GEO-Reporter setzt Urheberrecht vor Hamburger Landgericht durch
Mit seinem bislang letzten Artikel für das Magazin GEO hatte der langjährige Autor Christian Jungblut nichts als Ärger: Es war eine Reportage über Holland, Polder, Landgewinnung, Deichbrüche und neue Risiken durch den Klimawandel – „Holland unter Wasser“. Jungblut lieferte den Artikel, und was als ganz normaler redaktioneller Alltag begann, endete schließlich vor Gericht.
Das Hamburger Magazin GEO hat in der Branche einen ausgesprochenen guten Ruf für seine Reportagen. Und einen noch viel größeren als Autorenblatt. Markenzeichen sind nicht nur spannende und hintergründige Reportagen, sondern auch die Vielzahl namhafter Autoren, die mit ihrem jeweils unverwechselbaren Stil die Zeitschrift zu dem machten, was sie einmal war und trotz sinkender Auflagenzahlen immer noch sein will. Zahlreiche GEO-Autoren wurden in den vergangenen Jahren für ihre Reportagen mit dem renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis ausgezeichnet. So auch der Hamburger Autor Christian Jungblut 1986 für seine Reportage „Als Knecht im Garten Eden“.
Nachdem Jungblut den Artikel „Holland unter Wasser“ abgegeben hatte, wurden Änderungen gewünscht, eine Umstellung im Aufbau gefordert. Der 67-jährige Autor kam diesen Aufforderungen nach und lieferte eine zweite Fassung. Doch damit nicht genug: Die GEO-Redaktion änderte nun ihrerseits nicht nur einzelne Wörter und Sätze, sondern ganze Passagen und textete auch wörtliche Zitate neu. „Verschlimmbesserung“ nennt man diese Praxis unter freien Journalisten. Es wurde zwar kein neuer Artikel, aber ein gänzlich anderer. „Reißerisch“ und „lieblos“, so der Autor. Und seine eigene Schreibe, seinen Stil fand er in dem neuen Text nicht wieder. Jungblut untersagte GEO einen Abdruck, weder unter seinem Namen noch unter Pseudonym. Erst persönlich, dann noch einmal mit einem anwaltlichen Schreiben. Doch in der Dezember-Ausgabe 2009 wurde das „neue Werk“ veröffentlicht, ungewollt doppeldeutig unter dem Titel „Plan B“. Als Autor zeichnete Christian Jungblut, der richtig sauer wurde. Er klagte: „Für mich ging es um die Frage: Was dürfen Redaktionen eigentlich?“
Diese Frage hat jetzt die Zivilkammer 8 des Hamburger Landgerichts (Geschäfts-Nr.: 308 0 78/10) beantwortet. Akribisch verglich sie den ursprünglichen Text („Klagemuster“) mit dem überarbeiteten, umgeschriebenen Artikel („Verletzungsmuster“). Und das Gericht musste nach den Grundsätzen des Urheberrechts feststellen, dass hier die Beklagte (GEO) „ihr Bearbeitungsrecht überschritten“ habe. „Das Werk des Klägers stellt auf Grund des für ihn typischen Reportagestils, mit dem er sich bereits einen Namen u.a. als Buchautor erworben hat, ein Werk von besonderer Individualität dar. Die von der Beklagten vorgenommenen Änderungen waren zur Ausübung ihres Nutzungsrechts nach dem Vertragszweck nicht mehr erforderlich.“
Der siegreiche Autor Jungblut sieht seine grundsätzliche Frage beantwortet: „Jetzt haben wir festgestellt: Eigentlich dürfen die Redaktionen gar nicht so viel, sondern sie müssen sich auf jeden Fall immer mit dem Schreiber ins Benehmen setzen und seine Zustimmung einholen. Und das finde ich sehr wichtig.“