mehrfache Verletzung des Trennungsgebotes

In den September-Sitzungen der Beschwerdeausschüsse des Deutschen Presserates in Bonn wurden fünf Rügen ausgesprochen. Vier davon verurteilten die Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Redaktion und Anzeigen (Richtlinie 7.1./7.2.).

Das Fußballmagazin Kicker wurde gerügt wegen so genannter Flexformat-Anzeigen. In Veröffentlichungen über die deutsche Fußball-Nationalmannschaft waren sechs Anzeigen „eingebaut“, die in den Fließtext der Artikel eingepasst waren. Diese Gestaltung erwecke den Eindruck, die Werbung sei Bestandteil des redaktionellen Beitrages, hieß es in der Begründung. Schleichwerbung erkannte der Presserat in einem Beitrag der Mittelbayerischen Zeitung über eine Immobilie in München. Das Blatt hatte auf Basis eines PR-Beitrages und unter Verwendung eines PR-Fotos des Bauträgers über Luxuswohnungen berichtet. Die von der Zeitung vorgenommene Bearbeitung des Werbematerials war nach Ansicht des Ausschusses unzureichend. „Die Veröffentlichung enthielt stark anpreisende Formulierungen, mit denen die Grenze zur Schleichwerbung deutlich überschritten wurde.“
Die Zeitschrift Das Einfamilienhaus wurde für einen Beitrag zum Thema Bauhaus-Architektur gerügt. In der Veröffentlichung wurden ausschließlich Häuser eines bestimmten Herstellers vorgestellt mit einem Hinweis auf die Homepage dieses Unternehmens. In dieser Heraushebung eines Herstellers aus einer Palette mehrerer Anbieter sah das Gremium Schleichwerbung.
Ebenfalls wegen Schleichwerbung erhielt die Bunte eine Rüge. Sie hatte unter der Überschrift „Lustobjekt“ über ein neues Automodell berichtet und in diesem Zusammenhang eine bekannte Schauspielerin, mit der der Hersteller wirbt, zitiert. Die Schauspielerin äußert sich überschwänglich über die Qualität des neuen Wagens. Diese Aussagen waren einer Pressemitteilung des Autoherstellers entnommen. Auch der Designer des Fahrzeuges schwärmt von seiner Kreation: „Es ist das schönste Auto, das ich je entworfen habe.“ Illustriert wurde der Beitrag mit entsprechenden Werbefotos, auf denen der Wagen plakativ in Szene gesetzt wurde. Mit diesem Beitrag sei die Grenze zwischen zulässiger Berichterstattung über ein neues Produkt und Schleichwerbung deutlich überschritten worden, so der Presserat.
Eine nicht-öffentliche Rüge wurde gegen die Borkumer Zeitung ausgesprochen. Sie hatte über die Verurteilung eines Borkumers zu einer zehnmonatigen Haftstrafe berichtet und dabei dessen vollen Namen genannt. Der Prozess lag mehr als einen Monat zurück. Die namentliche Nennung verletzt den Beschwerdeführer in seinen Persönlichkeitsrechten und ist ein Verstoß gegen Ziffer 8, Richtlinie 8.1 des Pressekodex.

Personen eingekreist

Der Beschwerdeausschuss zum Redaktionsdatenschutz sprach in einem Fall eine Missbilligung aus. Ein Anzeigenblatt veröffentlicht in einer regelmäßigen Rubrik „Glückskreis“ Fotos von willkürlich auf der Straße aufgenommenen Personen ohne deren Wissen. Jeweils eine Person wird durch einen gelben Kreis hervorgehoben. Der Ort der Aufnahme wird genannt. Wenn die Person sich wiedererkennt und sich bei der der Redaktion meldet, erhält sie einen Einkaufsgutschein in Höhe von 25 Euro. Der Ausschuss sieht darin eine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nach Ziffer 8 des Pressekodex. „Die Fotos der betroffenen Personen dürfen nicht ohne deren Einverständnis veröffentlicht werden. Durch die Einkreisung des Gesichts einer einzelnen Person wird diese derart individuell hervorgehoben, dass die Fotos nicht mehr den Charakter einer Übersichtsszene haben, sondern ein Personenporträt darstellen.“
Insgesamt wurden in den drei Beschwerdeausschüssen 80 Beschwerden behandelt. Dabei wurden neben den Rügen noch 15 Missbilligungen und 15 Hinweise ausgesprochen. In 37 Fällen wurden die Beschwerden als unbegründet erachtet. In drei Fällen hatten sich mehrere Beschwerdeführer gegen dieselbe Veröffentlichung beschwert, hier wird das Ergebnis jedoch nur einmal gezählt.

Weitere aktuelle Beiträge

Journalistische Rolle: Mächtige kontrollieren

Der Journalismus steht in der digitalisierten Gesellschaft besonders unter Druck, wenn er seine demokratische Aufgabe, Öffentlichkeit herzustellen, weiterhin erfüllen will. Das beeinflusst auch Rollenverständnis und Werteorientierung der Medienschaffenden. Nach einer aktuellen Studie zur Profession in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist den meisten Journalist*innen heute ihre Kontrollfunktion als „Watchdog“ der Mächtigen am wichtigsten.
mehr »

Koalitionsvertrag: Details zu Presse und Medien

Am 9. April haben CDU/CSU und SPD als Grundlage für ihre mögliche Zusammenarbeit als neue Regierung den in den vergangenen Wochen verhandelten Koalitionsvertrag vorgestellt. Wir dokumentieren einige Details zum Bereich Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk, Medien- und Netzpolitik, sowie zu Digitalisierung und Medienkompetenz.
mehr »

Medienrat: Chance für den ÖRR

Der Medienrechtler Wolfgang Schulz hält es grundsätzlich für positiv, einen Medienrat zu schaffen, der evaluiert, ob die öffentlich-rechtlichen Sender ihren Auftrag insgesamt erfüllen. Es sei „eine gute Idee“ eine Institution zu haben, die gesamthaft die Entwicklung der Rundfunkanstalten in den Blick nehme, erklärt Schulz, Vorstandsvorsitzender des Leibniz-Instituts für Medienforschung Hans-Bredow-Institut (HBI).
mehr »

Die unendliche Krise des RBB

Der Schock sitzt nach wie vor tief. „2025 wird ein Schicksalsjahr für den RBB“, so die unfrohe Botschaft von Intendantin Ulrike Demmer Ende Januar auf einer Informationsveranstaltung vor der fassungslosen Belegschaft. Was folgte, war ein radikales Sanierungsprogramm für den Sender. Insgesamt 22 Millionen Euro will die Geschäftsleitung am Personal- und Honoraretat einsparen. Das entspricht 10,2 Prozent der bisherigen Aufwendungen und ziemlich genau 254 Vollzeitstellen.
mehr »