„Terror“ im Fernsehen: Vermischung von Realität und Fiktion

Der ARD ist ein TV-Event gelungen: ein Film nach Ferdinand von Schirachs Theaterstück „Terror“, anschließend „Hart aber fair“. Der Abend brachte eine Quote zum Herzeigen und viel medialen Gesprächsstoff. „Terror“ handelt von der Anklage gegen einen Kampfpiloten, der ein Passagierflugzeug abschießt, um tausende Menschen in einem Stadion zu retten. Über die Inszenierung von Lars Kraume lässt sich hauptsächlich Gutes sagen. Der Regisseur inszenierte das Stück so, wie es gedacht war, als virtuelle Versuchsanordnung zu einer Frage von Recht und Moral. Er ersparte uns Bebilderungen etwa von trauernden Angehörigen oder einem ahnungslosen Stadionpublikum. Alles sollte sich im Kopf der Zuschauer abspielen und sie mit der Frage nach der eigenen Haltung beschäftigen. Wie ein Einspieler im Plasberg-Talk zeigte, waren die Zuschauer sehr mit der eigenen Meinung beschäftigt und orientierten sich mehrfach um.

Kopftheater also, wunderbar. Aber eine schlechte Idee, eine Talkrunde hinterherzuschicken, die die gedankliche Selbsttätigkeit wieder umlenkt in das mediale Vor-Spiel von Experten-Talks. Was der Film als Denkangebot für den Kopf bereitstellte, hat der Talk mit dem Arsch wieder eingerissen.

Erwartungsgemäß erklärte das TV-Publikum den Piloten mehrheitlich für unschuldig, deutlicher als in den Theatern. Das verwundert nicht. Theater ist ein Denkraum, Fernsehen eine Emotionsmaschine. Theater fördert Reflexion, Fernsehen will überrumpeln. Und so sind es die Zuschauer gewohnt: schnelles Urteil, Knopfdruck. Für die Abstimmung war weniger Zeit als für die Beantwortung einer Multiple-Choice-Zuschauerfrage in Jauchs Millionenspiel.

Dazu die schlechten TV-Gewohnheiten. Talks laufen auf Quiz-Entscheidungen hinaus: Ja oder nein, richtig oder falsch. Endziffer 1 für schuldig, Endziffer 2 für unschuldig. Man musste der Theologin Petra Bahr dankbar sein, dass sie in der Talkrunde klar machte, es gäbe hier „kein falsch oder richtig, sondern nur falsch oder falscher“. Und so hätte es auch kein Zuschauer-Urteil gebraucht. Jedenfalls nicht eins, das so tut, als seien wir alle plötzlich Schöffen. Die Macher wären besser auf ihrem Unterhaltungs-Spielteppich geblieben: Kein Urteil, sondern ein Meinungsbild, bestenfalls.

Und wieder war es Petra Bahr, die darauf beharrte, die Zuschauer hätten über das Ende eines Films abgestimmt, nicht über das Grundgesetz. Was aber dann auch keiner hören wollte. Wo man doch grad so schön dabei war, Realität und Fiktion zu vermischen – im Dienst des Events, des Effekts und der Erregungskultur.

 

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