Zeitungsbranche erhofft sich von Computer-Tablets wahre Wunder
Für den ehemaligen WAZ- und Bertelsmann-Manager Werner Lauff ist die Sache klar: Es sei zu erwarten, dass „Tablets ein integraler Bestandteil des Alltags werden, auch weil sie zur rechten Zeit kommen: Die Menschen werden immer mobiler und wollen auch mobil informiert werden“, erklärte der Experte, der inzwischen als selbständiger Berater arbeitet, während der Medientage München.
Lauff hat im Auftrag des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) eine Studie über Casual Devices, also Smartphones oder Tablet-PCs, erstellt. Vor allem von Geräten wie Apples iPad erhofft sich die Zeitungsbranche zurzeit wahre Wunderdinge.
Zur Technik: Die Tablet-PC-Nachfrage steigt. Inzwischen bieten auch Samsung, Toshiba, Hewlett-Packard und WeTab relativ leichte, flache Digital-Tafeln an, die über einen berührungsempfindlichen Bildschirm (Touchscreen) intuitiv bedient werden können. Die neue Gerätegeneration bildet bunte Magazinseiten ebenso ab wie Video-Dateien, ist leicht transportabel, benötigt keine Kabelverbindung, verfügt aber dennoch (via Mobilfunk) über eine Online-Verbindung. Tablets und Smartphones seien die Zeitungen und Zeitschriften der Zukunft, jubelt Springers Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner, wann immer er bei Medienkongressen auftritt. „Statt komplexer Software gibt es dort smartes Fingerfood“, preist Werner Lauff die Vorteile des neuen Mediums, das ideal fürs passive Konsumieren von Medieninhalten sei („Lean Back“).
Zu den Anbietern: Außer Springer (Bild, Welt) setzen inzwischen auch Die Zeit, die Frankfurter Rundschau oder die Heilbronner Stimme auf Applikationen (Apps) für das iPad. Andere Redaktionen, wie etwa die des Kölner-Stadt-Anzeigers und der Schwäbischen Zeitung stehen in den Startlöchern. Ralf Geisenhanslüke, Chefredakteur der Schwäbischen Zeitung, freut sich, dank des iPad bestehe die Möglichkeit, „endlich mal Geld“ im Digitalen zu verdienen.
Zur Vermarktung: Zurzeit beherrscht eindeutig Apples iPad die Tablet-PC-Szene: Keine andere Marke versteht es derzeit besser, Kultur, Kommunikation und Kommerz derart geschickt zu kombinieren, dass ihre Endgeräte Kult werden. Vor allem aber verfügt Apple mit seinem AppStore über eine Plattform, über die Apps bezogen und auch abgerechnet werden können. Der Preis dafür ist aus Sicht der Zeitungsverlage allerdings recht hoch: Schließlich verlangt Apple in der Regel eine Umsatzbeteiligung, behält alle Kundendaten für sich und macht strenge Vorschriften in Bezug auf Programmierstandards und manchmal auch Inhalte. Große Hoffnungen setzen die Verlage deshalb auf den offenen Mobile-Media-Standard Android. Für dieses Smartphone-Betriebssystem bietet Google über seinen eigenen Android-Store bereits etwa 80.000 Anwendungen an. Amazon plant Medienberichten zufolge ein ähnliches Vertriebsmodell. Setzen sich für Tablet-PCs keine festen Standards durch, müssen die Verlage ihre Inhalte kostenaufwendig jeweils auf unterschiedliche Hersteller abstimmen.
Zu den Kosten: Aus Sicht deutscher Zeitungsverlage öffnet das iPad die Tür zu einem wichtigen neuen Markt. Dauerhaft aber wünscht sich der BDZV offene technische Standards, direkte Kundenbeziehungen, freie Preisgestaltung bei den Inhalten und mehr Wettbewerb bei den Hardware-Anbietern, der zu sinkenden Preise führen soll. Noch gilt das iPad nämlich für den Massenmarkt als zu teuer: Wer sich ein iPad leisten will, muss dafür zwischen 499 Euro (WLAN-Modell mit 16 GByte) und 814 Euro (UMTS-Modell mit 64 GByte) ausgeben. Hinzu kommen Kosten für die passende Online-Verbindung, die je nach Anbieter und Download-Volumen zwischen zehn und dreißig Euro pro Monat liegen.
Zu den Inhalten: Zurzeit dominieren meist PDF-Versionen der Printinhalte die iPad-Angebote deutscher Zeitungsverlage. Dauerhaft aber sollen weitere Funktionen hinzukommen. So können etwa Zeit-Leser schon jetzt Artikel via App kommentieren, binden vor allem die großen Verlage auch Videos in die Apps ein und suchen alle nach neuen Formen des multimedialen Storytelling. Schließlich reicht bei Tablet-PCs eine Fingerberührung auf dem Touchscreen, um vom Text zum ergänzenden Video zu wechseln.
Zu den Perspektiven: Um beim Wettbewerb gegen andere Inhalteanbieter mithalten zu können, müssen die Zeitungshäuser schnell reagieren. Zurzeit dominierten virtuelle Spiele den iPad-Markt, berichtete Kristina Sabelström Möller Anfang Oktober beim World Editors Forum in Hamburg. Die Expertin des Weltverbandes der Zeitungen und Nachrichtenmedien (WAN-IFRA) verwies auf eine Studie, der zufolge neunzig Prozent der Nutzer vor allem Games auf ihr iPad laden. „Nur bis zu vier Prozent der Downloads sind News“, berichtete Sabelström Möller, die beim Weltverband für den Bereich Meinungsforschung zuständig ist. Elektronische Spiele sind leicht programmierbar, funktionieren in allen Sprachen und bieten für viele Konsumenten, die Hunger auf digitales Fastfood haben, vermutlich den größeren Reiz als die virtuelle News-Nahrung aus der Nachrichtenwelt.