(Stress-)Frei arbeiten!

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Gute Wochenplanung und produktive Pausen gegen die Prokrastination

Die meisten Freiberufler_innen lieben die Freiheit, mit der sie ihre Arbeit organisieren können. Doch sehr schnell kann diese Freiheit in ungesunden Stress ausarten. Die Gründe dafür sind oft mangelnde Strukturiertheit und Selbstdisziplin – heutzutage ein weit verbreitetes Problem, auch unter Angestellten! Die freie Journalistin Monique Hofmann hat mit dem Motivationspsycho­logen und Autor des Zeitmanagement-Bestsellers „Golden Rules“, Dr. Martin Krengel, über gute ­To-Do-Listen, Prokrastination, effizientes Pausenmanagement und die Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben gesprochen.

Monique Hofmann | Herr Krengel, ich versuche zwar jeden Morgen, mir eine To-Do-Liste anzulegen, doch…

Martin Krengel | Stopp. Das ist schon der erste Fehler. To-Do-Listen sollten immer für eine Woche geschrieben werden, das gibt viel mehr Übersicht. Dabei ist es dann natürlich ganz normal, wenn sich mal etwas verschiebt oder man die Liste sogar komplett neu schreibt. Der Plan ist immer nur eine Prognose der Zukunft. Ich schreibe mir zum Beispiel auch immer zwei bis drei Joker-Aufgaben für Unerwartetes in die Liste. Bestimmte Blöcke sollten auch für Organisatorisches eingeplant werden, also zum Beispiel für Reisekosten­abrechnungen oder eben das Schreiben der To-Do-Liste. Ich selbst arbeite mit einer Wochenplanvorlage,  die ich auch meinen Leserinnen und Lesern zur Verfügung stelle. Es gibt aber auch gute To-Do-Listen-Tools wie Trello oder Asana, wo man mit sogenannten Boards arbeitet und seine Prioritäten mit einem Klick ständig repriorisieren kann. Die einzelnen Aufgaben können schnell zwischen verschiedenen Listen hin- und hergezogen werden.

Bei mir kommt dann meistens aber alles anders als geplant: unvorhergesehene Anrufe oder Mails, eine Recherche dauert viel länger als gedacht oder ein dringender Auftrag, den ich nicht ablehnen kann. Wie kann ich meinen Arbeitstag trotzdem effizient strukturieren, ohne dass am Ende nur Frustration und Demotivation entstehen, weil ich meine To-Do-Liste nicht abarbeiten konnte?

Um es gleich vorweg zu sagen: Es heißt ja Zeitmanagement und Management ist immer ein Hantieren mit knappen Ressourcen. Das heißt, es gibt immer mehr zu tun, als man tatsächlich erledigen kann. Dass wir nicht alles schaffen, ist daher die Regel und nicht die Ausnahme. Das ist vollkommen normal, allerdings müssen wir uns in diesem Wissen umso mehr strukturieren und priorisieren. Und natürlich sollte man die Erwartungen entsprechend anpassen, sodass man weniger unzufrieden ist.

Beim Schreiben einer To-Do-Liste ist es daher sinnvoll, die Zeiten dahinter zu schreiben, die man gedenkt, für diese Aufgabe aufzuwenden. Von meinem gesamten Arbeitstag sollten dabei nur fünf Stunden verplant werden, der Rest ist für Unvorhergesehenes. Ich habe also pro Woche circa 25 Stunden, die ich verplanen kann. Diejenigen, die noch nicht so lange freiberuflich arbeiten, sollten dabei so etwa das doppelte der Zeit veranschlagen, von der sie denken, dass eine Aufgabe dauern wird. Also vier statt der zwei Stunden, die man glaubt, für einen Text zu benötigen.

