Selbstbestimmtes Twittern

Bild: Pixabay

Twitter hat sich hübsch gemacht: Runde Profil-Fotos und schönere Schriften sollen eine einfachere Bedienbarkeit unterstreichen. Doch auch die Privacy-Einstellungen sind neu: Nutzer können jetzt genauer steuern, was sie sehen und was andere von ihnen sehen dürfen. Vor allem in Sachen Transparenz hat Twitter nachgelegt.

Nutzer_innen können nun im Bereich „Datenschutz und Sicherheit“ diverse Einstellungen vornehmen und sich sogar von der Erfassung durch Werbekunden komplett zurückziehen. Die neuen Datenschutzrichtlinien gelten seit dem 18. Juni. Hier die wichtigsten Punkte:

Standort: Die Funktion der Standortdienste ist standardmäßig deaktiviert. Möchte man den Dienst nutzen, muss man ihn also aktivieren. Wobei es mit dem Button „Genauen Standort teilen“ die Möglichkeit gibt, an einen Tweed die Daten zu Längen- und Breitengrad anzuhängen. Neu ist, dass Standortinformationen rückwirkend für alle Tweets gelöscht werden können.

Die Standortfunktion kann für Journalist_innen sehr sinnvoll sein. Denkbar ist die automatische Dokumentation des Standorts samt Tweets bei speziellen Ereignissen, wenn mehrere Reporter berichten. Über die Twitter-API können Redaktionen die Tweets auslesen, filtern und damit neue Formate der Live-Berichterstattung unterstützen. Andererseits ist eine Deaktivierung in Situationen angeraten, wenn Journalist_innen sich etwa mit Informant_innen treffen oder in Kriegsgebieten über lebensgefährliche Einsätze berichten.

Foto-Markierungen: Weniger geglückt ist die Lösung für Foto-Markierungen: So kann der Nutzer entscheiden, ob er es allen anderen Nutzern erlaubt, ihn in Fotos zu markieren oder eben auch nicht. Außerdem kann er Leuten, denen er folgt, generell die Foto-Markierungen erlauben. Was fehlt ist die klassische Einwilligung, um das eigene „Recht am Bild“ durchzusetzen: Man wird markiert und erteilt das Einverständnis, die Markierung veröffentlichen zu dürfen.

Identifizierung: Insbesondere Nutzer_innen mit Pseudonymen dürften die neuen Identifizierungsmöglichkeiten wenig zusagen: So kann man anderen erlauben, sich per E-Mail-Adresse oder Telefonnummer finden zu lassen.

Hinzu kommt, dass Twitter über die hauseigene Smartphone-App einwandfrei feststellen kann, ob eine Person mehrere Accounts betreibt. Für den Nutzer wird dies daran ersichtlich, dass er beim Klick auf das eigene Profil auswählen kann, welchen Twitter-Account er nutzen darf. Loggt sich der Nutzer später über die Web-Applikation in seinen Account ein, wird er gefragt, ob die über die App erfasste Mobilfunknummer zum Account gehört.

Legt man Wert darauf, von Twitter nicht identifiziert zu werden, muss man seine Konten nicht nur über verschiedene E-Mail-Adressen anmelden, sondern auch mit verschiedenen Apps und Geräten betreiben. Denn Twitter verknüpft automatisch alle benutzten Geräte mit dem Account, in den man sich angemeldet hat.

Kontaktdaten: Die Twitter-App kann überdies alle E-Mail-Adressen von Followern sowie die eigenen Adressbuch-Kontakte erfassen, um sie für Vorschläge zu nutzen. Während dies früher standardmäßig erfolgte, ist diese Funktion inzwischen standardmäßig deaktiviert. Es lohnt sich daher eine Überprüfung, wie viele und welche Adressen Twitter für das eigene Konto erfasst hat. Alle erfassten Adressen lassen sich komplett löschen. Mit der Löschung wird gleichzeitig die Synchronisation auf allen Geräten deaktiviert.

