Spähsoftware illegal an Türkei verkauft?

Foto: 123rf

„Ein paar Klicks und die türkische Polizei kann mithören, dank illegal exportierter Überwachungssoftware aus Deutschland.“ So lautet der Vorwurf gegen mehrere Geschäftsführer der Unternehmen FinFisher GmbH, Finfisher Labs GmbH und Elaman GmbH. Das Münchener Firmenkonglomerat soll die Spionagesoftware FinSpy ohne Genehmigung der Bundesregierung an die türkische Regierung verkauft haben. Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), Reporter ohne Grenzen (ROG), des European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und netzpolitik.org hatten am 5. Juli 2919 Strafanzeige erstattet. Nun hat die Staatsanwaltschaft München ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz eingeleitet. Dies könnte mit bis zu fünf Jahren Haft oder einer Geldstrafe geahndet werden, vermeldet Reporter ohne Grenzen (ROG).

Die angezeigten Firmen produzieren und vertreiben gemeinsam Überwachungssoftware wie FinSpy. Erst einmal auf den Handys der Zielpersonen installiert, verleihe FinSpy den Überwachungsorganen wie Polizei und Geheimdiensten absolute Kontrolle, so ROG. FinSpy tauchte im Sommer 2017 auf einer türkischen Webseite auf, die als Mobilisierungswebseite der türkischen Oppositionsbewegung getarnt war.

„Seit Jahren unterstützt Reporter ohne Grenzen türkische Journalistinnen und Journalisten durch Nothilfe, für sie hat die staatliche Überwachung ihrer Kommunikation schwerste Folgen“, sagt Christian Mihr, ROG-Geschäftsführer. „Dass hier deutsche Spionagesoftware von der türkischen Regierung genutzt wurde, um gegen Oppositionelle und Medienschaffende vorzugehen, ist ein Skandal.“

Um Exporte an repressive Regime wie die Türkei zu verhindern, wurden 2015 europaweit Genehmigungspflichten für Exporte von Überwachungssoftware an Länder außerhalb der EU eingeführt. „Verstöße gegen die Exportbestimmungen sind strafbar. Bei deutschen Exporten schaut die Bundesregierung jedoch offensichtlich nicht so genau hin“, so Sarah Lincoln von der GFF.

Auf parlamentarische Anfragen hin, zuletzt am 19. Juni 2019, habe die Bundesregierung bestätigt, dass sie seit Einführung der Genehmigungspflichten im Januar 2015 keine Exportgenehmigung für Intrusionsoftware wie FinSpy erteilt habe. Jedoch würden „IT-Analysen bestätigen, dass es sich bei den in der Türkei im Sommer 2017 gefundenen Softwaresamples um die deutsche Spionagesoftware FinSpy handelt und dass diese FinSpy-Version nach Einführung der Genehmigungspflicht produziert wurde“, erklärt Andre Meister von netzpolitik.org. „Dieselbe Software wird auch vom Bundeskriminalamt als Staatstrojaner eingesetzt, damit subventioniert Deutschland eine Firma, die anderswo zu Menschenrechtsverletzungen beiträgt.“

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

Buchtipp: Das Prinzip Trotzdem

Wie könnte ein selbstbewusster Journalismus aussehen, der sich gegen die aktuelle Medienkrise zu behaupten weiß und sich auf seine zentrale Rolle für funktionierende demokratischen Gesellschaften besinnt? Roger de Weck war Zeit-Chefredakteur, Generaldirektor des Schweizer Radios und Fernsehens sowie Mitglied des Zukunftsrats für Reformen des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks in Deutschland. In seinem jüngst erschienenen Essay „Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen“ beschäftigt er sich mit genau diesen Fragen.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »