Schwieriger Arbeitsmarkt für Online-Redakteure

Multimedia-Studie zeigt, wohin der Trend bei Berufen und Qualifikationen geht

Verlässliche Inneneinblicke in den Arbeitsmarkt der bunt zusammengewürfelten Unternehmenswelt der Multimedia-Branche, deren Spannbreite vom kleinen Designerbüro bis zu Konzernunternehmen reicht, gibt es bisher kaum. Welche Menschen in welchen Berufen mit welchen Qualifikationen tätig sind und wohin der Trend derzeit geht, erfasst erstmals repräsentativ eine Untersuchung am Multimedia-Standort Hamburg.

Ein Ergebnis: Trotz der spektakulären Crashs der letzten Zeit expandiert die Zukunftsbranche stark. Doch für Online-Redakteure gibt es künftig weniger Bedarf.

Unter den über 2100 im weiteren Bereich von „New Media“ tätigen Unternehmen der Hansestadt, wurden im Auftrag des Arbeitsamtes Hamburg und der Behörde für Schule, Jugend und Berufsbildung von April bis Juni 2001 die 1041 Firmen (sie haben über 18.000 Beschäftigte) befragt, die selbst Multimedia-Produkte erstellen. 260 Personalverantwortliche von Unternehmen – darunter die „Großen“ der Branche – beteiligten sich tatsächlich an der umfänglichen Online-Befragung.

In zwei Jahren 40 Prozent mehr feste Arbeitsplätze

Dass die Branche ihre wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden zwei Jahren überwiegend optimistisch sieht (etwa die Hälfte erwartet Wachstum, nur ein Viertel ist skeptisch), führt auch künftig zu einem starken Arbeitskräftebedarf. Im Jahresvergleich 2000/2001 ist die Zahl der fest angestellten Fachkräfte um 19,6 Prozent gewachsen und für das kommende Jahr wird ein weiterer Anstieg um 18,1 Prozent erwartet.

Dabei sind die Wachstumsraten in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern höchst unterschiedlich: Die stärksten Zuwächse im Zweijahreszeitraum 2000/2002 gibt es beispielsweise mit 67 bzw. 59 Prozent in den Feldern Programmierung und Consulting, die geringsten im Bereich Marketing/Vertrieb/Branding (12 %). Überraschung: Als einzigem Tätigkeitsfeld wird bei Online-Redakteuren eine rückläufige Entwicklung (minus 10 %) prognostiziert.

Genug „Angebot“ bei Online-Redakteuren

Diese Entwicklung spiegelt sich auch bei den Klagen der Branche über Personalengpässe auf dem Hamburger Arbeitsmarkt wider. Besonders schwer ist es für Unternehmen, Fachkräfte in den Bereichen Programmierung, Konzeption und Consulting zu finden, während das „Angebot“ bei Online-Redakteuren und besonders bei Designern es Unternehmen leicht macht, offene Stellen zu besetzen. 47 Prozent der Unternehmen, die Online-Redakteure einstellen wollen, geben an, diese auf dem Arbeitsmarkt „leicht“ zu finden, und 21 Prozent (der höchste Wert der Befragung) sogar „sehr leicht“.

Unter den neun zusammengefassten Tätigkeitsfeldern ist das der Online-Redaktion dasjenige mit dem höchsten Frauenanteil. In 28 Prozent der Unternehmen beträgt er 50 bis 60 Prozent, in 32 Prozent noch darüber. Das Alter von Bewerbern ist entgegen dem herkömmlichen Bild vom „Jugendwahn“ in der jungen Branche von nachrangiger Bedeutung. Lediglich bei New-Media-Designern werden von der Mehrheit der Unternehmen Bewerber unter 30 Jahre bevorzugt, da sie mit ihrer Qualifikation „up to date“ sind.

Aus- und Weiterbildung noch keine Selbstverständlichkeit

Dem wachsenden Arbeitskräftebedarf durch eigene Qualifizierungsanstrengungen zu begegnen, ist für die Multimedia-Unternehmen noch lange keine Selbstverständlichkeit. Nur etwas mehr als die Hälfte der Unternehmen (54 %) bieten eigene Aus- oder Weiterbildung an. Und dabei dominieren vor allem Praktika (in 81% derjenigen, die Qualifizierung anbieten) oder interne Seminare (63 %).

Mit der Qualifikation ihrer Mitarbeiter sind die Multimedia-Unternehmen größtenteils zufrieden. Nach wie vor wird überwiegend ein abgeschlossenes Universitätsstudium, gefolgt vom Fachhochschulstudium für die meisten Tätigkeiten als beste Voraussetzung betrachtet. Hoch wird in der Branche auch das „Training on the Job“ bewertet.

Akademische Ausbildung ist meist der Königsweg

Bei der „Schulnotenbewertung“ über Erfahrung mit Absolventen verschiedener Qualifikationswege erhalten die Hochschulabsolven-ten eine „glatte 2“, gefolgt von Autodidakten. Weniger positiv bewertet die Branche Umschulungen (3,5) und kürzere Weiterbildungsangebote (3,9), während über halbjährige Kurse besser abschneiden (3,2).

Auch wenn die Hamburger Studie „ArbeitsmarktMonitor Multimedia Hamburg 2001“ – ihre vollständigen Ergebnisse sollen im Herbst veröffentlicht werden – nur auf der Befragung an einem Multimedia-Standort beruhen, sind sie nach Ansicht der Macher (MMB Michel Medienforschung, who is verlag und Service Digitale Arbeit) auf die Branche in Deutschland insgesamt übertragbar. Unterschiede ergeben sich vor allem in differierenden Bedarfen spezieller Fachkräfte, so in Berlin in Richtung Design oder in München in Bezug auf Film und Fernsehen.

 


 

Holtzbrinck kappt online-Stellen – Entlassungen in den Internet-Redaktionen von „Handelsblatt“, „Wirtschaftswoche“ und „DM Online“.

Getroffen hat es mit 29 der 117 Angestellten faste jeden vierten der „Economy.One“-Mitarbeiter, darunter fast die gesamte Führungsmannschaft und zahlreiche Online-Redakteure ….Die Vorgänge bei Holtzbrinck entsprechen der trüben Stimmung in der Internet-Branche – Entlassungen allenthalben. Nun scheint auch der redaktionelle

Bereich verstärkt ins Visier der Controller zu kommen. Damit wird ein Trend aus den USA aufgenommen, wo schon seit Jahresbeginn fröhlich gefeuert wird… Die Crux bei der Entwicklung: Es lässt sich mit redaktionellen Inhalten einfach kein Geld verdienen.“


  • Uli Bentele, in der „Welt“ vom 16. Juli 2001

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Proteste bei TiKTok in Berlin

Rund 150 Beschäftigten der Trust and Safety-Abteilung (Content-Moderation) von TiKTok und einem Teil der Beschäftigten aus dem Bereich TikTok-Live (rund 15 Beschäftigte) in Berlin droht die Kündigung. Das  chinesische Unternehmen plant die Content-Moderation künftig verstärkt durch Large-Language-Models (Künstliche Intelligenz) ausführen zu lassen und die Arbeit an andere Dienstleister auszulagern. Dagegen protestierten heute vor der TikTok-Zentrale in Berlin Beschäftigte und Unterstützer*innen.
mehr »

Der Clickbait mit den miesen Botschaften

„Der Köder muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, nach diesem Motto bewertete einst Helmut Thoma, der kürzlich verstorbene ehemalige RTL-Chef, den Erfolg von Programmformaten. Dieses für private Sender typische Prinzip findet inzwischen seine Fortsetzung in immer mehr digitalen Nachrichtenportalen. Das untermauert eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung (MPIB) in Berlin nach der Auswertung von 40 Millionen Schlagzeilen.
mehr »

Dokumentarfilme: Näher an der Wahrheit

Das bekannte Archiv–Storytelling in Dokumentationen befindet sich im Wandel. Und das ist auch notwendig: Weg von stereotypen Erzählmustern, hin zu ganzheitlichen Betrachtungen. Bislang unbekanntes Archivmaterial  spielt darin eine wesentliche Rolle. Beispiele dafür gab es  auf der Sunny Side of the Doc im französischen La Rochelle zu sehen, wo die internationale Doku-Branche zusammenkam.
mehr »

Für ein digitales Ökosystem

Markus Beckedahl, Journalist und Gründer des Online-Portals www.netzpolitik.org, erkennt  im System des öffentlich-rechtlichen Rundfunk den Ort, wo alternative digitale Infrastrukturen gut entwickelt werden können. Ungarn und Polen haben es vor Jahren gezeigt, die USA erleben es gerade aktuell und die Welt scheint dabei zuzuschauen: Die Aushebelung demokratischer Strukturen durch gewählte Regierungen.
mehr »