Sperren und Blockieren: Mehr Transparenz über erfolgte Blockierungen und Sperrungen bietet Twitter über Sperr- und Blockierlisten: Sie lassen sich einsehen, womit Nutzer_innen über eine Dokumentation ihrer Sperraktivitäten verfügen – und sie können jederzeit bearbeitet werden.

Überdies können Nutzer_innen ihre Blockierlisten mit anderen teilen. Twitter bietet nämlich die Möglichkeit die Listen im CSV-Format zu exportieren und zu importieren. Dabei können vor dem Listenexport bestimmte Accounts ausgewählt werden, wobei den Accounts eine ID zugeordnet wird.  Im jetzt anlaufenden Bundeswahlkampf könnten diese Listenfunktionen größere Bedeutung erhalten, wenn es darum geht Bots zu blockieren.

Kein Do Not Track: Mit den neuen Datenschutzbestimmungen unterstützt Twitter nicht mehr die „Do Not Track“-Browsereinstellung. Grund ist, dass sich „Do Not Track“ branchenweit nicht durchsetzen konnte. Twitter will das mit detaillierteren Datenschutzsteuerungen kompensieren. Zumindest in der Europäischen Union dürfte das aber nur von kurzer Dauer sein. Denn mit Inkrafttreten der ePrivacy-Verordnung im Mai nächsten Jahres wird „Do Not Track“ Pflicht werden.

Deine Twitter Daten: Wer wissen möchte, was Twitter alles über einen weiß, sollte sich „Deine Twitter Daten“ ansehen: Hier erfahren Nutzer_innen, welchen Interessen und welchen Werbe-Zielgruppen aufgrund der eigenen Aktivitäten und Profilangaben zugeordnet wurden. Auch das mutmaßliche Alter und Geschlecht werden hier dokumentiert, wenn man es nicht bereits selbst angegeben hat. Unter dem Punkt „Individualisierung und Daten“ kann man die Weitergabe dieser Daten an Werbekunden aber unterbinden.

Twitter bietet mit diesen Einstellungsmöglichkeiten mehr als andere verwandte Dienste, da der Nutzer in weiten Teilen eine Wahlmöglichkeit erhält. Auch wenn noch nicht alle Einstellungen europäischen Anforderungen genügen, ist dies eine gute Entwicklung. Gleichwohl bleibt der Nutzer mit all seinen Geräten und Konten gegenüber Twitter weitgehend identifizierbar. Die damit verbundenen Eingriffsmöglichkeiten nutzt Twitter aber bisher sehr zurückhaltend.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Öffentlichkeit ohne Journalismus

Schwindende Titel, schrumpfende Redaktionen, immer geringere Abonnentenzahlen – dass gerade der Lokaljournalismus vielerorts unter Druck steht, ist nicht neu. Doch was bedeutet das für die lokale Öffentlichkeit, die inzwischen von vielen selbstbewussten Medien-Akteuren mitgestaltet wird? Eine aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung beschäftigt sich mit genau dieser Frage.
mehr »

Die Medienwende nach dem Mauerfall

35 Jahre nach dem Mauerfall bietet die Medienlandschaft im Osten Deutschlands ein zwiespältiges Bild. Nach wie vor verlieren die von westdeutschen Großverlagen kontrollierten ehemaligen DDR-Traditionstitel überdurchschnittlich an Auflage und Anzeigenvolumen. Der aufgelöste staatliche DDR-Rundfunk ist nach anfänglichem Hickhack erfolgreich in ARD und ZDF integriert. Gescheitert ist indes früh der Traum der Ex-Bürgerrechtler von einem „Dritten“ Medienweg.
mehr »

Kodex für mehr Respekt beim Film

Auf Initiative der Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, des Bundesverbands Schauspiel (BFFS) und Allianz Deutscher Produzentinnen und Produzenten – Film, Fernsehen und Audiovisuelle Medien hat eine Gruppe aus Branchenvertreter*innen von Verbänden, TV-Sendern, Streamingdiensten, Förderern und unter Beteiligung der BKM, der Themis Vertrauensstelle e. V. und der BG ETEM nach über einem Jahr gemeinsamer Beratung heute den Respect Code Film (RCF) beschlossen.
mehr »