Stereotype „Bilder in unseren Köpfen“ abbauen!

Besser-Wessi und Jammer-Ossi, Karrierefrau und Softi, Junge Alte, schwuler Frisör und türkische Putzfrau – das sind „Bilder in unseren Köpfen“, die großenteils medial erzeugt oder vermittelt sind und gesellschaftliche Folgen haben. Die Salzburger Kommunikationswissenschaftlerin Martina Thiele gibt erstmals einen umfassenden Überblick über die kommunikationswissenschaftliche Stereotypen- und Vorurteilsforschung und regt zum Nachdenken darüber an, wie Medien zum Abbau stereotyper „Bilder in unseren Köpfen“ beitragen können.

Martina Thiele: Medien und Stereotype. Konturen eines Forschungsfeldes. Transcript-Verlag, Bielefeld 2015. 504 Seiten. 44,99 Euro

Wissenschaftlich differenziert, gesellschaftskritisch und medienbezogen definiert Thiele Stereotype als soziale Konstrukte und ihre Vermeidung als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, wobei Journalist_innen eine besondere Verantwortung haben. Sie analysiert, wie Stereotype zu Nation, Ethnie, Geschlecht, Religion, Alter und Beruf in welchem gesellschaftlichen Umfeld erforscht wurden. Ein Ergebnis: Dass „Islam“ häufig im Kontext von Gewalt und Terroranschlägen thematisiert wird, hänge mit Nachrichtenwerten wie Aktualität und vor allem Negativismus zusammen. Ausgeblendet bleibe das „Normale, Alltägliche, Positive“. So gelte es, die gängige Form der Nachrichtenauswahl zu hinterfragen, um Diskriminierungen zu vermeiden.
In der Berichterstattung zu Nation bzw. Ethnie stellt Thiele in den vergangenen zwei Jahrzehnten dagegen einen „Qualitätsschub“ fest: mehr Journalist_innen mit Migrationshintergrund, ein sensiblerer Sprachgebrauch („Asylsuchende“ statt „Asylanten“) und negative Stereotype werden durch positive ergänzt. Dennoch warnt sie mit Blick auf Bilder von den „Griechen“ in der Eurokrise, „unreflektiert Problemdefinitionen der Politik und Wirtschaft sowie deren Vokabular zu übernehmen“. Fazit: Das Buch erweist sich als Pflichtlektüre für Wissenschaftler_innen und Fundgrube für Medienpraktiker_innen, die sich um eine verantwortungsethische Berichterstattung jenseits stereotyper Bilder bemühen!

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »

Gewalt an Frauen bleibt Leerstelle

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich. Und nicht nur in Politik und Justiz besteht großer Nachholbedarf im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Auch die journalistische Praxis zeigt deutliche Schwächen und erhebliche Leerstellen. Der aktuelle Trendreport der Otto Brenner Stiftung nimmt die Jahre 2020 bis 2022 in den Blick und stellt fest: Gewalt gegen Frauen wird isoliert dargestellt, ohne strukturelle Ursachen und Präventionsmöglichkeiten zu thematisieren. Das betrifft besonders deutsche Täter. Die Perspektive der Opfer bleibt unterbelichtet.
mehr »