Um mir eine Struktur zu erarbeiten, frage ich mich deshalb zunächst, was ich machen werde und wie lange ich dafür brauchen werde – und dann, wann die beste Zeit dafür ist. In Randzeiten werden die Randtätigkeiten und zur kognitiven Prime Time – das ist für viele wahrscheinlich der Vormittag, für mich als Morgenmuffel aber eher der Nachmittag – werden die großen Brocken erledigt. Damit meine ich die denkintensiven, aber auch die unangenehmen Aufgaben oder die, für die wir eine extra Portion Mut benötigen. Solche Aufgaben sollten in der gehirnstarken Zeit erledigt werden. Sinnvoll ist es außerdem, den Tag in Fokus-, Organisations- und Kommunikationsblöcke zu teilen. Sprich, man erledigt erst die wichtigste Aufgabe des Tages (Fokus), dann schiebt man zur Auflockerung organisatorische oder kommunikative Tätigkeiten ein und dann kommt die nächste wichtige Aufgabe.

Den Geschirrspüler ausräumen und endlich mal wieder Fenster putzen oder eine Gesichtsmaske auftragen und die Fingernägel maniküren – am heimischen Arbeitsplatz lauern dann aber zahlreiche (auch digitale) Ablenkungen, die meiner super strukturierten To-Do-Liste den Garaus machen wollen. Wie wehrt man sich erfolgreich gegen die berühmt-berüchtigte Prokrastinationsfalle – Arbeiten immer wieder aufzuschieben?

Gegen die Prokrastinationsfalle hilft eine klare Arbeitsroutine. Die kann man mit sogenannten Ankern herstellen. Das sind Reize, die eine bestimmte Reaktion auslösen. Ein fester Arbeitsplatz ist zum Beispiel ein solcher Anker: Mein Gehirn weiß, dass Arbeit angesagt ist, sobald ich mich an meinen Schreibtisch setze. Verstärken kann ich das, indem ich zum Arbeitsbeginn eine Erdbeere esse oder einen Kaffee trinke. Das ist dann das Signal an das Gehirn für: Jetzt wird gearbeitet, also Licht an! Außerdem sollte der Arbeitsplatz auch entsprechend ablenkungsarm gestaltet sein. Der Schreibtisch sollte also nicht vor dem Fenster stehen, aus dem man auf die Straße blickt.

Gut für Kreative, die im Home Office arbeiten, sind auch sogenannte Fokus-Sessions. Das heißt, ich nehme mir eine Aufgabe mit in ein Café oder gehe ein, zwei Mal die Woche raus, in eine lokale Bibliothek oder einen Coworking-Space. Auch wenn es zu Hause bequemer ist, ist es manchmal eben effizienter, fern von heimischen Ablenkungsfallen zu arbeiten. Gegen die digitalen Ablenkungsfallen helfen dagegen auch Apps wie SelfControl oder Bildschirmzeit, mit denen man gewisse Seiten blockieren oder festlegen kann, dass man nur zehn Minuten pro Tag Facebook benutzen darf.

Schließlich braucht man auch eine klare Endzeit, denn nichts ist schlimmer als ein langer Arbeitstag, der kein Ende findet. Dann neigt man dazu, Dinge immer wieder zu schieben.

Freie arbeiten ja oft an mehreren Projekten gleichzeitig. Wie kann man es schaffen, da den Überblick zu behalten?

Um es flexibel und effizient zu halten, arbeite ich gerne in Runden. Ich mache zum Beispiel am Vormittag ein wichtiges Projekt und schließe das erst einmal in einem Teilschritt ab und mache am Nachmittag ein weiteres Projekt und am Dienstag und Mittwoch das selbe. Das heißt, ich schaffe es auf diese Weise, in zwei Tagen vier, fünf verschiedene Aufgaben anzufassen und jede davon ein Stück weit voranzubringen. Zwischendurch hat man so auch immer wieder Pausen, um dann nochmal mit neuem Blick auf das Projekt zu gucken und damit auch die Qualität zu erhöhen. Oder ich teile die Woche in zwei Hälften, eine für Projekt A, die andere für Projekt B. Ein Projekt den ganzen Tag zu bearbeiten, hat dann natürlich den Vorteil, dass man sich tief einarbeiten kann und ein ganzes Stück vorankommt. Doch je nach Kundenbetreuungsintensität kann man sich nicht immer den ganzen Tag für eine Aufgabe abschirmen. Deshalb ist es bei beiden Varianten auch wichtig, Blöcke für die Kommunikation zu den Projekten einzuplanen.

