Über das Engagement der Gewerkschaft für Freiberufler/innen sprach M mit dem ver.di-Vorsitzenden Frank Bsirske
In Deutschland sind 6 Prozent aller Erwerbstätigen Solo-Selbstständige. In ver.di machen die Freien und Selbstständigen 1,5 Prozent der Mitgliedschaft aus. Ist ver.di für diese Kolleginnen und Kollegen nicht attraktiv genug?
Frank Bsirkse | Gewiss orientieren sich viele Selbstständige und Freiberuflerinnen traditionell an berufsständischen Verbänden. Viele wissen nicht einmal, dass Freiberufler in ver.di gut aufgehoben sind und dass wir für ihre Interessen aktiv sind. Dabei kann sich unsere Dienstleistungsgewerkschaft mehr als sehen lassen: wir haben Netzwerke, Arbeitsstrukturen und Fachleute. ver.di stellt sehr gute Beratungsleistungen zur Verfügung. Wir sind vor Ort besser erreichbar als jeder Verband. Die Beratungsangebote, die unseren Mitgliedern stets von überall her zugänglich sind, allen voran mediafon, sind Spitze. Alles sehr gute Gründe ver.di durch eine Mitgliedschaft zu stärken.
In vielen Branchen ist eine massive Umgestaltung der Arbeitswelt im Gange. Gerade in der Medienbranche zeigt sich die Restrukturierung sehr deutlich in der Verlagerung von Tätigkeiten auf Selbstständige oder auch Scheinselbstständige. Wie kann ver.di mit diesen Herausforderungen umgehen?
Die Auslagerungsprozesse treffen in den Medien auf eine lange Tradition der Freiberuflichkeit. Die Gewerkschaften, vormals die IG Medien und nun ver.di, setzen an verschiedenen Punkten an:
Einerseits bei tarifvertraglichen Gestaltungsräumen auf der Grundlage des Paragrafen 12a des Tarifvertragsgesetzes für arbeitnehmerähnliche Personen – eine Gesetzesgrundlage, die übrigens von den Gewerkschaften erwirkt worden ist. Indirekt strahlen diese dann auch auf Selbstständige aus, die nicht als arbeitnehmerähnlich gelten, z.B. bei den Honorarsätzen.
Andererseits durch die Bekämpfung von Scheinselbstständigkeit mit Hilfe von Kriterien, denen eine Freiberuflichkeit genügen muss, um sich von abhängiger Beschäftigung zu unterscheiden.
Zudem sind wir nachhaltig engagiert, die soziale Absicherung von Solo-Selbstständigen, Stichwort Künstlersozialkasse, zu verteidigen und noch zu verbessern – zum Beispiel indem die Auftraggeber an den Kosten der sozialen Sicherung für Selbstständige beteiligt werden. Und wir kümmern uns um Musterverträge und Mindesthonorare. Allerdings stehen wir Medienunternehmen gegenüber, die nicht immer fair mit den für sie tätigen Freiberuflern umgehen. Und die ihre Medienmacht nutzen, um Politikerinnen und Politiker davon abzuhalten, faire Spielregeln gesetzlich zu verankern und umzusetzen.
An der Vergütung im öffentlichen Dienst hängen indirekt viele arbeitnehmerähnlich freiberuflich Beschäftigte. Kannst du dir vorstellen, dass ver.di die Arbeitgeber dazu kriegen kann, auf der Grundlage des § 12 a Tarifvertragsgesetzes darüber zu verhandeln?
Im öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist es durchaus der Fall, dass die von ver.di erkämpften Prozentpunkte auf Angestellte und arbeitnehmerähnliche Freie übertragen werden. Wenngleich es immer mal wieder Schwierigkeiten gibt. Ob es einen Sinn macht, das auf eine allgemeinere Ebene zu verlagern, muss sehr sorgfältig überlegt werden.
Die Gewerkschaften – und allen voran ver.di – haben einen großen Erfolg errungen: Der gesetzliche Mindestlohn steht vor der Tür. Allerdings werden immer noch Ausnahmen gefordert zum Beispiel für Zeitungszustellerinnen und -zusteller. Welche Perspektiven ergeben sich in dieser Situation für Freiberufler/innen?
Andrea Nahles, die Bundesarbeitsministerin, hat bei der Vorstellung ihres Gesetzentwurfes gesagt: „Der gesetzliche Mindestlohn soll den Arbeitnehmern ihre Würde wahren helfen.“ Gut! Würde aber kennt keine Ausnahmen, auch nicht für Arbeitslose und minderjährige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Das sieht die große Koalition noch anders. Deshalb machen wir bis in den Herbst hinein noch mal eine Mindestlohntour quer durch das Land – in Gießen sind wir gestartet. In der Medienbranche müssen gerade die prekär Beschäftigten in der Zeitungszustellung endlich flächendeckend besser abgesichert werden.
Was für den Stücklohn in der Zeitungszustellung gilt, gilt ähnlich auch für Solo-Selbstständige, seien sie nun arbeitnehmerähnlich oder nicht: Auch hier geht es am Ende um ein Honorargefüge, das dem Mindestlohn entspricht. Das setzt aber voraus, dass der „vierten Gewalt“ von Bund und Ländern keine Ausnahmen beim Mindestlohn zugestanden werden.
Interview: Karin Wenk
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