Schutzlos trotz Presseschild

Sicherheit von Journalisten in bewaffneten Konflikten im Fokus

Um den „Schutz von Journalisten in bewaffneten Konflikten“ ging es beim 19. Forum Globale Fragen. Im Mittelpunkt der von InWEnt (Internationale Weiterbildung und Entwicklung gGmbH), Reporter ohne Grenzen und dem Auswärtigen Amt organisierten Veranstaltung sollten praktische und rechtliche Möglichkeiten zur Verbesserung des Schutzes von Journalisten in Krisen- und Kriegsgebieten stehen.

Wie aktuell die Diskussion über die Gefährdung und den Schutz von Krisen- und Kriegsberichterstattern ist, zeigt der Tod von Fadel Shana. Mitte April war der Kameramann bei seiner Arbeit für die Nachrichtenagentur Reuters im Gazastreifen von einer israelischen Granate getötet worden war. Weder die Schutzweste noch die Presseschilder, die ihn als Journalisten auswiesen, hatten ihn schützen können. Dass Berichterstatter in solchen Gebieten immer weniger als Zivilpersonen wahrgenommen werden, obwohl sie – wie Zivilisten allgemein – durch die Genfer Konventionen geschützt sind, zog sich wie ein roter Faden durch die Veranstaltung in Berlin. Günter Nooke, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe, erinnerte in seiner Rede daran, „dass die meisten Opfer einheimische Berichterstatter sind und nicht etwa bei Kampfhandlungen ums Leben kommen, sondern durch gezielte, man könnte auch sagen politische Tötungen. Auch dies ist ein Hinweis, dass die Tötungen von Journalisten in der Regel ein vorsätzlicher Angriff auf die Informations- und Medienfreiheit sind.“ Er betonte, dass deshalb gerade auch der Staat die Pflicht etwa zur Durchsetzung des Humanitären Völkerrechts habe. Daneben wies er allerdings auch auf die Verantwortung der Journalisten und ihrer Auftraggeber für die Sicherheit der Reporter in Krisen- und Kriegsgebieten hin.
Dem Gedanken Nookes, dass in einem Kriegsgebiet letztlich nur die Journalisten selber entscheiden können, welches Risiko sie eingehen, welche Vorbereitungen und Schutzmaßnahmen sie treffen, stimmte Ulrich Tilgner zu. Der frühere ZDF-Korrespondent machte gleichzeitig deutlich, dass mehr Schutz, etwa durch Leibwächter, auch Nachteile habe: „Je mehr Sicherheit Journalisten um sich sammeln, umso weniger Informationen bekommen sie.“ Dramatische Veränderungen für die Berichterstattung und für die Rolle der Medien sieht Tilgner als Folge der so genannten asymmetrischen Kriege, in denen sich keine regulären Armeen gegenüberstehen. „Dass man neutral zwischen den Konfliktparteien steht, wird immer weniger möglich sein.“ Journalisten müssten versuchen, mit der einen oder der anderen Seite zusammenzuarbeiten, ohne sich mit den Kriegsparteien gemein zu machen, damit Berichterstattung überhaupt noch möglich sei. Allerdings gibt Tilgner zu bedenken: „Wenn Journalisten sich embedden lassen, dann verlieren sie auch einen Status. Da können sie sich nicht beschweren, wenn sie beschossen werden.“

Ständig unter Druck

Auch der freie Journalist Christoph Maria Fröhder (Bild oben) berichtete von schwierigeren Arbeitsbedingungen. Er verwies aber auch auf die Tendenzen im Journalismus selbst: „Viele Journalisten sind nur noch hinter einem Scoop her und nicht an der Analyse interessiert.“ Fröhder richtete diese Kritik auch an die Redaktionen, die Personalisierung und Human Touch wollten und immer weniger hintergründigen Journalismus.
Von der Einflussnahme der Kriegsakteure über die Kritik an den Redaktionen bis hin zu Informationen, die gar nicht mehr von den Korrespondenten überprüft werden können, weil sie selber auf Stringer vor Ort angewiesen sind, geriet die Diskussion bald zu einer Qualitätsdebatte über den Journalismus in Krisenzeiten. Ergebnis des ersten Panels war damit eine Bestandsaufnahme der Beschränkungen und Veränderungen in der Berichterstattung – und die Erkenntnis, dass Krisen- und Kriegsreporter ständig unter dem Druck stehen, zwischen ihrer Sicherheit, ihrem Schutz und dem Willen zur Berichterstattung abzuwägen. Fragen nach praktischem Schutz, zur Versicherung der Reporter und der Absicherung freier Mitarbeiter blieben unbeantwortet.
Heike Krieger (Bild links), Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht an der Freien Universität Berlin, wies im zweiten Panel darauf hin, dass es – spätestens mit der UN-Resolution 1738, die 2006 vom Sicherheitsrat verabschiedet wurde und die ausdrücklich die Tötung von Journalisten verurteilt sowie ihren Status als geschützte Zivilisten bekräftigt – ein umfassendes rechtliches Schutzsystem gebe. Krieger: „Es sind nicht so sehr die Regelungslücken als vielmehr die Durchsetzungsprobleme.“ Rodney Pinder, Direktor des International News Safety Institute, und Mogens Schmidt (UNESCO) sind sich sicher, dass staatliche Akteure durchaus auch genau dort ansetzen können, indem sie z.B. die Straflosigkeit beenden – acht von zehn Verbrechen gegen Journalisten werden nicht untersucht oder vor Gericht gebracht – und keine Entwicklungszusammenarbeit mit Staaten betreiben, in denen Journalisten nicht frei arbeiten können oder verfolgt werden. Am Ende stand damit der Appell, kodifizierten Erklärungen auch Taten folgen zu lassen. Dies könnte jetzt in Israel geschehen: Die israelische Armee hat angekündigt, die Umstände von Fadel Shanas Tod zu untersuchen.

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