Wenn man Texte schreiben muss, sollte man einen ganzen Tag in zwei Mal anderthalb Stunden am Vormittag und zwei Mal anderthalb Stunden am Nachmittag strukturieren. So kann man sich in einer Session relativ gut in einen Text reinarbeiten und im Übrigen tut es so einem Text auch ganz gut, wenn er mal einen halben Tag liegt, weil das Gehirn irgendwann einfach auch Ermüdungserscheinungen hat.

Im schlimmsten Fall nimmt man zu viele Aufträge auf einmal an und ist am Ende hoffnungslos überfordert. Wie lässt sich so etwas vermeiden?

Wer mehr als fünf Projekte gleichzeitig jongliert, der hat schlecht geplant und kassiert eine ganze Menge Stress. Da muss man nein sagen üben, ehrlich zu sich selbst sein und ganz konsequent erstmal die wichtigsten Projekte abarbeiten. Es gilt das Gesetz des Ersetzens: Bevor ich etwas Neues anfange, muss etwas Altes abgeschlossen sein. Dafür muss ich mich natürlich trauen, kleinere Projekte abzusagen oder auch zu verschieben. Dabei hilft die Erkenntnis: Es gibt keine bessere Verhandlungsmacht als einen vollen Terminkalender. Da kann man tatsächlich noch einmal ein bisschen freier über den Preis reden. Wenn die Qualität und die Verlässlichkeit stimmen, dann haben die Kunden auch generell eine höhere Zahlungsbereitschaft. Dafür muss ich dann Prioritäten setzen.

Und wie kommt man aus dem Ganzen wieder raus, wenn das Kind erst einmal in den Brunnen gefallen ist und man den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr sieht?

Da hilft nur eins: ein kompletter Stopp und eine produktive Pause. Das Gehirn kann in so einer Situation nicht mehr priorisieren und es kommen negative Gefühle hinzu, die zusätzlich die Denkleistung verringern oder gar blockieren (der sogenannte Blackout). Jetzt muss man eine Pause machen und sich am besten den ganzen Tag selbst krankschreiben. In den Pausen steigt unsere kognitive Fähigkeit. Das kennt jeder, der unter der Dusche oder beim Spazieren im Park einen genialen Einfall hat und das hatten wir alle schon. Und dann rappelt man sich auf und hat plötzlich die Kraft, eine aufgeschobene Aufgabe anzupacken, weil man merkt, dass die eine Aufgabe, an der man so rumgezerrt hat, gar nicht so wichtig war. Ein gutes Pausen­management ist also unheimlich wichtig für die Produktivität und eine Pause oft das produktivste, was wir tun können.

Und wie gelingt es mir, die Arbeit so zu organisieren, dass mein Privatleben nicht darunter leidet? Irgendwie ist es doch so, dass jedes Mal, wenn die Freundin nach einem Date fragt, eigentlich ja noch Arbeit zu tun ist und man deswegen absagt oder das Treffen auf die nächste Woche verschiebt, in der man dann natürlich wieder viel zu viel zu tun hat …

Zur ewigen Frage nach der Work-Life-Balance: Wenn ich meine Woche am Sonntag oder Montag plane, plane ich meine privaten Termine mit ein. Ich muss mir also vorher überlegen: Was sind meine beruflichen Prioritäten? Was sind meine privaten Prioritäten? Das Training steht genauso geblockt im Wochenplan wie das Telefonat mit meiner Freundin. Und somit ist ein guter Wochenplan auch ein Wochenendplaner.

Bestseller: „Golden Rules: Erfolgreich lernen und arbeiten. Alles, was du brauchst.“

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