Tauwetter im Pagodenland?

Rigide Zensurvorschriften beherrschen noch die Medien in Burma

Medien sind häufig gute Indikatoren für Veränderungen im Lande. In Burma gründen sich vor den Wahlen 2010 private Medien, finden Journalistenkurse statt. Ein neues Mediengesetz wird diskutiert. Aber nach wie vor werden auch Journalisten wegen ihrer Arbeit verhaftet.

Während des Anflugs auf Rangon, Hauptstadt von Burma, wechseln sich immer wieder überflutete Reisfelder, kleine Dörfer und die braunen Fluten der lehmigen Flüsse ab bis am Horizont die sagenumwobene Shwedagon-Pagode golden aufblitzt. Nachdem die Militärjunta das Land in Folge der von Mönchen angeführten „Safran Revolution“ aus dem Jahre 2007 hermetisch gegen Journalisten abgeschottet hatte, wurden mir und einem amerikanischen Journalisten im Juli zum ersten Mal wieder offiziell Journalisten-Visa ausgestellt. Die halbstaatliche „Myanmars Writers and Journalist Association“ hatte mich eingeladen, um nach 30 Jahren nicht vorhandener Journalisten-Ausbildung zum ersten Mal wieder einen anerkannten Trainingskurs für junge Journalisten durchzuführen. Bis dahin hatte die Ausbildung durch internationale Journalisten immer nur im Ausland stattgefunden, nunmehr konnten wir direkt vor Ort mit Kollegen staatlicher und privater Einrichtungen arbeiten.
Die größte Stadt des Landes, welche nach Verlegung des offiziellen Regierungssitzes nach Naypyidaw, immer noch das geistige Zentrum des Landes darstellt, empfing mich mit einer Mischung aus Nostalgie und Aufbruch in eine andere Zeit. Auf den ersten Blick war den Wohnhäusern und Straßen der jahrelange internationale Boykott anzusehen. Uralte Taxen wetteiferten mit Pferdefuhrwerken um den Teil der Straße, die nicht durch tiefe Straßenlöcher unbefahrbar geworden waren. In den Teeshops der Straßen trafen sich Jung und Alt mit den Mönchen bei Kerzenbeleuchtung zum Philosophieren und Touristen sind am Nationalheiligtum, der Shwedagon-Pagode, überhaupt nicht mehr anzutreffen. Doch daneben ist die Moderne schon längst angebrochen, wie ich bei meinem ersten Besuch im Internet-Cafe feststellen konnte. Mit einem deutschen Verschlüsselungsprogramm umgehen die burmesischen Jugendlichen nicht nur gekonnt die Internetzensur der Regierung, sondern spielen auch ungestört „Counterstrike“ und bestücken nebenher ihre Blogs. Diese freie Internet-Idylle wird nur durch die Pieps-Töne gestört, wenn mal wieder das Notstrom-Aggregat den wechselhaften Strom ersetzt. Aber davon lassen sich die Wenigsten stören. Ich hatte im Vorfeld meiner Burma-Reise die einschlägigen Medien studiert, versucht, mich durch die Fachliteratur zur wechselseitigen Geschichte des asiatischen Landes zu kämpfen und dachte gut vorbereitet zu sein – aber Rangon war ganz anders als erwartet.
Nach einigen Tagen mit den 50 jungen Journalisten, die an dem sechswöchigen Kurs der „Myanmar Association for Writers and Journalists“ teilnahmen, konnte ich auch die Medienlandschaft besser einschätzen. Neben der staatlichen Zeitung New Light of Myanmar, die täglich in schwarz-weiß erscheint, gibt es in Burma über 100 wöchentliche Zeitungen. Dabei werden vorrangig eingängige Themen behandelt, wie Literatur, Musik oder die internationale Celebrity. Aber auch politische Magazine wie Living Color oder englischsprachige Zeitungen wie Myanmar Times sind zunehmend mit harten News und weltweiter Berichterstattung auf dem Zeitungsmarkt vertreten. In der internationalen Berichterstattung über Burma werden die Medien häufig als komplett verstaatlicht dargestellt – aber das Gegenteil ist der Fall. Private Firmen geben wöchentlich etwa 35 Zeitungen mit einer Auflage zwischen 10.000 und 35.000 Exemplaren heraus und sogar ein TV-Sender wird als staatlich-privates „Joint Venture“ betrieben. Dabei unterstehen alle Zeitungen den rigiden Zensurvorschriften der Regierung, die durch eine Zensurbehörde im Informationsministerium kontrolliert werden. Einmal in der Woche müssen alle Chefredakteure ihre Zeitungen zur Vorzensur bei dieser Zensurbehörde abgeben. Zwei Tage später erhalten sie die mit rotem Stift zensierten Ausgaben wieder, welche sie nach nochmaliger Überarbeitung wieder einreichen und erst nach endgültiger Freigabe in Druck geben können. Solch eine Zensur hinterlässt ihre Spuren im Journalismus und auch in der Berichterstattung, häufig wird bereits die „Schere im Kopf“ eingeschaltet und kritische Themen erscheinen nur noch als kreative Features.
Aber seit die Zensurbehörde vor fünf Jahren vom Verteidigungs- ins Informationsministerium gewandert ist, lockern sich die Zensurbedingungen und es findet ein informeller Dialog statt. Momentan wird hinter verschlossenen Türen über ein neues Mediengesetz beraten, welches klarere Regeln für Medien schaffen soll, damit Zensur nicht mehr so willkürlich wie bisher stattfindet. Denn trotz der Lockerungen in der Medienlandschaft Burmas steht das Land immer noch auf viertletztem Platz der „Reporter ohne Grenzen“-Rangliste. Regelmäßig verschwinden kritische Journalisten im Gefängnis.
Nach der Ankündigung der Militärjunta im nächsten Jahr Wahlen abzuhalten, ist im Pagodenland die Medienlandschaft in Bewegung geraten. Gerade für die Wahlen braucht das herrschende Militär landesweite Medien zur Übermittlung von Botschaften, deshalb arbeitet das Verteidigungsministerium auch emsig an neuen staatlichen Angeboten. Auch die 50 jungen Journalisten aus unserem Trainingskurs haben mitbekommen, dass sich etwas ändert und wollen in den nächsten Monaten ausprobieren, wie weit die Freiheit geht und was „unter dem Radar“ an Medienfreiheit erlaubt ist. Die internationale Gemeinschaft unterstützt die Kollegen dabei vor Ort mit vielfältigen Aktivitäten, wie beispielsweise UNICEF, die Journalistenkurse über Kinderrechte anbietet. Denn aufgrund der nicht vorhandenen Journalistenausbildung sind viele Journalisten ausgebildete Ärzte, Ingenieure oder Dolmetscher und haben sich autodidaktisch nur rudimentäre Kenntnisse beigebracht. Genauso wie die Mitarbeiter der Zensurbehörde kennen sie häufig Grundlagen wie Stilformen oder journalistische Schreibweisen nicht, was die Medienarbeit erschwert. Trotzdem wollen sie ihre Chance zu den Wahlen 2010 nutzen. Um die Medienaktivitäten direkt zu unterstützen, kommen einige Burmesen selbst aus festen Jobs im Ausland in die Ungewissheit nach Rangon zurück. „Ich will mithelfen die Chancen durch die Wahlen zu nutzen, um mir nicht in 20 Jahren vorwerfen zu müssen, dass ich nicht alles versucht habe. Wir gehen dabei nicht von freien und fairen Wahlen in unserem Land aus, aber es gibt danach vielleicht die Möglichkeit über Opposition und Medien ohne Repressionen seine Meinung zu äußern. Dafür müssen wir alles versuchen“, fasst eine NGO-Mitarbeiterin die Aufbruchsstimmung in der Medienlandschaft zusammen. Dabei würden sich die burmesischen Journalisten über eine Unterstützung durch gute internationale Berichterstattung freuen, die vor Ort in Burma meist differenzierter aussieht als von den Redaktionsbüros in Deutschland aus.

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